Credit Suisse: Weshalb Thomas Gottstein keine Chance hatte

Der Zürcher Thomas Gottstein war ein CS-Urgestein, 23 Jahre diente er der Grossbank, 8 Funktionen hatte er inne. Am glücklichsten war er wohl als Investmentbanking-Chef in der Schweiz, am unglücklichsten agierte er als Chef der Bank, ab Februar 2020. Was folgte, war ein Niedergang in Raten. Dabei hatte Gottstein bei Stellenantritt als CEO mit einem Feuerwerk begonnen. Er hatte einen nationalen Rettungsplan, den er Finanzchef Ueli Maurer schmackhaft machte: Die Banken müssen den von Corona gebeutelten KMU im Land mit Liquidität unter die Arme greifen, soll es kein Blutbad unter Hunderttausenden Betrieben geben. Und zwar rasch, nein: sofort. Darauf entstand ein simples, effizientes Refinanzierungspaket für Firmen, das internationale Beachtung fand und die Schweiz vor Arbeitslosigkeit bewahrte. Das Programm war der Höhepunkt in Gottsteins Karriere: Ein Grossbanker mit Millionensalär schwingt sich in der Corona-Pandemie zum Retter der KMU-Szene auf! Doch der Retter wurde bald zum Gejagten. Denn der Hedgefonds Archegos und die Geschäfte mit Greensill-Fonds bescherten der Bank Milliardenverluste und weltweite Negativschlagzeilen. Und Gottstein stand mittendrin. Das war im Frühling 2021. Und es zeigte sich bald, dass die Aufgabe, die krisengeschüttelte Bank wieder zurück in ruhigere Gewässer zu fahren, mindestens eine Nummer zu gross war für Gottstein. Daran ist er, der Grossbankenchef letztlich gescheitert: Erstens: Einen folgenschweren Personalentscheid traf er – kurz nach Stellenantritt. Er machte Lara Warner, Compliance-Chefin, auch noch zur Risiko-Chefin. Beiden Aufgaben war die geschäftstüchtige Amerikanerin nicht im Ansatz gewachsen; stattdessen erkannte sie nicht, dass der langjährige CS-Kunde Lex Greensill ein notorischer Blender war, den man längst hätte von der Kundenliste streichen müssen. In ihrer Unerfahrenheit gewährte sie Greensill kurz vor der Pleite einen Kredit in dreistelliger Millionenhöhe, weil man ihn als Kunde nicht verlieren wollte. Gottstein deckte sie zu lange und merkte nicht, in welch desolatem Zustand das Risikomanagement seiner Bank war.Gottstein weg, Körner neuer CEO Ulrich Körner ist ab August der neue Chief Executive Officer (CEO) der Credit Suisse. Er ersetzt Thomas Gottstein, wie die Bank zeitgleich mit den Zahlen zum zweiten Quartal bekannt gab. «Es war mir eine grosse Ehre und ein Privileg, der Credit Suisse über diese letzten 23 Jahre zu dienen», sagt Gottstein. Er sei «sehr stolz» darauf, was er seit seinem Antritt erreicht habe. Aber: «In den letzten Wochen bin ich nach Gesprächen mit Axel und meiner Familie sowie aus privaten und gesundheitlichen Gründen zum Schluss gekommen, dass es der richtige Zeitpunkt ist, zurückzutreten.» Mehr hier. Zweitens: Gottstein, selber ein langjähriger Investmentbanker, hatte nie ernsthaft im Sinn, das kapitalbindende Investmentbanking massiv zurückzufahren und voll auf die Vermögensverwaltung zu setzen. Er fürchtete sich vor dem grossen Schnitt, weil er geprägt war von der DNA der Credit Suisse, die seit Jahrzehnten stolz auf ihr Investmentbanking ist. Erst in den letzten Monaten wurden die Gewichte in Richtung Wealth Management verschoben, überzeugend war der Shift nicht. Nun wird es unter Gottstein-Nachfolger Ulrich Körner schon bald zu einem radikalen Abbau beim Investmentbanking kommen. In der Personalankündigung vom Mittwochmorgen ist vom Ausbau in der Vermögensverwaltung die Rede, gleichzeitig soll das Investmentbanking einer «Strategieüberprüfung» unterzogen werden. Zu Deutsch: Diesmal gehts ans Eingemachte. Weg vom Investmentbanking, das zum Dienstleister degradiert wird, hin zur Vermögensverwaltung. Die CS passt sich somit dem Geschäftsmodell von Konkurrentin UBS an, allerdings mit einem Handicap von zehn Jahren. Mit dem eingefleischten Investmentbanker Gottstein war dieser radikale Kurswechsel nicht zu machen. Drittens: Gottstein hatte es unterlassen, die Kostenbasis der Bank rasch und beherzt den schrumpfenden Erträgen anzupassen. Ohne Einschnitte aber wird die Bank nicht auf ansprechende Profitabilität kommen, die dem Aktienkurs neuen Schwung verleiht. So verwundert es nicht, dass die CS ankündigt, die Kostenbasis der Bank soll «mittelfristig» auf unter 15,5 Milliarden Franken gesenkt werden. Gottstein-Nachfolger Körner soll also gegen 3 Milliarden an Kosten weghobeln, was nicht ohne Stellenabbau zu machen sein wird. Gottstein war beim Kostensenken viel zu zögerlich am Werk. Eine Aufgabe, die ihm nicht wirklich behagte. Viertens: Die Neuausrichtung der Grossbank ist eine Herkulesaufgabe, die neben Erfahrung auch Standhaftigkeit und Zuversicht verlangt. Gottstein aber war zu stark mit der Vergangenheit der Bank verknüpft und konnte nie der Leader sein, der einen Neuaufbruch glaubhaft verkörpert. In der akuten Krisenbewältigung der letzten zwölf Monate war er, der die Bank in- und auswendig kennt, eine gute Wahl. Aber um die Grossbank aus dem dramatischen Tief zu führen, ist ein unverbrauchtes Schlachtross gefordert. Dieses soll gemäss Verwaltungsrat Ulrich Körner sein. Er ist erfahren und krisenerprobt, doch als grosser Kommunikator mit mitreissenden Leadership-Qualitäten ist er in der Vergangenheit nie aufgefallen. Die optimale Lösung ist er nicht, eher der Aufräumer mit beschränkter Laufzeit.Credit Suisse schreibt im zweiten Quartal massiven Verlust Die Credit Suisse schreibt im zweiten Quartal 2022 erneut rot. Das Minus überschreitet die Milliardenmarke deutlich. Hauptgrund: die Investmentbank. Mehr hier.