Trotz einer Erhöhung der Leitzinsen durch die US-Notenbank Fed um 0,5 Prozent – so viel wie seit 2020 nicht mehr in einem Schritt – jubilieren die Aktienmärkte. Der Grund ist simpel: An den Börsen hat man eine noch stärkere Zinserhöhung befürchtet, obwohl sich die Verantwortlichen des Fed alle Mühe gaben und weiterhin geben, eine solche Erwartung zu zerstreuen. Die Bestätigung dieser Haltung wirkt nun wie Balsam auf die Märkte. 

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Ein zweiter, ebenfalls vom Fed mehr oder weniger angekündigter Aspekt der neuen Geldpolitik ist bisher angesichts der Zinsreaktion ein wenig in den Hintergrund geraten: das sogenannte Quantitative Tightening (QT), mit dem es ab dem 1. Juni losgehen soll. QT ist das Gegenteil von QE, was für «Quantitative Easing» steht. 

Daher zuerst ein paar Worte dazu: Das QE war entscheidend für das Vorgehens des Fed über das vergangene Jahrzehnt, um die Märkte mit frisch geschaffenem Geld zu fluten. Weil die Leitzinsen bei null lagen, sah die Notenbank auch keine andere Möglichkeit, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen.

Faktisch hat sie in unterschiedlichen und umfangreichen Programmen Staatsanleihen und verbriefte Hypothekenpapiere auf den Märkten gegen neue Dollars gekauft. Noch bis zum vergangenen Herbst belief sich die monatliche Summe dieser Käufe auf monatlich 120 Milliarden Dollar. Das hat zu einer massiven Aufblähung der Notenbankbilanz geführt: Noch am Vorabend der Finanzkrise hat sie rund 900 Milliarden Dollar umfasst. Seither ist sie um das Zehnfache auf rund 9000 Milliarden Dollar angestiegen. 

Inflation bekämpfen

Damit zum QT: Dieses hat zum einen den Zweck, die aufgeblähte Bilanz wieder abzubauen – ökonomisch noch wichtiger ist aber, der Wirtschaft wieder Liquidität zu entziehen, mit dem gleichen Zweck, den schon die steigenden Leitzinsen verfolgen: Damit soll die bereits auf 8,5 Prozent angestiegene Inflation bekämpft werden. 

Konkret setzt das Fed nicht in erster Linie darauf, die aufgekauften Staatsanleihen und Hypothekenpapiere wieder zu verkaufen. Im Zentrum steht vielmehr das Ansinnen, die auslaufenden Papiere – wenn also die Staatsanleihen oder gebündelten Hypotheken fällig werden und zurückbezahlt werden müssen – nicht mehr wie bisher zu erneuern. Damit fliesst automatisch Geld ans Fed zurück. 

Für dieses Vorgehen hat das Fed monatliche Obergrenzen festgelegt, und nur wenn nicht ausreichend Anleihen oder Hypothekenpapiere fällig werden, dürfte das Fed solche auf den Märkten verkaufen, um die Obergrenzen dennoch zu erreichen. Anfänglich soll die Obergrenze dieses monatlichen Abbaus sich bei den Staatsanleihen auf 30 Milliarden Dollar und bei den verbrieften Hypothekarpapieren auf 17,5 Milliarden belaufen. Nach drei Monaten werden diese Summen verdoppelt. 

Die Märkte sind weltweit erleichtert wegen des Fed-Zinsentscheids.

Droht eine Rezession?

Was aber bedeutet dieses Vorgehen? Zum einen steht das QT, das die aggressiven Zinserhöhungen begleitet, ebenfalls für den Versuch der US-Notenbank, ihre Geldversorgung radikal einzuschränken. Die genaue Wirkung des QT ist allerdings unter Ökonominnen und Ökonomen genauso umstritten, wie es schon das QE war. Dass das Fed bei der Reduktion seiner Anlagen so vorsichtig vorgeht, macht ebenfalls deutlich, dass es mögliche negative Nebeneffekte durch diesen direkten Eingriff in die Kapitalmärkte nicht ausschliesst. 

Entscheidend bei beiden Massnahmen, den Zinserhöhungen und dem QT, ist daher vor allem die Botschaft, die allen zeigen soll: Das Fed ist bereit, alles zu tun, um die Inflation wieder zu drücken, bevor Unternehmen und Beschäftigte ihre Preise und Löhne laufend nach oben anpassen und die Teuerung sich in Zukunft festsetzt. 

Ob dies dem Fed gelingt, ist alles andere als sicher, und unter Ökonominnen und Ökonomen in den USA findet dazu eine feurige Debatte statt. Die einen argumentieren, die Notenbank löse mit ihrem Vorgehen letztlich eine Rezession aus. Andere halten selbst die ergriffenen Massnahmen für ungenügend – etwa weil selbst die künftig deutlich höher erwarteten Leitzinsen kaufkraftbereinigt noch immer im negativen Bereich liegen würden.  

Wieder andere nehmen Notenbankchef Jerome Powell und seinen Leuten gar nicht erst ab, dass sie die Politik des aggressiven Geldentzugs lange durchziehen. Sie gehen davon aus, dass die Führungscrew des Fed bei den ersten Zeichen einer wirtschaftlichen Abschwächung die Zügel wieder lockert. 

Wer recht hat, lässt sich aktuell nicht sagen. In einer Ausgangslage wie jetzt waren die Notenbanker seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Zu viele Ungewissheiten trüben das aktuelle Bild ganz besonders, und mit nichts davon waren die aktuellen Entscheidungsträgerinnen und -träger bisher je konfrontiert. Ihr ganzes Denken galt bisher dem Gegenteil davon, was jetzt ansteht: Statt der Wirtschaft Geld zu entziehen, beschäftigten sich alle ihre Überlegungen mit der Frage, wie die Geldschleusen weiter geöffnet werden können.

Markus Diem Meier
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