Vor ein paar Wochen hat mir meine Tochter beim Bruchrechnen das «kleinste gemeinsame Vielfache», das sogenannte kgV, in Erinnerung gerufen. Damit wir Brüche addieren können, brauchen diese einen gemeinsamen Nenner, das ist jene Zahl unterhalb des Bruchstriches. In der Mathematik ist die Sache klar. Wir kennen Mittel und Wege, wie wir zu diesem gemeinsamen Nenner unterschiedlicher Brüche kommen.

Was in der Mathematik nach einfachen Regeln durchführbar ist, wird im übertragenen Sinn in unserer Gesellschaft eine ungleich schwierigere Übung: Wie würden Sie einen gemeinsamen Nenner für unsere Gesellschaft definieren? Wie finden wir das kleinste gemeinsame Vielfache in einer Demokratie? Wir brauchen dringend gemeinsame Nenner, wenn wir unsere unterschiedlichen Interessen, Organisationen und Werte ebenfalls «addieren» wollen. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass der gemeinsame Nenner auch in der Schweiz als Grundgerüst des gesellschaftlichen Zusammenhaltes keine Selbstverständlichkeit ist. Ein Wert, den es stetig zu pflegen gilt.

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Verschiedene Faktoren erschweren die Definition und die Pflege dieses gemeinsamen Nenners. Wir leben in einer zunehmend spezialisierten, sich rasant verändernden Gesellschaft. Komplexe Systeme und Maschinen erfüllen in einer globalisierten Gesellschaft immer herausforderndere Aufgaben. Dazu braucht es Spezialistinnen und Spezialisten, um solche Systeme zu unterhalten und weiterzuentwickeln.

Viele von uns arbeiten dabei in engmaschigen, fragmentierten Bereichen als Expertinnen und Experten. Vergleichbar mit den unzähligen kleinen Zahnrädchen in einem Uhrwerk. Fokussiert und konzentriert man sich zu stark auf einzelne Zahnräder, droht die Gefahr, das grosse Ganze aus den Augen zu verlieren. Wir sind selbst bei bestem Willen nicht in der Lage, einen gemeinsamen Nenner zu erkennen, da wir in unserer Spezialisten-Blase mit unserer eigenen, kleinen Welt beschäftigt sind.

Über den Autor

Adrian Derungs ist Direktor der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ

Diese Professionalisierung als Antwort auf die zunehmend komplexen Herausforderungen führt zu weiteren indirekten Effekten, die ein «gesellschaftliches kgV» erschweren. Unternehmen, politische Parteien, Verbände oder NGO suchen vehement nach Alleinstellungsmerkmalen, nach herausragenden Leistungsmerkmalen, mit denen sie sich gegenüber Konkurrenten abgrenzen und abheben.

Dieser Tendenz unterliegen nicht nur Organisationen, sondern auch als einzelner Mensch spüren wir oft grossen Druck zur Profilierung: Individualität um jeden Preis? Eine schmale Gratwanderung. Wenn wir uns als Organisationen und Individuen bis zur Unkenntlichkeit abgrenzen, nur um einzigartig zu sein, wo bleiben dann die gemeinsamen Nenner, wo die verbindenden Merkmale? Gelingt es uns, in Zukunft nicht nur die Individualität als erstrebenswert zu erachten? Lernen wir Gemeinsamkeiten oder andere Faktoren, die unsere Einzelinteressen übersteigen, neu zu schätzen? Finden wir ein «gesellschaftliches kgV»?

Ich bin überzeugt, dass es trotz diesen skizzierten Schwierigkeiten gemeinsame gesellschaftliche Nenner gibt. Eines der offensichtlichsten «kgV» für die kommenden Jahre ist das Thema «Nachhaltigkeit». Der Begriff stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft: Wer nur so viele Bäume fällt, wie nachwachsen, sorgt dafür, dass der Wald auch den zukünftigen Generationen zur Verfügung steht. So behält der Wald dauerhaft seinen Wert.

Im Kern geht es darum, dass wir unser Verhalten als Gesellschaft so ausrichten, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen auch den nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen. Ein einleuchtendes Prinzip. Daher haben sich unterschiedliche Organisationen in der Zentralschweiz zusammengefunden und das «Nachhaltigkeitsnetzwerk Zentralschweiz NNZ» gegründet. Partner des Netzwerks sind unter anderem die Hochschule Luzern (HSLU), Caritas, Fastenopfer, WWF, das Centre suisse d’électronique et de microtechnique (CSEM), Innovationstransfer Zentralschweiz (ITZ) und die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ.

Nachhaltigkeit – ein verständlicher Nenner für unterschiedliche Akteure, die sich sonst vielfach voneinander abgrenzen. Hier verfolgen wir alle gemeinsam das Ziel, die von der UNO und von der Schweiz verabschiedete «Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung» in unserer Region konkret umzusetzen. Wir haben die notwendigen Instrumente, Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales zu realisieren und im Alltag zu verwirklichen.

Eine funktionierende Demokratie gehört ebenso dazu wie eine starke Zentralschweizer Wirtschaft mit Unternehmen, die ihren Teil zur Lösung der Herausforderungen beitragen. Unsere Unternehmerinnen und Unternehmer wollen Wert und Werte für unsere Nachkommen erhalten; es lohnt sich!

Sie teilen diesen gemeinsamen Nenner? Dann engagieren Sie sich und machen Sie mit beim Nachhaltigkeitsnetzwerk Zentralschweiz NNZ. Informieren Sie sich unter www.nachhaltigkeitsnetzwerk.ch.

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