Die wichtigsten Frauen im Wein-Business

Genau 111 Jahre nach Einführung des Weltfrauentags lehren Frauen die etablierte Weinwelt das Fürchten. Eine Weinwelt, die immer noch männerdominiert ist. In der schon immer die Herren Winzer wunderbare Weine schufen, die von Händlern in alle Welt transportiert, von legendären Herren Kritikern gelobt oder niedergemacht, dann von Männern gekauft und den Gästen serviert wurden. Der Frau war der Abwasch vorbehalten. Das Bild mag überzeichnet sein, die Tendenz stimmt. Männer bestimmen, was in der Weinwelt gilt. Dabei entscheiden heute nach einer neuen Studie der Organisatoren des Women’s Wine & Spirits Awards Frauen über 80 Prozent der privaten Weinkäufe und konsumieren fast 60 Prozent des produzierten Weins. Dass Frauen öfter Wein trinken als Männer, zeigt auch eine Analyse der Fachhochschule Geisenheim in Deutschland. Wie sagt es Bob Dylan so schön: «The times, they are a-changin’.» Das Ziel ist nicht, Rollenmodell für Frauen sein, sondern guter Wein Heidi Peterson Barrett würde wohl schmunzelnd zustimmen. Die kalifornische Starwinzerin aber hat sich eigentlich noch nie darum gekümmert, was andere sagen. Sie hat gemacht, was sie für richtig hielt und was schon ihr Vater gemacht hat: Sie wollte Wein herstellen. Nicht irgendeinen Wein, nein, den besten der Welt. Und sie ist so nahe dran wie wenige Winzerinnen und Winzer sonst. Heidi Peterson zeichnet für einige der besten Kultweine der Welt verantwortlich. Sie hat Screaming Eagle geschaffen, war mitverantwortlich für Dalla Valle und Paradigm, hat die Grace Family beraten, bei Francis Ford Coppola ausgeholfen und besitzt natürlich auch ein eigenes Weinlabel namens La Sirena. «Ich habe mich nie als Rollenmodell für Frauen verstanden», sagte die geniale Weinmacherin kürzlich in einem Interview. «Ich wollte einfach guten Wein machen. Immer dazulernen, nie stehen bleiben.» Interessanterweise ist gerade Kalifornien ein Eldorado für Frauen, die ins Weinbusiness einsteigen wollen. Fast nirgends haben sie sich auf dem Weinberg und im Keller so durchgesetzt wie an der West Coast der USA. Rund 40 Prozent aller Weinmachenden in Kalifornien sind unterdessen weiblich, mehr als 450 insgesamt. Winzerinnen wie Celia Welch (Scarecrow), Shawna Miller (Luna Vineyards) oder Stephanie Jacobs von Cakebread Cellars. Und natürlich die schon fast legendäre Helen Turley, die bei Pahlmeyer, Bryant Family oder Colgin in den Weinkeller stieg. Da war der Anfang in Europa beschwerlicher. Gerade in südlichen Ländern tat man sich schwer, Frauen den Job an der Presse oder die Macht über den Weinberg zu überlassen. Unterdessen ist diese Hürde genommen. Fast jedes Land kennt schon bekannte Winzerinnen. In Deutschland beträgt der Anteil der Frauen im Studium für Weinbau an der Hochschule in Geisenheim 30 Prozent, in den Studienfächern Internationale Weinwirtschaft und Marketing sind sie schon in der Mehrheit. In Frankreich ist mit Caroline Frey eine Halbschweizerin in der Mitverantwortung von drei sehr renommierten Gütern (Paul Jaboulet Aîné, Chateau La Lagune, Corton C). Und sogar in Sizilien, das jetzt nicht gerade als Hochburg feministischer Aktivitäten gilt, haben die Frauen die Geschicke von einigen der wichtigsten Weingüter übernommen. So ist bei Donnafugata mit Josè Rallo eine begnadete Jazzsängerin und Winzerin am Ruder. Die Schweiz wiederum kennt eine ganze Reihe hervorragender Winzerinnen. Marie-Thérèse Chappaz etwa, die nach Meinung vieler einen der besten Süssweine der Welt, den Grain Noble, keltert. Oder Barbara Widmer, Tochter des früheren Starwerbers Bruno Widmer, die heute auf dem Familienweingut Brancaia das Sagen hat und es zu einem der führenden Labels der Toscana gemacht hat. Oder natürlich Martha Gantenbein, die mit ihrem Mann Daniel zusammen einen der wenigen Schweizer Pinots noirs mit Weltruf keltert. Und dabei sind die jungen Wilden noch gar nicht erwähnt. Wie etwa Christin Rütsche in Chardonne VD (Domaine Montimbert), die soeben von Gault-Millau zu einer der Jungwinzerinnen des Jahres gewählt wurde, oder Susanne Wehrli, die Sauvignon blanc und Pinot gris im aargauischen Küttigen in ungeahnte Höhen katapultiert. Die Frauen in Machtpositionen bei Einkauf und Bewertung Die Saat ist gelegt – immer mehr Winzerinnen machen immer bessere Weine. Doch damit nicht genug. Sie wollen nicht nur winzern, sie wollen auch entscheiden. Der Marsch durch die Institutionen, in die Chefetagen, die Verwaltungsräte, in die Entscheidungsgremien steht an. Dorli Muhr, österreichische Topwinzerin und Kommunikationsfachfrau mit eigener Agentur, bringt es auf den Punkt: «Ich bin überzeugt, dass Frauen in vielen Domänen über kurz oder lang die Führung übernehmen werden. Weil sie für eine entwickelte Gesellschaft einfach die besseren Leader sind. Sie arbeiten teamorientiert, gesellschaftsveranwortlich und empathisch», wie sie im Interview auf Seite 47 erläutert. In allen Bereichen des 360-Milliarden-Weinbusiness finden sich Leaderinnen, die ihre Frau stehen. Oft sind es noch die Töchter aus der eigenen Familie. Wie Albiera Antinori, die mit ihren beiden Schwestern Allegra und Alessia unterdessen das Sagen in dem über 600 Jahre alten Familienbetrieb Antinori hat. Oder Stéphanie de Boüard, die als CEO von Château Angélus eines der berühmtesten Bordeaux-Güter leitet. Vitalie Taittinger, die seit 2020 den Vorsitz des Champagnerhauses Taittinger präsidiert. Oder Gaia und Rossana Gaja, die mit Bruder Giovanni langsam die Verantwortung von Vater Angelo Gaja für eines der renommiertesten italienischen Weingüter übernehmen. Obwohl noch unterrepräsentiert, sind einzelne Frauen inzwischen in Machtpositionen bei Einkauf und Bewertung von Weinen: Die Schwedin Sara Norell, Einkaufschefin des staatlichen Alkoholhändlers Systembolaget, dem wohl grössten Einzelkunden für Wein weltweit. Oder die gebürtige Koreanerin Jeannie Cho Lee: Die Master of Wine ist eine der einflussreichsten Journalistinnen und Bloggerinnen der Welt. Sie hat eine eigene TV-Weinsendung, ihre Bücher über Weine und Gerichte sind Bestseller. Die Dozentin an der Uni-versität von Hongkong beeinflusst die Weinentscheidungen von Millionen von Asiatinnen und Asiaten.Die einflussreichsten Frauen im Weinbusiness weltweit 1. Corinne Mentzelopoulos Die französisch-griechische Geschäftsfrau besitzt Château Margaux, eines der legendärsten Weingüter der Welt. Sie bereitet die Übergabe an die nächste Generation vor, an ihr zweites von drei Kindern, Alexandra. 2012 wurde ihr Vermögen bereits auf 600 Millionen Euro geschätzt. 2. Gina Gallo Die Weinmacherin ist die Enkelin von Julio Gallo einem der beiden Gründer der E & J Gallo Winery in Kalifornien. Gallo ist das grösste Familien-Weinunternehmen der Welt mit über 8 Milliarden Dollar Umsatz. Gina Gallo hat die Verantwortung für die Weinserien, die über das Massengeschäft hinausgehen. Sie bildet mit Jean-Charles Boisset, ihrem Ehemann, einem ebenfalls einflussreichen Weinunternehmer aus dem Burgund, eines der mächtigsten Ehepaare der Weinwelt. 3. Albiera Antinori Leitet heute als «prima inter pares» mit ihren beiden Schwestern den über 600-jährigen Weinkonzern Antinori. 1800 Hektaren unter Reben, einige der legendärsten Weine (Tignanello, Solaia), diverse Güter weltweit. 4. Judy Chan Die Hongkong-Chinesin arbeitete bei Goldman Sachs und übernahm 2002 mit 24 Jahren Grace Vineyard von ihrem Vater. Heute ist Grace das wohl renommierteste chinesische Weingut, produziert zwei Millionen Flaschen pro Jahr und expandiert in verschiedenste Regionen Chinas. Sie ist die renommierteste Weinpersönlichkeit Asiens. 5. Susana Balbo Bekannteste argentische Winzerin und Businessfrau. Hat nach zwanzig Jahren als Flying Winemaker 1999 ein eigenes, sehr erfolgreiches Unternehmen gegründet. War drei Perioden lang Präsidentin von «Wines of Argentina» und stieg 2015 auch in die Politik ein. 6. Lalou Bize-Leroy Die Neunzigjährige war Mitinhaberin von Domaine de la Romanée-Conti und schied aber nach Streitigkeiten aus. Kaufte dann die Domaine Charles Noëllat und machte sie unter dem Namen Domaine Leroy zu einem der besten Weingüter des Burgunds. 7. Jancis Robinson Die 72-jährige Britin gehört zu den renommiertesten Weinkritikerinnen der Welt. Ihr «Oxford Weinlexikon» ist Legende. Sie ist Mitglied des Order of the British Empire. 8. Alexandra MarnierLapostolle Die Grand-Marnier-Erbin baute mit Winemaker Michel Rolland in Chile ein Weinimperium auf (Casa Lapostolle). Mit dem Rotwein Clos Apalta holte sich die Wahlgenferin den Respekt der Weinkritiker. 9. Marilisa Allegrini CEO von Allegrini Winery Group, einer der renommiertesten Weinkonglomerate im Valpolicella (Allegrini, Corte Giara, Poggio al Tesoro, Villa della Torre). Monika Larner ist die mächtigste Kritikerin im Team von Robert Parker und verantwortlich für die italienischen Weine. Und auch die Ex-Chefredaktorin von Robert Parkers «The Wine Advocate», Lisa-Perrotti-Brown, die eben den Launch einer neuen Weinkritikorganisation («The Wine Independent») bekannt gegeben hat, gilt als eine der wichtigsten Kritikerinnen in der Weinwelt. Qualität setzt sich durch 151 Frauen haben heute den Master of Wine, den wichtigsten Titel in der Weinwelt – das ist schon fast die Hälfte von insgesamt rund 350 Personen. Darunter ist mit Romana Echensperger eine Frau, die sich mit ihrer erfrischenden, souveränen Art und ihrem Buch «Von wegen leicht und lieblich» in der Szene schon einen Namen gemacht hat. Und es gibt viele junge Bloggerinnen, die sehr entspannt mit dem Thema Wein umgehen. Wie Edvin (siehe die letzte Ausgabe des «Millionär») oder Louisa Maria Schmidt mit ihrem Blog «Bring Flavor Home», der 23'000 Follower hat und damit einer der wichtigsten Weinblogs im deutschen Sprachraum ist. Und wann ist die Reise abgeschlossen, das Ziel erreicht? «Dann, wenn so viele Frauen in der Weinbranche mitarbeiten», sagte kürzlich eine Jungwinzerin in einem Interview, «dass es keine Rolle mehr spielt, ob ein Mann oder eine Frau den Wein gemacht hat, sondern nur noch die Qualität zählt.»