So könnte die Päckli-Verteilung in Zukunft aussehen

Berge von leeren Päckli auf dem Trottoir sind der Seismograf für den boomenden Online- und Versandhandel in der Schweiz. Dieser ist 2020 um einen Drittel auf 13 Milliarden Franken Umsatz gestiegen. Und der Trend geht weiter: Zahlen des Marktforschers GfK, der Post und vom Handelsverband.swiss zeigen, dass im ersten Quartal dieses Jahres der Versandhandel um 42,8 Prozent über dem Vorjahr liegt. Nicht nur die Versandumsätze steigen, auch die Kartons türmen sich. «Es gibt immer mehr Lieferungen, Pakete werden zunehmend kleiner», sagt Jonas Schmid von der Mobilitätsakademie des TCS. Der Wunsch vieler Kundinnen und Kunden en nach Same-Day-Delivery sowie viele Retouren heizen das Geschäft an. Kein Wunder, dass Dienstleister wie die Post, DPD, DHL, UPS und Planzer immer mehr Fracht und Fahrten haben. Allein 2020 haben Zustellungen bis 20 Kilogramm pro Päckli um fast einen Viertel zugenommen. Die meisten von der Schweizerischen Post. Private Zusteller haben den relativ geringen Marktanteil von rund 13 Prozent. Hubs zur Entlastung des Stadtverkehrs Besonders in Städten bedeutet der Paketboom mehr Verkehr, Staus und Abgase. Stadtpolitiker und Logistiker suchen nach Lösungen, um die Päckli- und Blechlawinen in den Griff zu bekommen. «Diese haben ein Interesse, Paketsendungen in Hubs zu konzentrieren, um den Stadtverkehr zu entlasten», sagt Nikolas Geroliminis vom Urban Transport Systems Laboratory der EPFL. Einen solchen multimodalen Hub gibt es seit April 2019 in den Lagerhallen des ehemaligen Basler Güterbahnhofs «Wolf». Das Projekt gehört zum Smart City Lab, eine Initiative von SBB und Basel-Stadt. Es ist ein Leuchtturmprojekt der Schweiz in Sachen moderner, integrierter City-Logistik. Eingebunden sind diverse Verkehrsträger, darunter SBB Cargo, DPD, Rikscha-Taxi, die Kurierzentrale und das Unternehmen Schlaue Box. Ziel ist, so wenige Zustellfahrten wie möglich zu generieren, um den Verkehr und die Umwelt zu entlasten. Und das ohne Qualitätsverlust bei der Zustellung an den Endkunden oder die Endkundin. «Die Hauptfunktion eines Hubs ist die Bündelung, um die Waren dafür optimal zusammenzustellen», sagt Fabienne Klaas, Beraterin Strategie- und Organisationsentwicklung bei SBB Cargo. Das gilt bis hin zur Feinverteilung.Die Päckli-Profiteure Post vs. Private: Im Pandemiejahr 2020 haben Shopper Waren vermehrt im Netz bestellt. Und auch mehr retourniert. Retouren haben weniger zugenommen als Sendungen, aber in absoluten Zahlen dennoch zugelegt. Davon profitiert haben die Paketdienste, allen voran die Post. Das Paketaufkommen ist 2020 um fast einen Viertel gestiegen. Auch private Zusteller konnten profitieren. Deren Marktanteil ist im Vergleich zur Post aber noch gering. Wie es im Detail funktioniert, hat das Corona-Jahr gezeigt. Die Nachfrage nach PCR-Tests war eine Nagelprobe für das smarte Basler Logistikprojekt. Und zwar läuft es so: Der Kurierdienst Veloblitz in Zürich holt den Test ab und bringt diesen zu einem Micro-Hub der Post. Das E-betriebene Rikscha-Taxi entleert den Micro-Hub und bringt die Tests zu einem Sortier-Hub. Von dort kommt die Fracht in den Zug nach Basel. In Basel holt die Kurierzentrale die Lieferung ab und bringt sie ins Labor nach Allschwil. «Die Zusammenarbeit aller Akteure ist gefragt», sagt Kurierzentrale-Gründer Jérôme Thiriet. Um den Verkehrskollaps zu verhindern, müsse effizient gebündelt werden, sodass nicht sämtliche Dienstleister parallel und zur selben Zeit ausfahren. Natürlich gibt es auch Kritik an der Hub-Idee. Nach dem Motto: Darf bald womöglich nur noch eine kleine Gruppe von Anbietern über Stellflächen verfügen und in die City rein, um die Pakete zu verteilen? Und soll das für alle Güter gelten, etwa auch für Frischwaren? Detailhändler wie Migros und Coop befördern selbstständig jeden Tag so grosse Mengen zu ihren Filialen, sodass weitere – zwischengeschaltete – Hubs die Logistik eher erschweren und teurer machen würden.Lesen Sie mehr zum Thema Interview mit Mobilitätsexperte Jonas Schmid: Päckli-Boom: «Immer mehr Lieferungen, Pakete werden kleiner» Patrick Kesslers, Geschäftsführer von Handelsverband.swiss, setzt auf XL-Milchkästen: City-Hub versus Milchkasten 2.0 Damit das alles effizienter wird, verfolgen Hub-Betreiber neue «dynamische» Konzepte. Die Post macht dazu mit der Güter-U-Bahn Cargo Sous Terrain den Pilotversuch «Hub-Sharing». Das Projekt sieht vor, dass via eine Plattform Flächen kurz- bis mittelfristig an andere Logistiker zur besseren Nutzung vermietet werden können. Derweil wächst das Interesse an der Elektrifizierung: «Die letzte Meile soll möglichst ohne Emissionen gemacht werden», sagt Thiriet. Und Quickpac-Geschäfsführer Bernard Germanier, der stark auf E-Vans setzt, sagt: «Wir können mit unseren E-Autos den Co₂-Ausstoss deutlich senken. Ausserdem erwarten wir, dass wir durch die E-Flotte unsere Kosten langfristig senken können, auch wenn anfangs höhere Investitionen, etwa in die Ladeinfrastruktur, entstehen.» Kleine Päckli per Velokurier Aber nur E-Wagen, das reicht wohl vorerst nicht. Die Kombi macht es aus: Kleine Päckli per Velokurier, grössere per Lastenrad, noch grössere per Lastendreirad wie von Rikscha-Taxi. Sperrigere Pakete mit Diesel-LKW, am besten aber mit elektrisch betriebenen Transportern. «Der Druck ist mittlerweile klar zu spüren, dass die letzte Meile immer aufwendiger und dies aber durch die Stadtpolitik mit Fahrverboten teils erschwert wird, wenn Dieselfahrzeuge nicht erlaubt sind», sagt Thiriet. Das gilt für die Zustellung von PCR-Tests genauso wie für Zalando-Pakete. Damit es die vielen Päckli bis in die Siedlung und in die Stuben der Konsumenten schaffen, hat sich der Smart-City-Lab-Partner Schlaue Box etwas einfallen lassen: eine smarte Paketbox für die Stadt, zentral, kurierunabhängig und multifunktionell. «Die Paketstellen sind offen für alle, alle Lieferdienste können dorthin die Pakete anliefern», sagt Bereichsleiter Simon Widmer. Von diesen Stationen aus gibt es dann die Option, eine Feinverteilung vorzunehmen. Zum Beispiel mithilfe der Kurierzentrale. Oder es besteht die Möglichkeit, sich das Paket von dort selbst zu holen, weil die Station in der Nähe der Wohnstätte oder des Arbeitsplatzes ist. Ein Beispiel ist die Anlage am Claraplatz in Basel, die seit Anfang März steht. Zwei weitere Standorte sind im Quartier St. Johann und auf dem Erlenmatt-Areal geplant. Es geht dabei nicht nur um Kurierunabhängigkeit, sondern auch um Multifunktionalität, für Anlieferungen und Retouren. Sowie für Geschäfte mit verlängerten Öffnungszeiten, die ihre verkauften Waren für die Kundinnen und Kunden dort als Depot hinterlegen können. Was es in Basel gibt, müsste später landesweit funktionieren. «Letztlich geht es nicht nur um eine Smart City, sondern um Smart Switzerland», sagt Widmer.

So könnte die Päckli-Verteilung in Zukunft aussehen

Neue Ideen helfen gegen die Päckli-Flut