Wirtschaftsaussichten: Es droht eine weltweite Rezession

Die Zeichen für eine drastische Eintrübung der Konjunktur häufen sich, das gilt vor allem für Europa und dort vor allem für Deutschland. Die Entwicklung im nördlichen Nachbarland hat grösste Bedeutung für die Schweiz. Deutschland ist der grösste Handelspartner der Schweiz mit einem Handelsvolumen von mehr als 100 Milliarden Franken jährlich. Aber auch im Rest der Welt stehen die Zeichen wirtschaftlich zunehmend auf Sturm. Am deutlichsten ist die Eintrübung der Erwartungen bei den Währungskursen zu sehen. Gegenüber dem Franken notierte der Euro an den Devisenmärkten auf einem neuen Tief von noch wenig mehr als 95 Rappen. Auch in Dollar kostet die Gemeinschaftswährung nur knapp mehr als 99 Cents. Noch ist bei den Schweizer Wirtschaftsdaten wenig von einer Bedrohung zu sehen. Die Arbeitslosenquote befindet sich mit 2 Prozent im Juli nach wie vor auf einem Jahrzehnte-Tiefststand und die Anzahl der offenen Stellen bewegt sich im laufenden Jahr auf Rekordwerten. Selbst das bisher gemessene Wirtschaftswachstum ist robust, was auch von Echtzeitdaten gestützt wird, wie dem Index der wöchentlichen Wirtschaftsaktivität zu entnehmen ist, der vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) errechnet wird. Im Unterschied zum Ausland lag hierzulande auch der besonders wichtige Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie wie auch jener für Dienstleitung für den Juli noch immer deutlich im Bereich, der für Wachstum steht. Jener für den August wird am 1. September veröffentlicht. Bisher rosige Daten sagen nichts über die Zukunft aus Doch Daten vom Arbeitsmarkt und zum bisherigen Wachstum sind rückwärtsgewandt. Sie stehen für die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit, nicht für jene der Zukunft. Anders die Konsumentenstimmung: Im Gleichschritt mit Europa und den USA zeichnet auch jene in der Schweiz kein rosiges Bild der Wirtschaftslage. Im Gegenteil: Gemäss der letzten Erhebung ist sie auf ein Allzeittief gefallen. Wie die Deutschen rechnen auch die Schweizerinnen und Schweizer mit schwierigen wirtschaftlichen Zeiten und sie beurteilen ihre vergangene und die künftige finanzielle Lage als überaus negativ. Das überrascht auf den ersten Blick, weil die Teuerung, die die Kaufkraft der Löhne wegfrisst, in der Schweiz mit 3,4 Prozent im Juli (im Jahresvergleich) noch immer deutlich tiefer liegt als etwa in Deutschland, wo sie sich auf 7,5 Prozent beläuft. Aus Preiserwartungen der Konsumierenden in der Schweiz lässt sich aber laut dem Ökonomen und «Handelszeitung»-Kolumnisten Klaus Wellershoff eine weiter ansteigende Inflationserwartung errechnen, die im nächsten Jahr bereits 4 Prozent betragen würde. Krisenstimmung beim wichtigsten Handelspartner Deutschland Wie im übrigen Europa und besonders in Deutschland sind drohende Ausfälle in der Energieversorgung und die bereits explodierenden Energiepreise (besonders für Strom und Gas) ein wesentlicher Grund für die düsteren Erwartungen. Grund zum Pessimismus liefert aber auch die aufziehende Krise beim wichtigsten Handelspartner der Schweiz: Deutschland. Die jüngsten Hinweise hierzu kommen von den Einkaufsmanagerindizes, deren erste Schätzungen zum August am Dienstag veröffentlicht wurden. Die PMI gehören zu den wichtigsten und zuverlässigsten Indikatoren für die weitere Wirtschaftsentwicklung, denn sie beruhen auf Umfragen unter den Einkaufsmanagern der grossen Unternehmen. Der sogenannte Composite Index, der den Geschäftsgang im Bereich von Industrie- und Dienstleistungen zusammenfasst, liegt sowohl für die Eurozone wie für Deutschland bei Werten unter 50, was auf einen schrumpfenden Wirtschaftsausstoss hinweist. Das hat umso mehr Bedeutung, als die Wirtschaft in Deutschland bereits seit dem Frühling praktisch stagniert. «Angesichts des beschleunigten Wachstumsrückgangs zeichnen die aktuellen PMI-Daten ein düsteres Bild der deutschen Wirtschaft zur Mitte des dritten Quartals 2022» schreibt Phil Smith im Bericht. Smith ist Associate Director bei S&P Global Markets Intelligence und für den PMI mitverantwortlich. Ein düsteres Bild zeichnet auch der Monatsbericht der deutschen Bundesbank. Der Bericht folgert: «Die Wahrscheinlichkeit, dass das Bruttoinlandprodukt im kommenden Winterhalbjahr zurückgeht, hat sich daher nach Einschätzung der Bundesbank-Fachleute deutlich erhöht.» Die Stimmung der Konsumierenden ist so schlecht wie noch nie Für eine drastische Verschlechterung der Wirtschaftslage sprechen auch die sogenannten Stimmungsindikatoren, die bei Konsumentinnen und Konsumenten und bei Unternehmen erhoben werden. Das vom Marktforschungsunternehmen GfK erhobene Konsumentenklima ist in Deutschland bis schon bis zum August auf ein bisheriges Rekordtief gefallen – wie auch die Konsumentenstimmung in der Schweiz. Für die neuste Veröffentlichung am Freitag wurde eine noch schlechtere Stimmung erwartet, tatsächlich unterschritt das Ergebnis sogar noch diesen Pessimismus. Nur wenig besser sieht es bei den Erwartungen der Unternehmen aus. Auch der vom Ifo-Institut berechnete Geschäftsklimaindex fällt mit Ausnahme weniger Monate seit Juni 2021 auf immer tiefere Stände. Anders als der Index zum Konsumentenvertrauen ist er immerhin noch deutlich von historischen Tiefstständen entfernt. Der wichtigste Grund für die schlechte Verfassung der deutschen Wirtschaft und der europäischen generell ist auch dort der starke Anstieg der Energiepreise, die Angst vor weiteren Preisschocks und einer Versorgungskrise im Winter. Das zeigt sich eindrücklich in den Detaildaten zur Konsumentenstimmung. Es sind vor allem die Erwartungen zur künftigen Einkommens- und Konjunkturentwicklung, die die Laune vermiesen. Die Sorge um eine Gasknappheit ist Hauptgrund für den Einbruch des Geschäftsklimas. Die steigenden Energiepreise sind in Europa auch mitverantwortlich für eine generell aus dem Ruder gelaufene Teuerung. Für Deutschland erwartet die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht einen Anstieg der Inflation von mehr als 10 Prozent. Auch vom Rest der Welt ist keine Stützung zu erwarten Die Europäische Zentralbank unter Christine Lagarde, eigentlich für Preisstabilität verantwortlich, hat die Entwicklung zu lange unterschätzt. Jetzt versucht sie, mit scharfen Zinserhöhungen Gegensteuer zu geben. Damit droht der Eurozone gleich alle möglichen Übel zur gleichen Zeit: Eine Wirtschaftsabschwächung, stark steigende Preise und eine Notenbank, die mit Zinsen noch zusätzlich aufs Bremspedal drücken muss. Verschlimmert wird die Lage, weil auch von den anderen grossen Blöcken der Weltwirtschaft keine Stützung der Nachfrage zu erwarten ist. Chinas Wirtschaft wächst nach den scharfen Lockdowns und den anhaltenden Problemen am Immobilienmarkt deutlich unter den von der kommunistischen Regierung angestrebten Zielwerten und befindet sich faktisch bereits in einer Rezession. Die Jugendarbeitslosigkeit im Riesenland ist bereits auf 20 Prozent angestiegen. Auch für die US-Wirtschaft sind die Prognosen wenig berauschend. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes war in den beiden ersten Quartalen des laufenden Jahres gemäss bisherigen Hochrechnungen bereits rückläufig. Die Notenbank der USA zeigt sich zudem entschlossen, die Teuerung von zuletzt 8,5 Prozent zu bekämpfen. Dafür ist sich auch bereit, eine Rezession in Kauf zu nehmen. Für eine kommende Rezession in den USA sprechen auch die Renditen an den Märkten für US-Staatsanleihen: Zehnjährige Anleihen liegen seit Anfang Juli unter denen mit einer Zweijahresfrist. Bisher folgte dieser Konstellation praktisch immer eine Rezession. Die höhere Rendite für die kürzere Laufzeit steht für die Erwartung eines scharfen Zinsanstiegs durch die Notenbank, die tiefere für die langfristige Laufzeit für die darauffolgende Rezession, die die Notenbank später wieder zu Zinssenkungen zwingen wird. Der kommende Winter droht in jeder Hinsicht besonders kalt zu werden.

Wirtschaftsaussichten: Es droht eine weltweite Rezession

Die Anzeichen für eine Konjunkturkrise häufen sich