Abschaffung des Eigenmietwerts: Warum es das Ansinnen von SVP und FDP schwer hat

Sie sind nahezu dran, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. So hat Finanzminister Ueli Maurer am Donnerstag im Nationalrat das Vorgehen der SVP und der FDP umschrieben. Es geht um die Abschaffung des Eigenmietwerts. Das Vorhaben ist in den vergangen dreissig Jahren zweimal an der Urne gescheitert – und mehrfach im Parlament. Jetzt kommt ein weiterer Versuch. Ueli Mauer sagte – als SVP-Mitglied aus politisch unverdächtiger Ecke –, was Branchenkenner schon länger denken: Das jetzige Vorhaben der SVP und der FDP sei aussichtslos, weil viel zu einseitig gestaltet. «Wenn Sie die Vorlage in dem Sinne beraten, wie sie aus der Kommission kommt, dann werden Sie wahrscheinlich scheitern, spätestens in einer Volksabstimmung», sagte Maurer. Warum das so ist und wie es weitergehen könnte, zeigen die folgenden Antworten. Warum wird der Eigenmietwert als unfair bezeichnet? Weil es sich um ein fiktives Einkommen handelt. Und weil Wohneigentümerinnen und -eigentümer ohne Hypothekarschulden steuerlich bestraft werden. Wie spielen der Eigenmietwert und der Schuldzinsabzug zusammen? Der Eigenmietwert ist eine fiktive Miete für eine selbstbewohnte Immobilie. Die Kantone legen diesen Wert mittels Formeln fest. Er sollte ungefähr 60 Prozent der Miete entsprechen, die man mit einer vergleichbaren Immobilie auf dem freien Markt erzielen könnte. Und obwohl gesetzlich geregelt, ist der Wert umstritten. «Er wird nicht verstanden», sagte SVP-Ständerat Hannes Germann (SH) im Sommer im Rat. Der Eigenmietwert muss als Ertrag in der Steuererklärung deklariert und zusammen mit dem Lohn versteuert werden. Das führt wegen der Steuerprogression bei Gutverdienenden zu höheren Steuern. Was die Bürgerlichen zum Anlass nehmen, um für ihre Wählerinnen und Wähler eine steuerliche Verbesserung herauszuholen. Das Gegenstück zum Eigenmietwert ist der Schuldzinsabzug. Wer verschuldet ist, darf die Kosten für die Hypothek abziehen. Je höher die Verschuldung und die Schuldzinsen, desto tiefer die Steuerrechnung Ende Jahr. Im Vergleich zu Mietern kommen stark verschuldete Haushalte steuerlich besser weg. Wie sähe ein echter Systemwechsel der Wohneigentumsbesteuerung aus? Ein echter Systemwechsel wäre, wenn sowohl der Eigenmietwert als auch der Schuldzinsabzug abgeschafft würden. Was haben die FDP und SVP-Fraktion im Nationalrat vor? Sie wollen den Eigenmietwert abschaffen, nicht aber den Schuldzinsabzug. Das heisst, sie wollen nur die halbe Reform. Das würde heissen: Wer viele Schulden hat, profitiert vom hohen Zinsabzug, wer kaum Schulden hat, profitiert ebenfalls, weil der Eigenmietwert wegfallen würde. «Die FDP und SVP wollen den Foifer und das Weggli», werfen die Linken und die Mitte den bürgerlichen Befürwortern des Gesetzespakets vor. Das Vorhaben würde gutverdienende Immobilienbesitzer einseitig und stark steuerlich begünstigen, kritisieren sie. Was wären die Chancen des Vorschlags von FDP und SVP in einer Volksabstimmung? Bundesrat Ueli Mauer, die Mitte und die Linke sind sich einig: Ein solches Vorhaben hätte keine Chance in einer Abstimmung. Ueli Maurer hob den einhelligen Widerstand der Kantone hervor. «Wenn sich alle Kantone gegen diese Vorlage aussprechen und in diesen Beratungen kaum mehr zu Wort kommen, ist das eine grosse Gefahr für eine allfällige Volksabstimmung.» Der Bund könnte in Steuerfragen «nicht einfach Lösungen konstruieren, ohne die Kantone an Bord zu haben». Sind Rentnerinnen und Rentner vom Eigenmietwert besonders hart betroffen? Viele Rentner haben ihr Wohneigentum vor Jahrzehnten gekauft. Sie sind deshalb vom Eigenmietwert überproportional stark negativ betroffen. Er schmerzt sie vor allem dann, wenn ihre Schulden am Wohneigentum klein sind. In ihrer Steuerrechnung ist der Eigenmietwert hoch und der Schuldzins klein oder gleich null. Fehlen ihnen zudem flüssige Mittel, so haben sie Mühe, die Einkommenssteuern zu berappen. Gibt es Lösungen, um Rentnerinnen und Rentner zu entlasten? Für sie gelten in gewissen Kantonen deshalb sogenannte Härtefallregelungen. Sie gelten für Renterhaushalte mit kleinem Vermögen. In solchen Fällen reduziert die Steuerbehörde den Eigenmietwert auf weniger als 60 Prozent des Marktwerts. In Graubünden und Tessin liegt diese Vermögensgrenze bei 500’000 beziehungsweise 600’000 Franken und die Reduktion von beispielsweise 60 auf 30 Prozent des Marktwerts. Ob eine solche Regelung Bestand hat, ist für die Kantone und Renterhaushalte allerdings unsicher. Das Bundesgericht kassierte im August die Tessiner Regelung. Es erachtete die dortige Vermögensuntergrenze von 500’000 Franken in Kombination mit einem Eigenmietwert von 30 Prozent des Marktwerts als verfassungswidrig. Fördert der Schuldzins die Verschuldung in der Schweiz? Ja. «Das jetzige Steuersystem motiviert Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer nicht zur Tilgung der Hypothekarschulden», steht in der Botschaft der Wirtschaftskommission ans Parlament zur Vorlage. Die OECD und der Internationale Währungsfonds haben diesen Umstand gerügt und der Schweiz empfohlen, den Zinsabzug abzuschaffen. Die Risiken für den Finanzplatz und die Wirtschaft als Ganzes bei einem Immobiliencrash seien zu hoch, so Experten. Ein Ländervergleich zeigt, dass ein Privathaushalt in der Schweiz bei 100’000 Franken verfügbarem Einkommen im Schnitt mit 223’000 Franken verschuldet ist. Nur in drei Ländern, den Niederlanden, Dänemark und Norwegen, lag dieser Wert noch höher im Vergleich unter 22 westlichen Industrienationen. Selbst die Expertengruppe des Bundesrates, der Beirat Finanzplatz Schweiz, empfahl 2016 dem Parlament, den Schuldzinsabzug – und mit ihm den Eigenmietwert – abzuschaffen. Wie verhält es sich mit dem Eigenmietwert von Zweitwohnungen? Es gibt laut Bund 730’000 Zweitwohnungen in der Schweiz. Bei selbstgenutzten Zweitwohnungen gelten die gleichen Regeln wie beim Hauptwohnsitz. Anders sieht es für vermietete Ferienimmobilien aus. Dort muss der Mietertrag versteuert werden. In manchen Kantonen gibt es für gelegentlich vermietete Ferienwohnungen einen Mix aus Eigenmietwert und Mietertrag. Eine Abschaffung des Eigenmietwerts hätte jedenfalls grosse Steuerverluste für die Bergkantone zur Folge, weil etliche Zweitwohnungen in den Bergen amortisiert sind. Deshalb ist der Widerstand der Bergkantone gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts besonders stark. Wie hoch wären die Steuerausfälle bei der Abschaffung des Eigenmietwerts? Sie wären riesig. Allein beim Bund würden mit der Abschaffung des Eigenmietwerts gemäss SVP und FDP Steuerverluste von rund 3,8 Milliarden Franken anfallen, sagte Mitte-Politiker Leo Müller (LU), Kommissionspräsident im Parlament. Er stützte sich auf Schätzungen der Verwaltung. Seit wann besteht die Forderung? Seit langem. In den neunziger Jahren scheiterte eine Volksinitiative zur Abschaffung des Eigenmietwerts mit 59 Prozent Nein-Anteil. Danach kam es immer wieder zu Vorstössen und Volksabstimmungen, auch in den Kantonen. Sie alle wurden vom Volk abgelehnt. Eine zweite nationale Vorlage scheiterte 2004 mit einer Zweidrittelmehrheit. Warum betrifft der Eigenmietwert auch Mieterinnen und Mieter? Weil die Verfassung eine rechtsgleiche Besteuerung von Mietern und Hausbesitzern verlangt. Das Bundesgericht entschied 1996, dass eine einseitige Abschaffung des Eigenmietwerts ohne die gleichzeitige Abschaffung des Schuldzinsabzugs verfassungswidrig wäre. Es wäre also ein Leichtes für Gegner der Vorlage, die Mieterschaft an der Urne zu mobilisieren. Sie wären zahlenmässig überlegen. Denn ungefähr zwei Drittel der Menschen hierzulande wohnen in einer Mietwohnung. Die schweizerische Wohneigentumsquote betrug zuletzt 36,4 Prozent – die tiefste unter allen europäischen Ländern. Wie geht es jetzt weiter? Die zuständige Wirtschaftskommission des Nationalrates will eine Unterkommission damit beauftragen, eine kompromissfähige Vorlage zu erarbeiten. Die Linke signalisierte in einem Punkt ein Entgegenkommen: Sie wäre bereit, einer Härtefallregelung für selbstbewohnte Rentnerhaushalte zuzustimmen, ähnlich wie es gewisse Kantone tun. Hinter einer solchen Vorlage könnten sich auch die Kantone scharen. Eine weitergehende Variante dürfte reines Wunschdenken bleiben. Bundesrat Mauer sagte in seinem Schlusswort, dass ein Weiterberaten nur Sinn mache, wenn alle Seiten bereit seien, einen echten Kompromiss zu suchen. «Wir kommen wirklich nur dann zum Erfolg, wenn sich alle hinter dieses Anliegen stellen und dann versuchen, Lösungen zu finden.» Aus seiner Sicht müsse «spätestens in einem Jahr» ein Vorschlag vorliegen, der zu einer besseren Lösung führe.

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Warum die Abschaffung des Eigenmietwerts scheitern wird