«Chinesische Aktien finde ich attraktiv»

Paul Jackson, sind Anlageentscheidungen derzeit noch schwieriger als sonst? Ja, weil die Lage sehr instabil ist. Je nachdem, wie sich die Situation in der Ukraine entwickelt, gibt es unterschiedliche Szenarien. Wie gehen Sie damit um? Ich habe versucht, Anlagen zu finden, die meines Erachtens bei jedem Szenario relativ gut performen würden. Da sind wahrscheinlich auch solche darunter, die ethisch fragwürdig sind? Ja, Rüstungskonzerne dürften in jedem Szenario gewinnen. Die sind schon stark gestiegen. Lockheed Martin, der weltgrösste Rüstungskonzern, ist seit Jahresbeginn um 25 Prozent gestiegen, die deutsche Rüstungsfirma Rheinmetall sogar um 70 Prozent. Ja, schon, aber die Kurse von Rüstungsaktien dürften weiter steigen. Es ist ein Effekt, der mittel- bis langfristig bleibt, weil die Rüstungsausgaben von vielen Staaten steigen werden. Europaweit kommt da wohl noch mehr. Europa muss vor allem beim Thema Energie handeln. Energieaktien dürften profitieren. Zudem Industriemetalle. Also Aktien wie Glencore, Vale, Rio Tinto oder BHP Group. Was ist mit erneuerbaren Energien. Die werden durch hohe Gas- und Ölpreise wirtschaftlicher. Sie erhalten wohl alle einen Boost. Etwa Solar- und Windenergie. Zudem Wasserstoff und auch Gezeitenenergie. Oh, Letzteres ist bisher nicht im Fokus gewesen. Im Unterschied zu Wind und Sonne sind die Meere immer aktiv. Da gibt es immer Bewegung, die in Energie umgewandelt werden kann. Deswegen kann Energie, die aus den Wellen und Strömungen der Meere gewonnen wird, auch als Basislast im Stromhaushalt genutzt werden. Diese liefern heute oft Kernkraft-, Kohle- und Gaskraftwerke. Gezeitenkraftwerke werden konkurrenzfähiger, wenn Gas teurer wird. Zusammen mit dem politischen Faktor, dass man wieder lieber bei sich im Land Energie gewinnen will, könnte für Länder am Meer ein Anreiz sein, vermehrt darauf zu setzen. Es gibt da eine Börsenkotierte US-Firma, Ocean Power Technologies, die sich darauf spezialisiert hat. Durch die neue Situation könnte auch die Idee wieder aktueller werden, Solarstrom in der afrikanischen Wüste Sahara zu gewinnen und von dort nach Europa zu leiten. Oh, da war das Projekt Desertec mal populär, das so etwas mit 500 Milliarden Franken finanzieren wollte. Wir leiten Gas von Nordafrika und Russland nach Europa, warum also nicht auch Strom von Afrika nach Europa übertragen? Apropos Mittlerer Osten: Die können ihr Öl jetzt teurer verkaufen. Die Reichen dort werden deswegen auch viel mehr ausgeben, also mehr Luxus kaufen. Werden ihre Mehrausgaben die fehlenden Käufe von Oligarchen überkompensieren? Ja, das könnte Luxusunternehmen beflügeln. Damit meine ich nicht Luxus, den Sie und ich uns leisten können, sondern Firmen im Topsegment des Luxusbereiches werden profitieren. Ich denke etwa an Produzenten von Luxusjachten oder von Supercars. In dem Segment sind etwa die Titel des italienischen Luxusjachtbauers Sanlorenzo an der Börse oder die Ferrari-Aktie. Zudem könnten auch Luxusimmobilien profitieren. Immobilien blieben allgemein meine präferierte Anlage. Zudem: chinesische Aktien finde ich attraktiv. Die hatten vergangenes Jahr ziemlich an Wert verloren. Ja, die sind jetzt günstig bewertet. Zudem: Die Chinesen werden jetzt mit den Russen einige gute Deals abschliessen können, etwa für Öllieferungen. Zudem auch bei Industriemetallen. Russland ist weltgrösster Exporteur von Palladium, Nickel, Gas und Weizen. Dort werden die Chinesen günstige Deals mit Russland machen, wenn der Westen das nicht mehr kauft. Okay, was würden Sie eher nicht kaufen derzeit oder sogar eher verkaufen? Aktien von Firmen, die Luxus für normale Leute verkaufen. Wegen der höheren Rohstoffpreise werden die Leute weniger Geld haben, sich deswegen eher diesen Luxus sparen, vielleicht eher ein günstigeres Auto kaufen. Könnte gegen BMW und Mercedes sprechen. Zudem möglicherweise gegen Swatch in der Schweiz. Auch Aktien von Detailhändlern würde ich eher verkaufen, aus dem gleichen Grund. Was ist mit Obligationen? Würde ich nicht haben wollen, ausser sie sind inflationsgeschützt.