Die einen nennen es das Wunder von Athen, die anderen einen teuren Wahlkampfcoup von Premierminister Alexis Tsipras. Griechenland hat zum ersten Mal seit dem Verlassen des Rettungsprogramms eine milliardenschwere Staatsanleihe an den Märkten verkauft und damit das Interesse der Investoren an der hoch verschuldeten Nation getestet.

Das Finanzministerium verkaufte einen fünfjährigen Schuldtitel im Volumen von 2,5 Milliarden Euro. Allerdings musste Athen die Investoren mit einem hohen Zins von 3,6 Prozent in die Papiere locken. Kein Land in der Euro-Zone muss vergleichbar viel zahlen. Deutschland geniesst sogar Negativzinsen von minus 0,3 Prozent, bekommt also von den Investoren sogar 0,3 Prozent für die Ausgabe von fünfjährigen Papieren. Die Eigenossenschaft profitiert sogar von Negativzinsen von 0,6 Prozent.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 
epa07290744 Greek Prime Minister Alexis Tsipras delivers his speech during a debate on the vote of confidence in the government, in the parliament's plenum, in Athens, Greece, 16 January 2019. Greek deputies will be called to give their vote of confidence in the government on 16 January midnight, after a two-day debate in parliament.  EPA/YANNIS KOLESIDIS

Alexis Tispras: Er hat eine Lösung für den Namensstreit mit Mazedonien gefunden.

Quelle: Keystone

Ein politischer Erfolg für Tsipras

Für Premierminister Tsipras ist der Anleiheverkauf nach seinem diplomatischen Sieg im Namensstreit mit dem Nachbarn Mazedonien trotzdem ein weiterer Erfolg. Er kann im Vorfeld der Wahlen seiner Bevölkerung zeigen, dass das Land finanziell wieder auf eigenen Füssen steht. Schliesslich verschulden sich Länder in der Regel über Staatsanleihen, wer von den Märkten abgeschnitten ist, ist quasi bankrott und auf fremde Hilfe angewiesen.

Erst im vergangenen August hat Griechenland den Rettungsschirm verlassen. Binnen acht Jahren war von Internationalem Währungsfonds (IWF) und europäischen Partnerländern Kapital im Volumen von 257 Milliarden Euro abgerufen worden. Die jetzt am Markt aufgenommenen Mittel könnten zur Rückzahlung von IWF-Krediten verwendet werden oder in eine Zweckgesellschaft fliessen, die Banken Not leidende Kredite abkauft.

Laut Beobachtern ein kleines Wunder

Griechenland hat zuletzt im Februar den Anleihemarkt erschlossen und eine siebenjährige Anleihe mit einer Rendite von 3,5 Prozent begeben. Allerdings stand damals das Land noch unter dem Rettungsschirm. Das letzte Mal, als Griechenland ohne einen solchen Schutz der Verkauf eines Papiers gelang, war im März 2010. Insofern sprechen nicht wenige Beobachter von einem kleinen Wunder.

Das auch insofern, als erst 2012 Investoren – private wie institutionelle gleichermassen – rund 100 Milliarden Euro mit griechischen Anleihen verloren haben. Im März 2012 nötigte Athen, orchestriert von der Politik in Brüssel, den Haltern seiner Hellenenbonds einen drastischen Schuldenschnitt auf. Es war der grösste Staatsbankrott in der Wirtschaftsgeschichte.

Grosses Interesse bei Investoren

Den scheinen die Investoren inzwischen vergessen zu haben. Das Angebot war vierfach überzeichnet. Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg waren Kaufaufträge über insgesamt zehn Milliarden Dollar eingegangen. Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos zeigte sich euphorisch nach dem Verkauf der Anleihen. Sämtliche Erwartungen seien übertroffen worden. Positiv wertete er vor allem, dass viele Langfristinvestoren an der Anleiheauktion teilgenommen hätten und nicht nur Hedgefonds.

Dass die Anleiheemission ein Politikum ist, offenbarte auch die Reaktion aus Brüssel. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis hatte den Verkauf eine sehr delikate Herausforderung genannt. Nach neun Jahren ohne reguläre Schuldenaufnahme an den Märkten und einer Schuldenquote von 180 Prozent habe das Land wenig Spielraum für Fehler, sagte Dombrovskis.

Der gravierende Geburtsfehler des Euro

Doch der Preis, den Athen zahlen muss, ist hoch. Die Verzinsung von 3,6 Prozent erscheint im internationalen Vergleich horrend. Selbst andere hoch verschuldete Peripheriestaaten müssen für fünfjährige Papiere wesentlich weniger zahlen. Spanien muss gerade mal 0,2 Prozent bieten, Portugal 0,5 Prozent, Italien 1,5 Prozent. Grund ist die Europäische Zentralbank, die die Zinsen künstlich gedrückt hat. Aber auch jenseits der EZB-Grenzen liegen die Zinsen niedriger als in Griechenland. Selbst das Entwicklungsland China muss seinen Gläubigern lediglich 2,9 Prozent zahlen.

Einige Experten kritisieren den Schritt der griechischen Regierung als teures PR-Manöver, zumal die Finanzreserven des Landes noch bei komfortablen 30 Milliarden Euro liegen.

Und Tsipras riskiert, gleich den Zorn der Gläubiger auf sich zu ziehen. Zu Wochenbeginn hatte er angekündigt, dass die Regierung den Mindestlohn des Landes ab Februar gleich um elf Prozent auf 650 Euro pro Monat erhöht. Die Europäische Kommission und der IWF hatten die Arbeitsmarktreform, einschliesslich einer Senkung des Mindestlohns, als eine der wichtigsten Errungenschaften der Rettungspakete des Landes angesehen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Griechenlands teures Wunder».