Unter Uhren-Afficionados ist die Zahlenkombination «5711/1A» so etwas wie das Ticket ins Paradies. Hinter der Referenz verbirgt sich die Uhr von Patek Philippe, die alle haben wollen: die «Nautilus» in Stahl mit blauem Zifferblatt. Das Modell ist die ultimative Trophäe für jeden Uhren-Sammler, ultra-rar und ultra-teuer.

Wer eine haben will, braucht entweder beste Beziehungen zu einem Händler, viele Jahre Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz. Oder er bezahlt einen Mondpreis aus dem Secondhand-Markt, wo das Modell zum doppelten bis dreifachen des Ladenpreises angeboten wird.

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Anfang Jahr elektrisierte dann ein Gerücht die Uhren-Community. Es lautete: Patek Philippe stellt die Produktion des Modells ein. Und ersetzt die Modellreihe durch eine neue mit der Referenz «6711/1A». Und tatsächlich wurde es jetzt vom Unternehmen gegenüber diversen Fachportalen bestätigt (hier, hier, hier). 

Offen bleibt nun was Patek-Präsident Thierry Stern ausheckt und als Nachfolgemodell platziert. Die Ref. 5711/1A-010 mochte er jedenfalls wenig, und er machte auch kein Geheimnis daraus.

Nautilus

Die Trophäe schlechthin: Die «Nautilus» von Patek Philippe in Edelstahl (Bildquelle: swisswatches-magazine.de)

Quelle: swisswatches-magazine.de

Vor gut einem Jahr äusserte sich Stern in der britischen Ausgabe des «GQ» zur Stahl-«Nautilus wie folgt: «Wenn ich wirklich mutig wäre, sollte ich die Nautilus stoppen und sagen: Wir haben jetzt genug gemacht. Warum? Weil es sich um eine Referenz handelt und ich nicht möchte, dass die Nautilus aus der Kollektion aufsteigt und alle die Nautilus kaufen. Deshalb will ich die Stückzahl nicht erhöhen. Ich könnte leicht das Zehn- oder Zwanzigfache von dem verkaufen, was wir heute produzieren, aber ich würde die Nautilus in weniger als drei Jahren töten und ich würde ein grosses Risiko eingehen: Ich würde alle Stärken von Patek Philippe auf die Nautilus konzentrieren. Das Ziel ist es nicht, sie an jedem Handgelenk zu sehen. Man muss wachsam sein, und deshalb muss man auf dem Boden der Tatsachen bleiben und nicht nur dem Geld und dem Kurzfristigen hinterherlaufen.»

Thierry Stern: «Wir haben genug produziert»

Noch deutlicher wurde Stern gegenüber dem Westschweizer Magazin «Bilan» im September 2019. Damals sagte er: «Persönlich würde ich gerne die Produktion der Nautilus in Stahl einstellen. Es ist ein gutes Modell, aber wir haben genug produziert. Wir denken ernsthaft darüber nach, einen Schritt weiter zu gehen.»

Gegenüber dem Uhren-Portal «Hodinkee» erklärte Stern einen Monat zuvor, weshalb er die Stahl-«Nautilus» nicht mag: «Ich möchte nicht, dass Stahl in der gesamten Kollektion die Führung übernimmt, was das Material angeht. Wir müssen wachsam sein.»

Familie Stern.

Gerdi und Philippe Stern haben Schwiegertochter Sandrine und Sohn Thierry Stern (von links) im Jahr 2009 das Unternehmen Patek Philippe übergeben.

Quelle: PR / Patek Philippe

Doch unabhängig von der offensichtlichen Hassliebe von Stern zur ikonischsten Uhr in seiner Kollektion, stellt sich die Frage, ob es kommerziell Sinn macht, die Stahl-«Nautilus» einzustellen. Die Antwort ist: Durchaus. Zumindest wenn man – wie die Besitzerfamilie Stern – nicht kurzfristig, sondern in Generationen denkt.

  • Erstens könnte das Ende der Referenz verhindern, dass Patek in die «Royal-Oak-Falle» tappt, wie es Audemars Piguet passiert ist. Obwohl das Familienunternehmen diverse Kollektionen produziert, spricht die ganze Uhrenwelt fast ausschliesslich über die «Royal Oaks» – notabene ursprünglich vom gleichen Designer gestaltet wie die «Nautilus». Die Einstellung verhindert, dass Patek Philippe nur über die «Nautilus» definiert wird.
  • Zweitens könnten wir durchaus bereits den «Peak Nautilus» erreicht haben. Also könnte Patek seine bisherigen «Nautilus»-Käufer glücklich machen, indem er die Produktion einstellt und den Besitzern eine Uhr erhalten, die stets heiss begehrt bleiben wird.
  • Drittens schliesslich muss sich derzeit Sohn Thierry die gleiche Frage stellen wie Vater Philippe Ende der 1970er-Jahre, als er die ersten Versionen der «Nautilus» lanciert hatte: Wie erreiche ich neue, jüngere Kundinnen und Kunden? Wohl kaum mit einer Uhr, die es seit Jahrzehnten gibt. Eher mit einem Modell, das neu ist. Neu und mutig, wie damals die «Nautilus». Zur Erinnerung: Zunächst wollten die Händler das Modell erst gar nicht ins Sortiment aufnehmen, weil es überhaupt nicht dem entsprach, was man mit Patek in Verbindung brachte. So ein Coup braucht Patek zur Verjüngung der Klientel.

Insofern eröffnet das Ende der Stahl-«Nautilus» spannende mögliche Entwicklungen.

Marcel Speiser Handelszeitung
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