Jane Lippencott: Die Chefinvestorin der Winklevoss-Zwillinge schwärmt für Bitcoins und andere Kryptos

Wie viele Bitcoins haben Sie? Ich habe 90 Prozent meiner Ersparnisse in Kryptowährungen investiert – nicht nur in Bitcoin, sondern auch in Ethereum und andere Kryptoanlagen. Seit dem Jahr 2015 habe ich fast alles Geld, das ich verdient habe, im Kryptouniversum angelegt. Wie bitte? Ja, eine riskante Anlagestrategie. Aber es schien mir richtig zu der Zeit. Hat sich ausgezahlt. Im Jahr 2015 lag der Bitcoin-Kurs noch bei rund 300 Dollar – zuletzt schaffte er es über 19'800 Dollar. Ja, der Kurs ist stark gestiegen. Ich hatte das so nicht erwartet. Wieso haben Sie damals investiert? Ich hörte 2013 erstmals von Bitcoin... ...damals gingen Sie noch aufs Gymnasium. Über Bitcoin konnte man damals fast nur online in digitalen Foren etwas lesen. Es gab jene, die in Bitcoin eine digitale Version von Geld sahen, andere wollten Bitcoin-Noten und -Münzen drucken. Es wurde darüber diskutiert, Bitcoin für die Kapitalflucht zu nutzen, in Ländern, in denen das Ausführen von Geld Restriktionen unterliegt – andere sprachen von Steuerflucht. Anfang des Jahres 2013 kostete ein Bitcoin nur 15 Dollar. Ja, damals war er sehr günstig – und ein Spekulationsobjekt. Viele kauften Bitcoins, um damit Geld zu verdienen, aber nicht ich. Wirklich? Damals war ich in finanziellen Dingen noch nicht so bewandert und sicher nicht in der Lage, einzuschätzen, wohin die Reise von Bitcoin gehen würde. Ich konnte nicht vorhersehen, dass der Kurs so in die Höhe gehen würde. Ich war damals auch schlicht nicht so am Thema Geld interessiert. Sondern? An Geschichte, Literatur, Volkswirtschaft, Mode und so.Jane Lippencott Jane Lippencott ist erst 24 Jahe alt, hat aber schon eine Firma gegründet und verfügt über ein sehr grosses Netzwerk im Kryptoumfeld. Sie selektiert Investments für die bekannten Winklevoss-Zwillinge. Lippencott sagt, sie sei als Kind und als Jugendliche ein Nerd gewesen. Sie sei damals mit ihrer Familie häufig von einem Land ins nächste umgezogen, wegen der Arbeit ihrer Eltern – ihr Vater arbeitet für die US-Regierung und ihre Mutter für Non-Profit-Gesellschaften. Einen grossen Teil ihrer Jugend verbrachte sie in Hongkong. Dort besuchte sie auch das Gymnasium. Später war sie an der Universität, schloss aber nicht ab. Sie habe einfach angefangen zu arbeiten – und blieb dabei, bis heute. Vom 20. bis 22. Januar wird Lippencott an der Crypto Finance Conference in St. Moritz teilnehmen, falls es die Umstände zulassen. Wieso fingen Sie an, sich vertieft mit Bitcoin auseinanderzusetzen? Im Jahr 2014 gab es die Regenschirm-Revolution in Hongkong, die mich sehr beschäftigte, weil ich in Hongkong geboren und aufgewachsen bin. Damals überlegten einige, wie Bitcoin helfen könnte. Es ging unter anderem darum, Geldflüsse privat zu halten. Es wurde etwa überlegt, Bitcoin-Investitionen als sicheren Hafen zu nutzen. Aber es wurde damals auch darüber geredet, mittels der Bitcoin-Technik Nutzern und Nutzerinnen neue Funktion zu bieten, die etwa eine freie Presse gewährleisten könnten sowie private Chats und Nachrichten. Als was sahen Sie es? Geld ohne Landesgrenzen, ohne Regierung. Das fand ich aufregend. Dann waren Sie beim Aufbau einer neuen Kryptowährung dabei, die sich dem Thema annahm. Ja, bei Zencash, wo es um Privacy Coins ging, um privates digitales Geld. Wieso braucht es dafür eine neue Währung – Bitcoin ist ja schon privat? Bei Bitcoin-Transaktionen werden Daten wie der gesendete Betrag und die Ursprungsadresse gespeichert. Sie können von jedem abgefragt werden. Zencash verschleierte diese Daten und machte sie so zu einer sichereren Lösung für Dissidenten, Flüchtlinge, Aktivistinnen und dergleichen, die Wert auf eine finanzielle Privatsphäre legen. Das könnten auch Kriminelle nutzen. Ja, wir haben das mit Robert Oppenheimer verglichen. Er gilt als Vater der Atombombe. Ja, genau wie er bauten wir etwas, das Dissidenten, Flüchtlingen und allen anderen helfen kann, die von einer Regierung aufgrund ihrer politischen oder religiösen Ansichten bedroht werden. Aber wenn die Technologie zur Verfügung steht, kann sie jeder brauchen. Das ist eine fundamentale Frage bei allen neuen Technologien: Sind die positiven Auswirkungen es wert, die möglichen negativen Folgen in Kauf zu nehmen? Viele Diskussionen über die Kryptowährungen fokussieren die negativen Dinge, die passieren könnten, leider weniger die positiven Seiten: Etwa, dass viele Menschen wirklich zu Recht solche Technologien brauchen. Auf Letztere haben wir fokussiert. Aber es gibt sicher irgendwo Studien, die zeigen, dass Privacy Coins von Kriminellen verwendet wurden. Das ist leider nicht zu vermeiden. Wer die Idee von Privacy Coins weitertreibt, hin zu völliger Unabhängigkeit von Staaten, kann in der Anarchie landen. Aber da sehe ich Ihre Arbeitgeber, die Winklevoss-Zwillinge, nicht. Wo stehen sie? Keiner von uns ist für Anarchie. Wenn man in einem Lande wohnt, ist es Teil des Vertrages, dass man dort Steuern bezahlt. Aber dann muss der Geldfluss kontrolliert werden. Denn viele Leute wollen nicht unbedingt Steuern bezahlen. Es gibt viele, die gerne Steuern bezahlen. Die wollen ihre Regierung unterstützen. Trotzdem: Steuerflucht ist ein Fakt. Man kann ja auch nicht pur in Privacy Coins bleiben. Man muss immer wieder in die üblichen Währungen raus, etwa in den US-Dollar. In den USA ist das auf jeden Fall so. Also ist noch genügend Kontrolle da. Privacy Coins sind für Leute, die verzweifelt sind, die verfolgt werden, wegen ihrer politischen oder religiösen Ansichten. Das ist der Zweck dieser Coins. Bei Zencash gab es ein Rebranding. Inzwischen heisst die Firma Horizen. Warum? Ja, es gab ein Rebranding von Zencash zu Horizen. Da geht es jetzt nicht mehr um eine Währung und Coins, sondern Horizen nutzt die Zencash-Technik, um Firmen zu helfen, ihre Daten privat zu halten. Heute sind Sie für Winklevoss Capital tätig, das Family Office der Winklevoss-Zwillinge, die wegen eines Rechtsstreits mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg und als Bitcoin-Milliardäre bekannt sind. Ja, im Family Office wird ihr Geld verwaltet. Ich fokussiere mich voll auf die Auswahl von Investitionen im Bereich Krypto und Blockchain. Es gibt ja auch sehr viele Scharlatane in Kryptoumfeld. Wie sortieren Sie die vor einer Investition aus? Die meisten Firmen, in die wir investieren, lerne ich über mein Netzwerk kennen, über Leute, denen ich bereits vertraue. Aber welches sind die Warnzeichen, die Anleger gemäss Ihrer Erfahrung beachten sollten, wenn sie Anlagetipps aus dem Kryptouniversum erhalten? Referenzen der Firma zu prüfen, ist das Wichtigste. Nie investieren, ohne mit mehreren vertrauenswürdigen Industriekennern mit guter Reputation geredet zu haben. Auch mit früheren Chefs, Kollegen und Geschäftspartnern der Gründer reden. Was sind konkrete Warnzeichen? Wenn viel mehr Geld aufgenommen werden soll, als für so eine Firma nötig ist. Es braucht kaum je 10 Millionen Dollar, um eine Firma von null auf eins zu bringen. Oder wenn ein Investitionsdeal sehr kompliziert gestaltet ist, eine Firma gleichzeitig Aktien und Tokens verkaufen will. Tokens sind sehr vereinfacht gesagt eine Art firmeneigene Kryptowährung mit einer Funktionalität. Worauf sollten Investorinnen und Investoren sonst noch schauen? Die Finanzierungsrunden sollten typischerweise so geordnet sein: Zuerst investieren Freunde und Familie sowie Business Angels in der Ideenphase des Startups. Erst dann, in der frühen Phase des ersten Produktes, kommt die Startfinanzierung. Hier eine Regel, die ich beachte: Wenn sich etwas zu gut anhört, um wahr zu sein, ist es meist genau das. Grosse Behauptungen sollten auf jeden Fall überprüft werden. Wenn ein Unternehmen etwa vorgibt, einen Partnerschaftsvertrag mit einem grossen Unternehmen abgeschlossen oder eine Finanzierungszusage eines bekannten Investors zu haben, dann sollte man nicht zögern, die unterschriebenen Dokumente anzufordern. Diese Überprüfungen sind zeitintensiv. Die Zeit sollte man sich nehmen, etwa auch um die Konkurrenzsituation der betreffenden Firma zu verstehen. Obwohl die Kryptobranche in vielerlei Hinsicht erst im Entstehen ist, gibt es bereits Hunderte von Startups, die Kundinnen und Kunden bedienen. Da sollte man als Investorin oder Investor sicherstellen, dass die Firma etwas Neues und Differenzierendes auf den Markt bringt. Welche aufregenden Investitionsmöglichkeiten sehen Sie derzeit in der Kryptobranche? Die Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum. Bitcoin als gesundes Geld und Ethereum als programmierbares Geld. Beide kann man in der Schweiz über verschiedene Banken und an Börsen kaufen. Besonders im Fokus einer breiteren Masse ist natürlich Bitcoin. Wohin geht die Reise dort noch? Bitcoin ist unglaublich unterbewertet, es ist fast lächerlich. Aber natürlich könnte sich der Wert auch wieder halbieren. Wo gibt es weitere interessante Opportunitäten? Bei dezentralisierten Finanzprotokollen, wie Aave und Synthetix. Aave erlaubt es den Nutzerinnen und Nutzern, Kryptowährungen auszuleihen und zu verleihen. Synthetix erlaubt es, Finanzprodukte auszugeben und zu handeln. Anleger können sich über deren Coins am Geschäft beteiligen. Die Coins von Synthetix und von Aave sind beide je rund 300 Millionen Franken wert. Auch Community Owned Creator Networks sind logische Anwendungen von Krypto. Wie bei anderen Social-Media-Networks können sich die Nutzerinnen und Nutzer dort noch mehr einbringen. Fans könnten exklusiven Zugang zu Creators erhalten, Abonnementmodelle könnten Anzeigenmodelle vollständig ersetzen, Creators könnten plattformübergreifend mit ihren Fans interagieren und Ähnliches. Plattformen wie Forte im Gaming-Bereich und Audius im Musikraum sind Pioniere in dieser Kategorie. Noch ein Tipp? Zentralisierte Plattformen, die es einfach machen, Kryptowährungen zu kaufen, zu verdienen und zu verwenden. Diese Plattformen sind zwar weniger sexy als ihre dezentralen Kollegen, bieten jedoch eine wichtige Infrastruktur für die Kryptobranche. Dazu gehört eine Börse wie Gemini. Zudem etwa auch Lolli und Blockfi. Erstere bietet Nutzern und Nutzerinnen Vergünstigungen bei Shops, die im Netzwerk sind. Und Blockfi erlaubt es, Zinsen auf Investitionen in Kryptowährungen zu verdienen.

Jane Lippencott: Die Chefinvestorin der Winklevoss-Zwillinge schwärmt für Bitcoins und andere Kryptos

«Bitcoin ist unglaublich unterbewertet»