China hält weiter zu Russland – doch die Kosten steigen

Der Krieg in der Ukraine wirft ein Schlaglicht auf die Teilung der Welt in zwei Blöcke. China und Russland stehen dabei den USA und ihren Verbündeten gegenüber. Erst Anfang Februar hatten die Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin «unlimitierte» Beziehungen zwischen ihren beiden Ländern verkündet. Die russische Invasion stellt diesen Pakt auf die Probe. Ein Krieg in Europa würde die amerikanische Macht im asiatisch-pazifischen Raum schwächen und eine militärisch erzwungene Vereinigung mit Taiwan erleichtern, so die ursprüngliche Vorstellung in Peking. Doch statt einem kurzen Krieg und einem zerstrittenen Westen fand Russland in der Ukraine erbitterten Widerstand und härteste Sanktionen eines überraschend geschlossenen Westens. Der chinesische Spagat, einerseits die USA in Europa zu binden und zu schwächen und andererseits die eigene Wirtschaft nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, wird damit immer schwieriger. Angst vor Abkoppelung Chinas Aussenminister Wang Yi sieht sein Land «nicht als Partei» im Konflikt um die russische Invasion in die Ukraine. Seine Regierung «will nicht, dass die Sanktionen China treffen», sagte der Aussenminister nach offiziellen Angaben in einem Telefonat mit seinem spanischen Kollegen José Manuel Albares. Beobachterinnen und Beobachter deuten dies als Reaktion auf innenpolitischen Druck: Warnungen der USA vor einer finanziellen und militärischen Unterstützung Russlands durch China verstärkten am Dienstag die Bedenken der Investoren, dass sich die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt voneinander abkoppeln könnten. Ein Index für in Hongkong notierte chinesische Aktien sank um 6,6 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 2008, während der Shanghai Composite Index so stark fiel wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ein sogenannter Angstindikator – ähnlich dem VIX in den USA – ist in den letzten zwei Tagen um 78 Prozent angestiegen. Wirtschaftlich unter Druck Wangs Bemerkung steht im Einklang mit Chinas Appellen zur Deeskalation der Krise, auch wenn Peking versucht, die USA für die Auslösung des Krieges verantwortlich zu machen. Pekings Massnahmen scheinen darauf ausgerichtet zu sein, das Risiko zu minimieren, dass es in eine globale Konfrontation hineingezogen oder wirtschaftlich weiter heruntergezogen wird. Gerade jetzt hat das Land mit einem erneuten Ausbruch des Coronavirus zu kämpfen. Die Wirtschaftsmetropole Shenzhen befindet sich deshalb im Lockdown. Dazu kommen das niedrigste Wachstum seit Jahrzehnten und eine Immobilienkrise, die mehrere chinesische Grosskonzerne in arge Schieflage gebracht hat. Für Xi, der in diesem Jahr eine dritte Amtszeit als Präsident anstrebt und damit mit einer jahrzehntelangen Tradition bricht, ist der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Probleme ungünstig. Vom US-geführten Finanzsystem abhängig Obwohl China und Russland geopolitische Ziele teilen, braucht China den Westen wirtschaftlich. China werde wegen Russland nicht die Globalisierung aufs Spiel setzen, argumentiert etwa Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann. «Die finanzielle Macht liegt nach wie vor in den Händen des Westens», sagte der Ökonom Eswar Prasad gegenüber der Wirtschaftsagentur Bloomberg. Die USA und ihre Verbündeten konnten Russland deshalb tiefgreifend von der Weltwirtschaft abschneiden. Auch China ist vom US-geführten Finanzsystem abhängig. So ist die chinesische Zentralbank mit US-Bundesanleihen in der Höhe von 1,1 Billionen Dollar der zweitgrösste Inhaber dieser Papiere. Der Renminbi macht zudem laut Bloomberg nur 3 Prozent der Swift-Transaktionen und 2,7 Prozent der globalen Währungsreserven aus. Cips, das chinesische Gegenstück zum Zahlungssystem Swift, steckt noch in den Kinderschuhen – alle angeschlossenen Banken sind Auslandstöchter chinesischer Banken. US-Dominanz beenden Auch Xis grosses Ziel, die – notfalls militärisch erzwungene – Vereinigung mit Taiwan, wird durch den Krieg in der Ukraine nicht erleichtert. «Die internationale Aufmerksamkeit richtet sich verstärkt auf Taiwan, das wahrscheinlich mehr westliche Unterstützung erfährt – zum Nachteil der dortigen Ambitionen der Volksrepublik», sagte Elizabeth Wishnick, leitende Wissenschaftlerin des in Virginia ansässigen Forschungsinstituts CNA. Dennoch rechnen die USA mit einer weiteren Unterstützung Russlands durch China. Nach einem Meeting von Chinas oberstem Aussenpolitiker Yang Jiechi mit dem nationalen Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden in Rom am Montag hätten Personen, die mit den Gesprächen vertraut sind, gesagt, dass sich China bereits zur weiteren wirtschaftlichen Unterstützung Russlands entschieden habe, wie der britische «Guardian» berichtet. Xi stehe voll und ganz hinter der engeren Partnerschaft mit Russland, sagte ein namentlich nicht genannter US-Beamter. In den unteren Rängen sei die Skepsis grösser, aber Xi und Putin hätten sich entschlossen, die Zeit der globalen Dominanz der USA zu beenden. (mit Material von SDA und Bloomberg)