Das Streitobjekt im Fifa-Prozess gegen Platini und Blatter

Es ist zwar bloss ein Einseiter, aber es ist das Dokument des Jahres: die Rechnungsstellung basierend auf einer angeblichen Abmachung zwischen Sepp Blatter und Michel Platini, in der sich der damalige Fifa-Präsident zu einer Zahlung von 2 Millionen Franken verpflichtet, einzahlbar auf ein UBS-Konto Platinis. Überschrieben ist die Rechnung mit «Concerne: salaires 1998/9, 1999/0, 2000/1, 2001/2», firmiert von Blatter und von Platini, damals Uefa-Präsident und Fifa-Vizepräsident. Über dieses «Salaires»-Dokument wird dieser Tage vor dem Bundesstrafgericht Bellinzona gestritten. Am Fall besteht weltweites Interesse, denn es geht um das Schicksal von zwei Fussballgrössen, die jahrzehntelang allerlei Bälle in der Luft hielten. Doch entgegen der Aufregung im Gericht und in den Medien war der Fund der schriftlichen Abmachung zwischen Blatter und Platini ein profaner Akt. Am 25. September 2015 führte die Bundeskriminalpolizei am Fifa-Hauptsitz eine Hausdurchsuchung durch und stiess im Präsidentenbüro im «Korpus hinter Schreibtisch» auf das Papier. Vier Monate zuvor war der damals 79-jährige Walliser zum fünften Mal zum Fifa-Präsidenten gekürt worden. «Ich mag euch, ihr habt mich zurück in die Fifa gebracht. Ich bin nicht perfekt», atmete Blatter auf. Platini spielte missmutig auf seinem Handy; vermutlich hatte er für den Gegenkandidaten gestimmt. Klage gegen Blatter Ausgelöst hatte die Hausdurchsuchung im Fifa-Chefbüro die Bundesanwaltschaft, die ungewohnte Finanztransaktionen vor der Wiederwahl Blatters im Frühling 2015 unter die Lupe nahm. Dabei stiess sie in der Buchhaltung auf die 2-Millionen-Überweisung an Platini und später im Präsidentenbüro auf die Originalrechnung. Die Anfangsvermutung der Fahnder: Da wurde womöglich mit Vermögen der Fifa Wahlkampf betrieben und Platini, der mit wachsender Ungeduld auf den Fifa-Präsidentenposten schielte, ruhiggestellt. Wegen dieser Millionenzahlung hat die Bundesanwaltschaft gegen Blatter und Platini Klage wegen Betrugs und Urkundenfälschung eingereicht. Die Beschuldigten freilich weisen die Vorwürfe weit von sich. Es gilt bis zu einem abschliessenden Urteil die Unschuldsvermutung. Das kann noch Jahre dauern. Weshalb Blatter die Rechnung im Jahr 2011 mit Platini unterschrieb, ist – wie so vieles am Prozess in Bellinzona – umstritten. Blatter behauptet, die Fifa hätte Platini für seine Beratertätigkeit zwischen 1998 bis 2002 noch 2 Millionen geschuldet; Geld, das damals in der Fifa-Kasse schlicht nicht verfügbar war. Von 1998 bis 2002 hatte Blatter Platini für seine «technische Beratung» bereits mit jährlich 300 000 Franken – also total 1,2 Millionen – entschädigt. Blatter sieht sich im Recht. Schliesslich war er damals Präsident, ausgestattet mit Einzelunterschrift und allen Vollmachten. Hinter dem 2-Millionen-Desaster wittert er einen Komplott Gianni Infantinos, der sich mit seiner Diskreditierung den Aufstieg auf den Präsidentenstuhl ebnen wollte. Und bei seinem Ehrgeiz vom damaligen Bundesanwalt Michael Lauber Unterstützung erhielt. In einem Interview sagte Blatter: «Die Zahlung war jahrelang kein Thema, bis sich Lauber mit Infantino traf.» Aufstieg von Infantino Es ist eine steile These, die von vielen Medien gerne repetiert wird. Doch sie ist zu steil. Die Bundesanwaltschaft stiess bereits im Frühling 2015 auf die umstrittene 2-Millionen-Zahlung – kurz darauf, im Juni 2015, trat Blatter unter dem Druck der US-Justiz zurück. Im Herbst eröffnete die Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren gegen ihn. Infantino aber wurde erst später, im Februar 2016, zum Fifa-Präsidenten gewählt und traf Bundesanwalt Lauber erstmals im Frühling 2016 – acht Monate nach Blatters Rücktritt. Zudem hoffte er lange auf eine Wahl Platinis am Fifa-Jahreskongress 2016. In einer Reformkommission der Fifa, in der Infantino Einsitz hatte, plädierte er für ein neues Organisationsreglement: Die Präsidentenfunktion sollte fortan auf jene eines VR-Präsidenten in einer Schweizer Firma zurechtgestutzt werden, derweil der künftige Generalsekretär im Stil eines CEO die operativen Geschäfte führen sollte. Doch statt auf dem Stuhl des Generalsekretärs landete Infantino überraschend auf jenem des Präsidenten, den er gar nicht angestrebt hatte.Die Fifa und das Geld Wie Sepp Blatters Fifa-Museum Millionen über Millionen verschlingt Charles Bottas Fifa-Projekt in Katar Früher gab es noch mehr: Der Durchschnittslohn bei der Fifa beträgt 135'000 Dollar Fifa-Museum: Infantino geht auf Blatter los Erstaunlich ist immerhin, dass der akribische Blatter die angeblich von der Fifa geschuldeten 2 Millionen nicht in einem Zusatzvertrag oder in einer Rückstellung erwähnte. Erstaunlich ist auch, dass Platini bei der ersten Bezahlung des Beratermandats über total 1,2 Millionen von der Fifa als Selbstständiger behandelt wurde und die Sozialversicherungsbeiträge selber zahlen musste. Beim Nachschlag der 2 Millionen wurde Platini dagegen als Unselbstständiger behandelt, entsprechend übernahm die Fifa die Leistungen an die Sozialversicherung in der Höhe von 229'126 Franken. Und weshalb die jetzt vor Gericht verhandelte 2-Millionen-Tranche erst neun Jahre später zur Auszahlung kam, ist ebenfalls erstaunlich. Der Fifa ging es bis 2002 finanziell schlecht, dann schossen die Einnahmen, auch dank Blatters Verkaufskünsten, steil nach oben. Für 2007 wies der Verband Finanzreserven von 643 Millionen Dollar aus. Nun wäre eine Auszahlung ein Klacks gewesen. Und womöglich auch einfacher: Gemäss Obligationenrecht verjähren Arbeitnehmerforderungen nach fünf Jahren.

Das Streitobjekt im Fifa-Prozess gegen Platini und Blatter

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