Wohlstand ist relativ. Wie gut es uns geht, hängt auch davon ab, ob es den andern noch besser geht. Die Freude am neuen Auto flaut rasch ab, wenn der Nachbar mit einem noch chiceren Modell vorfährt.

Das Phänomen des relativen Wertschätzung unserer Güter ist vielfach erforscht. Und erwiesen ist auch, dass die Menschen nicht unbedingt glücklicher werden, wenn die Wirtschaft wächst und die ganze Gesellschaft reicher wird. 

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Wenn aber ein reiches Angebot indirekt auch Frust schafft – dann wäre ja die Werbung ebenfalls problematisch. Denn sie weckt Bedürfnisse, die nicht immer befriedigt werden können.

Die Stimmung von 1 Million Menschen

Soweit die Hypothese. Die Frage wurde schon ein paar Mal erforscht, aber nie vollauf geklärt. Nun aber gingen ihr drei Ökonomen aus Deutschland, England und der Schweiz in grossem Stil nach: Chloé Michel (Swiss Re), Michel Sovinsky (Universität Mannheim), Eugenio Proto (University of Bristol) und Andrew Oswald (Warwick) werteten Daten aus insgesamt 27 europäischen Ländern aus. Über drei Jahrzehnte nahmen sie Daten zur Entwicklung der Werbeausgaben – und stellten dazu ins Verhältnis, wie sich die Zufriedenheit im gleichen Zeitraum (1980 bis 2011) entwickelt hatte. Ingesamt erfassten sie dabei Stimmungs-Angaben von fast einer Million Menschen.

Die Studie

Chloé Michel, Michelle Sovinsky, Eugenio Proto, Andrew Oswald: «Advertising as a major source of human dissatisfaction: Cross-national evidence on one million Europeans», Vox, CEPR Policy Portal, Mai 2019.

Die Feststellung: Dem Auf und Ab des Werbedrucks folgt ein paar Jahre später eine Verschlechterung oder Verbesserung der «national life-satisfaction» im betreffenden Land. Das heisst: Wenn die Unternehmen ihre Werbeausgaben steigern, dann herrscht bald einmal etwas schlechtere Stimmung im Land.

Laut den ökonometrischen Berechnungen der vier Forscher würde eine hypothetische Verdoppelung der Werbeinvestitionen zu einem 3-prozentigen Abschwung bei den Zufriedenheitswerten führen. Das klingt nach wenig, doch diese 3 Prozent entsprechen immerhin einem Viertel des Wertes, welchen Arbeitslosigkeit bei einem Durchschnitts-Europäer auslöst.

Nur: Was ist die Kausalität?

Natürlich steht der Verdacht im Raum, dass andere Einflüsse den Zufriedenheitszyklus hier mitsteuern – zum Beispiel Arbeitslosen-Quoten oder insbesondere die allgemeine Wirtschaftsentwicklung: Schliesslich ist sie ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der Werbeausgaben. Doch die Regressionsanalyse ergab, dass diese Korrelation die Negativ-Beziehung von Werbeausgaben und Zufriedenheit längst nicht erklärt. 

Alles klar also? Nicht ganz. Selbst wenn hier eine langfristige Beziehung zwischen Werbedruck und der gesellschaftlichen Unzufriedenheit ans Licht kommt, schreiben die Autoren, «müssen wir immer noch die kausalen Mechanismen ans Licht bringen.» Und weiter: «Dies verlangt weitere Forschung, denn das Ausmass des erwarteten Effekts hier ist sowohl substantiell als auch statistisch gut untermauert.»

(rap)