Öl-Investments: Rezession kann Party abwürgen

Zuerst profitierte die Ölbranche von der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie. Dann kam der Energieschock wegen des Krieges in der Ukraine. Und jetzt trifft eine Förderkürzung auf einen europäischen Boykott. Schon wieder steigt der Ölpreis – und damit die Gewinne bei Firmen, die mit dem schwarzen Gold handeln. Der Boom gab den Aktien von Ölunternehmen ungeahnten Rückenwind. Nun können sich Anlegerinnen und Anleger fragen, ob sich der Einstieg immer noch lohnt. Die Antwort hängt vom Anlagehorizont ab – wie so oft bei Anlageentscheidungen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit lohnt sich ein Engagement in der Ölbranche nur kurzfristig. Wer sein Geld länger als ein paar Monate anlegen will, sollte mit einer Investition vorsichtig sein. Die Gründe liegen in der besonders unsicheren Ausgangslage. Die Rohölpreise werden durch das globale Angebot und die globale Nachfrage bestimmt. Deswegen ist es sinnvoll, diese genauer zu analysieren. Viele Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass sich das Angebot an Rohöl im nächsten Jahr abschwächt, was für den Ölpreis positiv wäre. Dabei gibt es mehrere Gründe, die für ein knapperes Angebot im nächsten Jahr sprechen. Das Ölangebot wird fallen Künftig dürfte weniger russisches Öl auf dem Markt angeboten werden. Zwar hielt sich die Wirkung der Sanktionen gegen Russland bisher in engeren Grenzen als erwartet, weil China und Indien mehr russisches Rohöl kauften. Aber in den nächsten Monaten treten weitere Sanktionen gegen Russland in Kraft, die nach Meinung zahlreicher Expertinnen und Experten dazu führen dürften, dass das Angebot von russischem Öl kleiner wird. Zusätzlich ist im Dezember die Preisobergrenze für russisches Rohöl in Kraft getreten, die von der Europäischen Union, den G7-Staaten sowie Australien vereinbart wurde. Diese Obergrenze liegt bei 60 Dollar pro Barrel und zielt darauf ab, Russlands Fähigkeit zur Finanzierung seines Krieges in der Ukraine einzuschränken. Gleichzeitig will man aber sicherstellen, dass Russland den Weltmarkt weiterhin beliefert. Als Folge dieser Preisgrenze kann russisches Öl nur mit Tankern aus G7- und EU-Ländern verschifft werden, wenn es zu einem Preis von 60 Dollar oder weniger pro Barrel verkauft wurde. Zusätzlich müssen sich auch Versicherungsunternehmen an die Preisobergrenze halten. Da die wichtigsten Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen der Welt in G7-Ländern ansässig sind, könnte die Obergrenze es Moskau erschweren, sein Öl zu einem höheren Preis zu verkaufen. Andere Länder können die Angebotsverknappung nicht auffangen Länder, welche die Massnahmen nicht übernehmen, können weiterhin russisches Öl kaufen, auch für Preise über der festgelegten Obergrenze. Sie müssen dann jedoch nichtwestliche Dienstleister nutzen, um es zu erwerben, zu versichern und zu transportieren. Dazu hat die Opec angekündigt, die Produktionsziele bis Ende 2023 zu senken. Dies entgegen den Forderungen der USA und anderer wichtiger Verbraucherländer, das Angebot in diesem Jahr deutlich zu erhöhen. Die Angebotsverknappung von Russland und der Opec dürfte von Produktionsländern wie dem Iran oder Venezuela nicht aufgefangen werden können. Es ist angesichts der politischen Spannungen zwischen dem Iran und den USA nur schwer vorstellbar, dass Letztere die Sanktionen gegen den Golfstaat aufheben. Und Venezuela könnte die dem Weltmarkt entzogene Ölmenge auch nach einer Aufhebung der Sanktionen nicht ausgleichen, weil die Förderkapazitäten dort infolge von Misswirtschaft zu gering sind. Die Probleme der Fracking-Unternehmen Auch die Fracking-Unternehmen in den USA werden die Lücke nicht füllen. Grund dafür sind vor allem die ökonomischen Eigenschaften von Schieferölbohrungen. Die Produktion von Schieferöl fällt in den ersten Jahren stark ab. Nach drei Jahren können im Durchschnitt nur noch etwa 75 Prozent der anfänglichen Produktionsmenge gefördert werden. Auch das Ölfeld selbst hat abnehmende Ertragsraten. Um etwa 25 Prozent geht die Produktion eines Ölfelds pro Jahr zurück; diese Produktionsmenge muss man jedes Jahr durch neue Bohrungen ersetzen, um die Produktion stabil zu halten. Das erfordert hohe Kapitalausgaben, vor denen sich aber viele US-Ölfirmen scheuen. Sie agieren hier vorsichtig mit Investitionen, wegen einer sich verschärfenden Umwelt- und Energieregulierung. Dazu kommen Lieferkettenprobleme, fehlende Arbeitskräfte und steigende Kosten, die einen Investitionsschub verhindern. Von der Angebotsseite spricht also einiges für eine anhaltende und sogar drastischere Verknappung des Ölangebots, was den Preis in der Tendenz steigen lässt. Die Nachfrage dürfte kurzfristig steigen Auf der Nachfrageseite gibt es Zeichen aus China, dass der Appetit steigen könnte. Es sieht so aus, als ob die Regierung ihre strikte Lockdown-Politik lockern würde, was mit einer spürbaren Nachfrageerhöhung auf den Weltmärkten verbunden wäre. Dazu, und das geht im täglichen Nachrichtenstrom manchmal unter, brummt die Konjunktur insbesondere in den USA. Ein Modell der US-Zentralbank schätzt das Realwachstum im aktuellen Quartal auf 4,3 Prozent. Also deuten Nachfrage- und Angebotsseite auf einen wiedererstarkenden Ölpreis hin. Dieser ist seit dem Sommer zwar um über 25 Prozent auf um die 85 Dollar gefallen. Aber an der Wall Street glauben viele, dass die Preise im Jahr 2023 wieder viel höher sein werden. Goldman Sachs prognostiziert für das nächste Jahr einen Ölpreis von 110 Dollar. Nicht nur im Hinblick auf Öl, sondern auch hinsichtlich der Ölunternehmen ist die Wall Street ausserordentlich optimistisch. Wichtige Indizes, die die Ölbranche abbilden, haben seit Anfang Jahr um über 50 Prozent zugelegt. Im Moment herrscht daher die Situation, dass die Aktienkurse der Ölfirmen sehr hoch sind, obwohl der Ölpreis weit unter den Höchstständen vom Sommer liegt. Das ist ein Hinweis auf den grassierenden Optimismus der Wall Street, die davon auszugehen scheint, dass der Ölpreis sich dem Kursniveau der Ölförderer angleicht und nicht umgekehrt. Dieser Optimismus hat zusätzliche Nahrung bekommen, nachdem US-Notenbankchef Jerome Powell angedeutet hat, in Zukunft eine etwas konjunkturfreundlichere Linie zu fahren. In der Folge ist der Ölpreis gestiegen. Die Wall Street hat also wahrscheinlich recht: Es bestehen gute Chancen, dass der Ölpreis und die Aktienkurse der Ölfirmen weiter steigen. Langfristig düstere Aussichten Aber das gilt nur kurzfristig. Denn im Regelfall ist ein Wirtschaftsumfeld mit steigenden Zinsen kein gutes Terrain für Rohstoffe wie Erdöl. Der Grund: Rohstoffe generieren keine Zinserträge. Wer mit einem Teil seines Kapitals beispielsweise auf Öl setzt, vergibt sich die Chance auf den Zins, der mit Zinspapieren generiert werden könnte, also etwa mit Obligationen. Rohstoff-Investorinnen haben damit einen immer grösseren Nachteil – ökonomisch gesprochen höhere Opportunitätskosten –, je stärker die Zinsen steigen. Das macht Rohstoffe bei steigenden Zinsen weniger attraktiv, was sich negativ auf ihren Preis auswirkt. Dazu kommt ein zweiter Faktor: Die konjunkturelle Situation ist einer der wichtigsten Determinanten für den Preis von Rohöl. Wenn die Volkswirtschaften in eine Rezession schlittern, verringert sich die Nachfrage nach Energie im Allgemeinen und nach Ölprodukten im Besonderen, die Preise geben nach. Dazu gibt es in immer mehr Ländern Bestrebungen, die kolossalen Gewinne der Energieunternehmen durch Steuern an den Staat zu leiten. Wer also jetzt auf Ölaktien setzt, geht im Prinzip eine Wette darauf ein, dass es erstens nicht zu einer langwierigen Rezession kommt und dass zweitens die Besteuerung von Übergewinnen die Renditeaussichten der Ölunternehmen nicht trübt. Der politische Wille, sich dieser Übergewinne zu bemächtigen, scheint in letzter Zeit zuzunehmen. Und auch was einen deutlichen Konjunktureinbruch anbelangt, ist Vorsicht geboten. Denn die Anzeichen einer Rezession mehren sich. Die Ölbranche zeigt aktuell eine starke Performance, aber die Zeichen mehren sich, dass dies nicht so bleiben wird. Ölinvestments sind daher im Moment eher etwas für aktive Anleger und Anlegerinnen mit einem kurzfristigen Anlagehorizont. Passive Langfristanleger dagegen sollten wohl besser auf einen preislich sowie zeitlich günstigeren Einstiegszeitpunkt warten.

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