Bundesratskandidat Heinz Tännler über die Bürokratie in Bern, die Fifa und und Christoph Blocher

Wie reagierte Ihre Frau auf Ihre Bundesratskandidatur? Sie hat nicht gerade gejubelt. Warum? Erstens hat sie eine natürliche Skepsis gegenüber der Politik. Und zweitens findet sie, dass ich das Kandidatenkarussell nicht nötig habe, jetzt, da ich in Zug vor zwei Wochen als Finanzdirektor wiedergewählt worden sei. Dennoch lässt sie mir freie Hand. Seit 16 Jahren bin ich Regierungsrat. Für mich läuft es derzeit rund. Und trotzdem machen Sie es. Haben Sie Chancen? Eine Kandidatur hat etliche Hürden: die Partei, die Fraktion und die anderen Parteien. Unwägbar ist auch das Verhalten des Wahlkörpers: Das Parlament ist eine Art «familiäre Zunft» mit vielen Eigenheiten. Ich bin keiner von ihnen, und Externe haben es da schwer. Ich sehe meine Chancen im überschaubaren Rahmen.Das ist Heinz Tännler Er ist Frühaufsteher, gilt als gut organisiert und reagiert blitzschnell auf Herausforderungen. Heinz Tännler, Zuger Regierungsrat seit 16 Jahren. Der 62-Jährige studierte einst Recht an der Uni Zürich. Ab 1993 war er Anwalt für Wirtschaftsrecht und Notar. 2002 wechselte er zur Fifa und wurde dort Chefjurist. 2007 verliess er die Fifa, nachdem er die Wahl in den Zuger Regierungsrat schaffte. Zuerst war er Baudirektor, seit 2016 ist er Finanzdirektor. Als Jurist war Tännler lange Eishockeyrichter «am Schreibtisch», ohne je Eishockey gespielt zu haben. Der spätere Tessiner Bundesrichter Ivo Eusebio und damalige Präsident der Eishockey-Nationalliga hatte ihn in den 1990er Jahren darum gebeten, das Verfahren zu Disziplinarstrafen in der Liga zu straffen. Tännler spielt Tennis. Er wuchs in Zug auf, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Haben Sie einen Besuchstermin in «Herrliberg»? Nein, das habe ich nicht. Zu Herrn Christoph Blocher habe ich ein sehr korrektes Verhältnis. Wenn wir uns sehen, haben wir immer einen sehr sachlichen Austausch. Aber ich gehe in Herrliberg nicht ein und aus. Der frühere Parteipräsident habe bei der Kandidatenkür noch immer ein Wörtchen mitzureden, heisst es in der SVP. Ist das so? Solche Stimmen gibt es. Ob es stimmt, das weiss ich nicht. Jedenfalls kandidiere ich nicht, indem mich irgendjemand protegiert. Ich kandidiere aus Überzeugung bezüglich meiner Qualitäten, um einen Beitrag für unser Land zu leisten. Sie sind Zuger. Wie viel Zürcher SVP steckt in Ihnen? Ich kenne den «Groove» von Zürich, denn ich arbeite in vielen Belangen mit Zürich zusammen. So stehe ich beispielsweise mit dem Zürcher SVP-Finanzdirektor Ernst Stocker im engen Austausch. Wir Zuger sind bei der Wirtschaftsförderung «Greater Zurich Area» mit dabei. Auch sind wir am Verein Metropolitanraum Zürich beteiligt, der die Mobilität und Entwicklung koordiniert. Ich weiss, was Zürich wichtig ist. Was nervt Sie am häufigsten in Bundesbern? Dass der Bund immer häufiger zentralistisch agiert. Föderalismus wird von manchen als Schimpfwort verwendet. Er gelte als veraltet – das ist falsch. Der gelebte Föderalismus ist ein Pfeiler unserer Demokratie und steht in der Verfassung. Sehr oft werden effiziente Lösungen für politische Probleme in den Regionen entwickelt und dann vom Bund übernommen. Das hat einen Grund: Die Kantone kennen die Sorgen ihrer Firmen und Leute. Bern kennt sie weniger und sitzt öfter weit entfernt von der Realität. Dennoch drückt uns Bundesbern immer häufiger schematische und bürokratische Regelungen auf. Darüber hinaus will der Bund die Umsetzung dieser bürokratischen Regeln kontrollieren. Dagegen müssen wir ankämpfen. Ein Beispiel? Die Ukraine-Sanktionen. In Bern herrschte nach Ausbruch des Ukraine-Krieges wochenlang ein Durcheinander. Die Sanktionsverordnung war unklar. Als Kantone mussten wir sie umsetzen, aber es war nicht klar, wie dies geschehen sollte. Am Ende stand nicht der Bund in der Kritik, sondern die Kantone wurden kritisiert, es gehe zu wenig schnell. Man warf uns passiven Widerstand vor. Das war falsch. Wir hatten alles daran gesetzt, um solche Vermögen aufzuspüren. Wir in Zug haben uns sehr darum bemüht. Sie sprechen das Auffinden von wirtschaftlich Berechtigten einer Firma an, etwa russische Oligarchen. Heute sind sie in keinem Register aufgeführt. Ja. Es war unklar, wie die Kantone diese finden sollten. Beispielsweise sind die Steuerdaten geheim. Als Regierungsrat darf man nicht einfach darauf zurückgreifen. Ich telefonierte wiederholt mit dem für die Sanktionen zuständigen Bundesrat Guy Parmelin, damit er intern veranlasse, dass eine Anleitung zur Umsetzung der Sanktionen verfasst werde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat dies dann nachgeholt. Danach wurde es besser? Nicht ganz, denn ein zweites Problem trat auf: Wie werden die Ausnahmen umgesetzt? Nicht jede Firma im Geschäft mit Russland oder mit russischen Teilhabern und Teilhaberinnen ist automatisch sanktioniert. Dies gilt auch für den Zahlungsverkehr. Dennoch wurden viele Firmen zu Unrecht blockiert. Diese haben dann Ausnahmegesuche beim Bund eingereicht. Doch ihre Gesuche blieben beim Staatssekretariat für Wirtschaft wochenlang liegen. Die betroffenen Firmen und ihre Banken wussten wochenlang nicht, was Sache ist und haben mich darüber unterrichtet. Das hat nicht funktioniert und ist ärgerlich. Ähnliches ist während der Corona-Krise passiert. Die SVP verlangt weniger Zentralismus und Subventionen. Dennoch war Ihre Partei voll dabei, als es um die Ausrichtung staatlicher Rettungsgelder an Firmen ging. War das nötig? Ja. Sonst wäre es zu einer Pleitewelle gekommen. Ueli Maurer hat die Corona-Hilfen sehr gut aufgezogen. Auch das Härtefallprogramm war nötig. Hier spielte Guy Parmelin die Hauptrolle. Wir haben das Bundesprogramm sehr effizient umgesetzt. Zug hat ungefähr 170 Millionen Franken an Unterstützungsgeldern des Bundes und vom Kanton Zug ausgerichtet. Bundesrat Maurer rühmte sich in seiner Abgangspressekonferenz, er sei ein Ermöglicher der Schweizer Kryptoszene gewesen. Und Sie? An dieser Entwicklung habe ich massgeblich mitgewirkt. Nicht umsonst haben sich in Zug viele Fintech-Firmen angesiedelt. Sie alle vereint die Anwendung der Blockchain-Technologie. Unsere Startup-Szene und das Crypto Valley sind sehr bekannt. Ueli Maurer hat diese Ansiedlung in die Welt getragen. Auch hat er sich im Parlament für eine gute Regulierung eingesetzt. Unterstützt hat ihn der in Bern ansässige Verband Swiss Blockchain Federation, dessen Präsident ich bin. Wir setzen uns für eine liberale, staatliche Regulierung ein. Die stark fallenden Kurse von Kryptowährungen haben Fintech-Firmen zugesetzt. Schrumpft jetzt die Branche? In Krisen trennt sich die Spreu vom Weizen. Das ist gut so. Wir unterstützen nicht die Herausgeber von Kryptowährungen, sondern die Blockchain-Technologie als solche. Der Anwendungsbereich ist riesig, auch in der Digitalisierung, die wir in Zug vorantreiben. Wo ich eher ein Problem sehe, ist der Hang zur übertriebenen Finanzmarktaufsicht. Die Finma tut sich schwer mit der Bewilligung von Fintech-Firmen. Dort müsste die Politik hinschauen. Die Gesetzgebung ging fast einstimmig durchs Parlament. Die Finma aber bietet kaum Hand zu Lizenzen im Kryptobanking. Als Bundesratskandidat werden Sie von den Medien, aber auch von der SVP selber durchleuchtet. Dies, nachdem die Partei mit früheren Kandidaten Probleme hatte. Erinnert sei an den Fall Bruno Zuppiger. Erfüllt Sie dieses Durchleuchten mit Sorge? Nein. Überhaupt nicht. Ich habe nichts zu verbergen. Sie waren einmal angestellt bei der Fifa, als Sepp Blatter noch Präsident war. Was war dort genau Ihre Funktion? Ich war Chefjurist. Hatten Sie als solcher je Hinweise auf Korruption erhalten, die später verfolgt wurden? Die Geschäfte, die ich führte, verliefen absolut korrekt. Hier gibt es kein Wenn und Aber. Die strafrechtlich verfolgte Korruption passierte nicht im Hause Fifa, sondern ausserhalb zwischen Fifa-Verbänden der verschiedenen Kontinente in Asien, Afrika und Südamerika. Es ging unter anderem um Stimmenfang gegen Geld für den Entscheid der WM-Austragungsorte, darunter Katar und Russland. Das waren Hinterzimmerdeals, von denen ich nichts erfuhr. Viele Vorgänge, über die berichtet wird, erfolgten nach meinem Abgang. Was ich unfair finde, ist, dass man als früherer Angestellter der Fifa in Sippenhaft genommen wird für Korruptionsvorwürfe, auf die man keinen Einfluss hatte. Das ist, wie wenn alle CS-Angestellte jetzt pauschal dafür verantwortlich gemacht würden, dass die Bank in gewissen Momenten in der Compliance versagt hatte.

Bundesratskandidat Heinz Tännler über die Bürokratie in Bern, die Fifa und und Christoph Blocher

«In Bern herrschte nach Kriegs-Ausbruch wochenlanges Durcheinander»

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