Was Sie fürs Börsenjahr 2022 wissen müssen

Die Welt der Anleger ist rosa gefärbt. Das Börsenjahr 2021 verabschiedet sich mit einem Tusch und das neue kündigt sich mit Übermut an. Schweizer Aktien werden sich 2022 positiv entwickeln und leicht steigen, prognostizieren UBS, ZKB und St. Galler Kantonalbank. Noch mehr Aufwärtspotenzial sehen die Auguren von Goldman Sachs für den US-Index S&P 500: In zwölf Monaten werde er bei 5100 Punkten stehen – heute liegt er bei 4670. Die Dividenden dazu addiert ergibt das eine Rendite von satten 10 Prozent in einem Jahr. Weitere Institute sind ähnlich zuversichtlich. Schliesslich wollen sie, dass ihre Kundinnen und Kunden investiert bleiben, weil das gut für die Gebühreneinnahmen ist. So ist es wenig erstaunlich, dass die Prognosen der meisten Banken für das nächste Jahr vorsichtig optimistisch bis sehr optimistisch sind. Obwohl wichtige Investment-Koryphäen wie Altmeister Charlie Munger vor einer Aktienblase warnen. Nicht nur er. Indizien mahnen zu VorsichtEs gäbe nämlich einige Indizien, welche die Anlegerschaft zur Vorsicht mahnen müssten. Die Finanzmarktforschung bietet einen beunruhigenden Sachverhalt: Bankanalytiker sind scheinbar blind für Blasen und tendieren zum Daueroptimismus. Daniel Arand und Alexander Kerl von der Uni Giessen wiesen etwa nach, dass Analytiker selbst dann noch Optimismus verströmen, wenn ein Crash bereits begonnen hat. Leider, und auch das ist eine Erkenntnis ihrer Studie, hören die Investoren gerade dann besonders stark auf die optimistischen Einschätzungen der Analytiker, wenn sie es am wenigsten tun sollten: wenn ein Crash losgeht. Und es gibt ein Signal, das stutzig machen könnte. Es deutet sich insbesondere in den USA eine zunehmende Fragilität des Aktienmarktes an. Nur geschlagene fünf Aktien sind nämlich für einen Drittel der enormen Kurszuwächse verantwortlich, welche der S&P 500 dieses Jahr verzeichnet hat. Die Börsenstars sind Microsoft, Google, Apple, Nvidia und Tesla. Seit April sind diese fünf Titel sogar für über 50 Prozent des S&P-500-Zuwachses verantwortlich. Die Investoren setzen also immer mehr Geld auf immer weniger Aktien. Nach dem Motto: The winner takes it all. Was an den US-Börsen spielt, ist auch für Schweizer Investoren relevant. Denn die Korrelation zwischen dem US-Aktienmarkt und dem Schweizer Aktienmarkt ist überdurchschnittlich hoch, sie liegt bei 0,74, wie Daten des Indexanbieters MSCI zeigen. Dazu kommt der Umstand, dass zu den grössten Aktionären vieler SMI-Titel amerikanische Finanzunternehmen gehören. Blackrock, State Street und Vanguard beispielsweise. Mit anderen Worten: Falls die US-Märkte ins Stottern geraten, bekommen auch die hiesigen Börsen dies unmittelbar zu spüren. Vielleicht minimal weniger, weil die drei Schwergewichte des SMI – Nestlé, Roche, Novartis – defensive Titel sind. Aber der Corona-Crash im Frühling 2020 zeigte, dass sich S&P 500 und SMI im Gleichschritt entwickeln. Sowohl der Einbruch als auch die Erholung verliefen wie beim Tango mit dem S&P 500 als Leader. Das sollten Schweizer Inverstorinnen und Investoren im Hinterkopf behalten. ► Aktien: Lassen Sie sich nicht von den grossen Highflyer blenden!Die aktuellen Kursrekorde in den USA sind nicht unbedingt ein Zeichen für ein formidables Börsenklima. Der S&P 500 zeigt zunehmend bloss noch an, wie sich die Aktien von Google, Tesla und Co. entwickeln, während die Performance aller anderen Aktien immer weniger abgebildet wird. Investoren sollten jedoch nicht übersehen, dass viele dieser anderen Aktien den Index-Rekorden zum Trotz bereits deutliche Schwächesymptome zeigen. Es ist deshalb eine gewisse Skepsis angebracht, wenn Banken ihren Kunden empfehlen, auch im nächsten Jahr auf die teuren Superstars der Technologiebranche zu setzen. Das Niveau der Börsenkurse ist sogar vielen professionellen Marktakteuren nicht mehr geheuer. In einer Umfrage des französischen Finanzunternehmens Natixis sagten über 70 Prozent der institutionellen Anleger, die Aktienbewertungen reflektierten nicht die Fundamentaldaten der Unternehmen. Jeder fünfte war sogar der Ansicht, Bewertungen spielten aktuell keine Rolle mehr. Wenn fundamentale Gesichtspunkte nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, wäre es wichtiger, mehr auf Stimmungsindikatoren zu achten und weniger auf Fundamentaldaten, die an Bedeutung verlieren. Insbesondere dürfte es sich lohnen, eine Gruppe von Marktakteuren zu studieren, deren Verhalten Hinweise auf die Börsenstimmung gibt. Und auch über mögliche künftige Kursentwicklung. Die Unternehmen im S&P 500 haben im dritten Quartal 2021 so viele Aktien zurückgekauft wie noch nie. Es kommt noch besser: Im vierten Quartal sollen die Rückkäufe noch grösser ausfallen. Auch Schweizer Firmen kaufen munter eigene Aktien bei Höchstkursen zurück. So will Nestlé den Erlös aus dem Verlauf der L’Oréal-Beteiligung – immerhin 9 Milliarden Euro – in sein neues Aktienrückkaufprogramm über 20 Milliarden Franken stecken. Solche Meldungen begeistern viele Anleger. Wenn Unternehmen eigene Aktien zurückkaufen, besteht kein Anlass zur Beunruhigung, ganz im Gegenteil. Und die Kurse legen meistens zu. Dabei könnten gerade die Meldungen über Aktien-Buybacks Anlass zur Sorge sein. Denn Unternehmen sollten eigene Aktien höchstens dann zurückkaufen, wenn sie unterbewertet sind. Nur in diesem Fall ist ein Aktienrückkauf eine effiziente Verwendung von Kapital. Gleichwohl haben die Firmen die Tendenz, bei Rekordkursen zu kaufen, also dann, wenn die Aktien besonders teuer sind. Es gibt derweilen eine Gruppe von Marktakteuren, die einen überragenden Track-Record hat, was das Timing ihrer Aktienkäufe und Verkäufe anbelangt: die Topmanager der grossen Unternehmen. Sie wissen besser über die Situation im Maschinenraum Bescheid als alle anderen Akteure. Gleichzeitig haben sie ein Interesse daran, die enormen Mengen an Optionen und Aktien, welche sie im Zuge ihrer Vergütung erhalten, bei möglichst guten Aktienkursen zu Cash zu machen. Deshalb verkaufen sie hauptsächlich dann, wenn für sie die Kurse hoch sind und sie vor allem nicht mehr viel Aufwärtspotenzial sehen. Daher kommt es, dass ein schiefes Verhältnis von Verkäufen und Käufen der Topmanager tiefere Aktienrenditen voraussagt. Konkret: Massiven Verkäufen von Topmanagern bei wenigen Käufen folgen oft baldige Kursrückgänge. Dies hat der US-Ökonom Nejat Seyhun in seinem Buch «Investment Intelligence from Insider Trading» gezeigt. Aktuelle Meldungen über Verkäufe riesiger Aktienpakete von Superstar-CEO wie Elon Musk und Satya Nadella sind deshalb ernstzunehmende Warnsignale. Tesla-Chef Musk dürfte bis Ende 2021 Tesla-Aktien für 18 Milliarden Dollar abgestossen haben und Microsoft-CEO Nadella hat kürzlich an einem einzigen Tag über 50 Prozent seiner Microsoft-Aktien verkauft. Grosse Mengen von Manageraktien, die auf den Markt kommen, haben allerdings einen Nachteil: ohne kompensierende Massnahmen können sie zu einer Kapitalverwässerung für Aktionäre führen. Das wollen Unternehmen tunlichst vermeiden. Und auch wenn dies nicht der einzige Grund ist: Unternehmen kaufen häufig bei Höchstkursen eigene Aktien zurück, weil dies der Zeitpunkt ist, zu dem die Topmanager ihre Aktienpakete verkaufen. Diese Aktien zählen dann nicht mehr zu den «shares outstanding» – die Zahl der ausstehenden Aktien hat sich damit vielmehr verringert. Dabei wenden die Unternehmen enorme Summen auf, um die durch die Managementvergütung ausgelöste potenzielle Verwässerung zu kompensieren. Wenn also wie kürzlich praktisch gleichzeitig Meldungen über Kursrekorde an den Börsen und Meldungen über Rekord-Buybacks der Unternehmen die Runde machen, sollten Investoren ihren Blick auf die Verkäufe der Unternehmens-Insider richten. Und tatsächlich: Die Topmanager werfen aktuell in einem «historischen Ausmass» eigene Aktien auf den Markt, wie das «Wall Street Journal» feststellte. Aber es gibt weitere Nachrichten, die zur Vorsicht gemahnen. Besonders gefährlich für den Aktienkurs wird es, wenn die CEO nicht nur Aktien abstossen, sondern darüber hinaus grosse, teure Häuser kaufen, wie Crocker Liu und David Yermack aufzeigen. In ihrer Studie schreiben sie: «Wenn CEO extrem grosse Häuser kaufen, ist die anschliessende Aktienkursentwicklung ihres Unternehmens unterdurchschnittlich.» Daher ist es verständlich, dass bei manchen Investoren der Angstschweiss ausbricht, wenn sie erfahren: Apple-CEO Tim Cook kaufte kürzlich eine Villa für 10 Millionen Dollar. Das mag wie Kleingeld wirken im Vergleich zu den 53 Millionen Dollar, welche Facebook-CEO Mark Zuckerberg dieses Jahr für eine neue Residenz auf Hawaii ausgab. Aber selbst dieser Kaufpreis wird von den Summen in den Schatten gestellt, welche Jeff Bezos für Häuser aufwirft. Der Amazon-Chef erwarb eine Liegenschaft für 165 Millionen Dollar. Über den Kaufpreis für sein jüngstes Anwesen auf Hawaii gibt es keine Angaben, doch es dürften Dutzende Millionen sein. Der Kauf von Luxusresidenzen zu Fantasiepreisen, dazu der Verkauf riesiger Aktienpakete von Topmanagern gerade jener Star-Unternehmen, welche für den Grossteil der Kursgewinne verantwortlich sind – das sind Warnzeichen für die Aktienkurse nächstes Jahr. ► Rohstoffe: 2022 wohl schwächer als 2021Vielleicht sollten sich Investoren angesichts der gemischten Aussichten bei Aktien eher auf Rohstoffe konzentrieren. Banken wie die ING oder die Credit Suisse sind für diese Anlageklasse – Trommelwirbel – optimistisch. Aber auch dort ist Vorsicht angebracht. Denn seit letzter Woche scheint klar, dass die US-Zentralbank 2022 die Zinsen dreimal anheben wird. Und man weiss aus der Vergangenheit: Steigende Zinsen gehen in der Regel mit fallenden Rohstoffpreisen einher und umgekehrt. Warum das so ist, lässt sich leicht einsehen. Rohstoffe generieren keine Zinserträge. Wer mit einem Teil seines Kapitals auf Rohstoffe setzt, vergibt sich also die Chance auf den Zins, welchen er mit Zinspapieren einstreichen könnte, etwa Obligationen. Rohstoff-Investoren haben damit einen immer grösseren Nachteil (höhere Opportunitätskosten), je stärker die Zinsen steigen. Das macht Rohstoffe bei steigenden Zinsen unattraktiver, was sich negativ auf ihren Preis auswirkt. Neben steigenden Zinsen existiert ein weiteres Risiko. Es besteht eine negative Korrelation zwischen den Rohstoffpreisen und dem Dollar. Steigt der Dollar-Kurs, führt das häufig zu sinkenden Rohstoffen. Der Grund: Rohstoffe werden in Dollar gehandelt. Entsprechend werden sie in den meisten Währungsräumen teurer, wenn der Dollar steigt. Bei einem Erstarken des Greenback sinkt daher tendenziell die Nachfrage nach Rohstoffen, was sich wiederum negativ auf ihren Preis in Dollar auswirkt. Ein Engagement in Rohstoffen ist daher oft eine Wette darauf, dass der Dollar nicht steigt. All dies hat zwei Implikationen für die Anlegerschaft. Zum einen sollten Investoren gewarnt sein, dass die Rohstoffkurse unter Druck kommen könnten, wenn die Zinsen steigen. Zum anderen könnten die Rohstoffpreise aber auch leiden, wenn sich der Dollar unerwartet stark zeigt. Beide Möglichkeiten sind bei einem markanten Zinsanstieg durch das Fed wahrscheinlich. ► Krypto: Keine gute Wahl, wenn es krachtUnd wie steht es um Kryptowährungen? Bieten sie gute Aussichten für renditehungrige Anleger? Nicht unbedingt. Das hat mit der sich verändernden Struktur der Kryptomärkte zu tun. Einige Kryptofans propagieren den Bitcoin und andere Digitalwährungen als sicheren Hafen, der nicht mit dem Aktienmarkt korreliert. Das Argument widerspiegelt allerdings in zunehmendem Masse nicht die Realität. Vor einigen Jahren haben institutionelle Investoren ein Investment in Kryptowährungen nicht in Betracht gezogen. Aber mit den Bewertungen insbesondere des Bitcoin stieg auch die Akzeptanz bei professionellen Marktakteuren. Heute sind Kryptowährungen keine Exoten mehr, zeigt etwa der Finanzberater Fidelity. In einer Umfrage gaben über die Hälfte der Befragten an, bereits solche Investitionen zu besitzen. Sieben von zehn institutionelle Anleger erklärten weiter, in naher Zukunft Krypto-Assets zu kaufen oder in diese zu investieren. Diese Zuflüsse von institutionellen Investoren bewirken, dass sich die Korrelation von Bitcoin und Aktien erhöht. Das zeigt sich nicht unbedingt während des gewöhnlichen Gangs der Dinge. So hat der Bitcoin in den letzten drei Jahren durchaus mehrere scharfe Aufwärtsbewegungen gemacht, während der S&P 500 in etwa unverändert geblieben oder sogar gesunken ist. Aber wenn es drauf ankommt, wenn also die Aktienkurse mehr als ein bisschen ins Rutschen geraten, dann ist auch bei den Kryptowährungen Feuer unter dem Dach. Damit zeigen Kryptowährungen dasselbe Verhalten wie andere Assets: Selbst wenn die Korrelation zwischen unterschiedlichen Anlageklassen in normalen Zeiten gering ist, kann sie in einem Crash dramatisch ansteigen. Für Investoren heisst das, dass in einem Crash die Diversifizierungsvorteile kleiner sind, als es die Korrelationen nahelegen. Bei der wichtigsten Kryptowährung Bitcoin ist die Sache noch heikler, wie eine Untersuchung von Thomas Conlon und Richard McGee aufzeigt. Die meisten Anleger glauben, ihr Risiko sinke beim Einbau einer zusätzliche Anlageklasse in ihr Portfolio. Konkret: Ein aus Obligationen und Aktien bestehendes Portfolio sei beispielsweise risikoärmer als ein nur aus Aktien bestehendes Portfolio. Aber bei Bitcoin ist das anders. Die Aufnahme von Bitcoin ins Portfolio erhöht das Abwärtsrisiko im Vergleich zu einem Portfolio, das nur Aktien umfasst. Bitcoin-Investments schützen also bei einem Crash nicht nur nicht vor Verlusten, sondern erhöhen das Verlustrisiko. Wer Kryptowährungen hält, macht sein Portfolio also besonders anfällig gegenüber Börsenturbulenzen. Zum Risikoausgleich taugt es nicht. In der Komplexität sind simple Lösungen gefragtDie unklaren Auswirkungen neuer Corona-Varianten, die steigende Inflation in den USA und wichtigen EU-Ländern sowie Anzeichen dafür, dass sich der Börsenboom erschöpft haben könnte – all dies sorgt dafür, dass die Unsicherheit für Anlegerinnen und Anleger für 2022 ungewöhnlich gross, die Ausgangslage anspruchsvoll, weil komplex ist. Aber die Komplexität bedeutet nicht, dass auch die Lösung komplex sein muss. Häufig ist es gerade umgekehrt: simple, solide Lösungen zeigen überdurchschnittlich gute Resultate. Eine der simpelsten Massnahmen für Anleger, um ihr Crash-Risiko zu senken, besteht darin, keine Kryptowährungen zu halten. Viele Finanzunternehmen empfehlen mittlerweile eine Beimischung dieser Anlageklasse. Meist in relativ geringem Umfang von etwa 5 Prozent eines Portfolios. Aber ein Portfolio gewinnt dadurch keine Diversifizierungsvorteile, wird also nicht sicherer. Ganz im Gegenteil. Privatanleger sollten also alle Kryptoprodukte aus ihrem Portfolio schmeissen. Oder aber sie hoffen darauf, dass der Risikoappetit der Kryptofans für eine Entkopplung zu anderen Assetklassen und für ein erneutes Kursfeuerwerk sorgt. Die Finanzmarktforschung hat auf viele wichtige Fragen eine Antwort. Todd Feldman etwa hat sich mit dem Problem beschäftigt, welches der kostspieligste Anlegerfehler ist. Die Antwort: Anlageentscheidungen in der Annahme zu treffen, dass das herrschende Börsenklima – ein Boom oder eine Baisse – anhalten werde. Dies führt dazu, dass diese Anleger bei hohen Kursen kaufen und bei tiefen Kursen verkaufen – keine gute Strategie. Trotzdem haben zahlreiche Anleger in den letzten Monaten ihre Aktienquote erhöht. Für viele Privatinvestoren ist es aber unter Risikogesichtspunkten sinnvoll, gerade das Gegenteil zu tun. Angenommen, ein Investor hat letztes oder vorletztes Jahr für sich festgelegt, dass sein Portfolio eine Aktienquote von 50 Prozent haben soll. Mit ziemlicher Sicherheit liegt die Aktienquote heute aber bei 60 Prozent oder mehr, weil die Aktienkurse stark gestiegen sind. Das Jahresende ist ein geeigneter Zeitpunkt, das Portfolio wieder auf die richtigen Proportionen zu fahren. Anlegerinnen und Anleger sollten den Aktienanteil mindestens wieder auf diejenige Quote heruntertrimmen, welche sie ursprünglich festgelegt hatten. Wenn das Wort «Inflation» vermehrt in den Medien auftaucht, wollen sich manche Anleger davor schützen, indem sie Gold kaufen. Aber Gold bietet keinen guten Schutz vor Inflation. Zwar ist richtig, dass Gold über lange Zeiträume – Jahrhunderte, nicht Jahrzehnte – nicht an Kaufkraft verliert. Aber das macht das Edelmetall nicht zu einem guten Schutzschirm gegen Inflation. Der Grund liegt darin, dass der Goldpreis über normale Investmenthorizonte zu volatil ist. Selbst eine Frist von zwanzig Jahren ist laut den beiden Ökonomen Claude Erb und Campbell Harvey zu kurzfristig, um die Qualitäten von Gold als Inflationsschutz zum Tragen zu bringen. ► Etwas Gold kann bei Inflation nicht schadenTrotzdem gehört Gold in der Regel in das Portfolio von Privatinvestoren. Denn es schützt zwar nicht vor Inflation, aber vor einem anderen grossen Investmentrisiko: vor einer plötzlichen Verringerung des Risikoappetits der Marktteilnehmer. Beleg dafür ist der Corona-Crash im März 2020; zwei Monate nach Beginn der Turbulenzen hatte der Goldpreis um 30 Prozent zugelegt, ganz in Gegensatz zu Aktienindizes wie SMI und S&P 500, die etwa ebenso viel verloren. Aber wenn nicht Gold, was schützt dann am besten vor Inflation? Für Schweizer Anleger lautet die Antwort: Cash. Denn hier ist die Situation eine ganz andere als in den USA. Dort ist die Inflation mit 6 Prozent mittlerweile hoch, die Zinsen dagegen sind tief. In der Schweiz sind die Zinsen tief, aber auch die Inflation. Und das dürfte so bleiben, wie SNB-Chef Thomas Jordan immer wieder durchblicken lässt. In einem Worst-Case-Szenario – einem massiven Aktiencrash im nächsten Jahr – sind die Verluste auf Bargeld minimal, während sie bei Aktien, Obligationen und anderen riskanten Assets viel grösser ausfallen würden. Ja, die Inflation wird möglicherweise 1,5 Prozent von der Kaufkraft des in Cash gehaltenen Kapitals wegschmelzen. Aber das ist quasi die Prämie für diese Art der Versicherung. Zusammengefasst lautet der Rat für 2022 an Investorinnen und Investoren, welche ihr Portfolio unter dem Jahr nicht regelmässig umschichten: ein ausbalanciertes Portfolio zusammenstellen, mit einem Drall zu einer defensiven Ausrichtung. Konkret: keine Kryptos, ein getrimmter Aktienanteil sowie ein erhöhter Cash- und Goldanteil. Es ist gut möglich, dass man im nächsten Jahr froh darum ist.