Seco bestätigt Gespräche über Oligarchengelder: US-Regierung schickt obersten Sanktionsbeamten Brian Nelson in die Schweiz

Die USA erhöhen den Druck auf Bern. Diese Woche schickt die Biden-Regierung ihren obersten Sanktionsbeauftragten in die Schweiz: Brian Nelson, Unterstaatssekretär für Terrorismus und Finanztransaktionsuntersuchungen im Finanzministerium. Gemeinsam mit seiner Kollegin Liz Rosenberg reist der Jurist laut US-Medien nach Europa, um sich mit Führungskräften von Finanzinstituten zu treffen, Informationen über potenzielle Sanktionshinterzieher auszutauschen und vor möglichen Strafen für die Nichteinhaltung internationaler Sanktionen zu warnen. Auch das Seco steht auf Nelsons Besuchsliste. Das Department trifft sich mit dem US-Finanzbeamten und einer US-Delegation zu einem «generellen Austausch, bei dem es auch um die Sanktionen geht», bestätigt Seco-Sprecher Fabian Maienfisch auf Anfrage. Mehr Details wollen weder das Seco noch die US-Botschaft in Bern preisgeben. Doch Nelson dürfte nicht für ein fröhliches Kaffeekränzchen anreisen. Seit Dezember 2021 ist der Jurist Bidens oberster Sanktionsbeauftragter – und damit vor allem mit den Russland-Sanktionen beschäftigt. Seco-Chefin und US-Botschafter kritisieren sich gegenseitig öffentlich Die USA und die anderen G7-Staaten werfen der Schweiz vor, zu wenig für die Suche nach versteckten Oligarchenvermögen zu tun. In der Woche vor Ostern forderten die Botschafter den Bundesrat per Brief zu mehr internationalem Austausch über verdächtige Finanzstrukturen und die Teilnahme an der Oligarchen-Taskforce Repo (Russian Elites, Proxies and Oligarchs) auf. Sie kritisierten zudem Gesetzeslücken bei der möglichen Geldwäsche durch Rechtsanwälte. Die Schweiz weist bislang alle Kritik von sich. Einen Beitritt zur Repo-Taskforce schliesst sie zwar nicht aus. «Derzeit» werde die Teilnahme aber «nicht als eine prioritäre Option betrachtet», teilt das Wirtschaftdepartment kurz vor dem Besuch des US-Sanktionsbeauftragten mit. Seco-Chefin Helene Budliger Artieda stichelte in einem am Dienstag veröffentlichten Interview bereits, auch die Amerikaner – welche die Repo-Taskforce anführen – hätten noch keine «verwertbaren Hinweise» geliefert. US-Botschafter Scott Miller wiederum hatte die sanktionskritische Seco-Chefin in einem Interview verhältnismässig scharf angegriffen. Zudem hatte er behauptet, die Schweiz könne noch 50 bis 100 Milliarden Franken mehr einfrieren. Es ist allerdings unklar, woher die Zahl stammt. Mehrfache Nachfragen zur Quelle blieben unbeantwortet. «Wir sind nach wie vor der Meinung, dass in der Schweiz mehr getan werden kann, um sanktionsrelevantes verstecktes Vermögen zu identifizieren», sagte ein Sprecher der US-Botschaft am Freitag auf Anfrage. Schweiz hat 7,5 Milliarden eingefroren, die EU 21,5 Milliarden Das Wirtschaftsdepartement wirft den G7-Botschaftern bei ihrer Kritik Unfairness und Ungenauigkeiten vor. Die Höhe der gesperrten Vermögenswerte von sanktionierten Personen, Unternehmen und Organisationen in der Schweiz sei im internationalen Vergleich «respektabel», sagte Sprecher Markus Spörndli am Donnerstagabend in einer Stellungnahme.«Wir müssen den medialen Druck aushalten» Die Schweiz steht im Ausland wegen des Wiederausfuhr-Verbots von Waffen an die Ukraine und der Jagd nach Oligarchengeldern in der Kritik. Die Rettungsaktion der Credit Suisse hat zusätzlich für Negativschlagzeilen gesorgt. Martin Dahinden, ehemaliger Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit und einstiger Schweizer Botschafter in Washington, zeichnet aber ein anderes Bild. Mehr hier. Die Höhe der von der Schweiz eingefrorenen Vermögenswerte von 7,5 Milliarden Franken entspreche gut einem Drittel der in der ganzen EU eingefrorenen Summe von 21,5 Milliarden Euro. Frankreich meldet 1,2 Milliarden Euro, in Deutschland seien 2,2 Milliarden Euro. Grossbritannien, «dessen Finanzplatz London bekanntlich grosse Anziehungskraft auf vermögende russische Kundinnen und Kunden ausübt», melde mehr als 18 Milliarden Pfund, «wobei zu bedenken ist, dass die britische Sanktionsliste nicht mit derjenigen der EU und der Schweiz übereinstimmt und die Zahlen daher nicht eins zu eins vergleichbar sind». Was etwa mögliche Hürden für die Sperre von Vermögenswerten anbelange, verwechselten die Botschafter wohl «die geltenden Bestimmungen zur Vermögenssperre» mit dem Verbot, Einlagen über 100’000 Franken von russischen Staatsangehörigen oder in Russland ansässigen natürliche und juristischen Personen anzunehmen, sagt ein Sprecher in einer neuen Stellungnahme gegenüber der «Handelszeitung». Die Schweiz habe beim genannten Einlagenverbot die gleichen Regeln wie die EU. Berset trifft Scholz und Steinmeier in Berlin Aus der internationalen Kritik an der Schweiz scheint ein handfester Sanktionen-Streit geworden zu sein. Die öffentliche Austragung des Streits spricht dafür, dass die Fronten verhärtet sind: Auf der einen Seite die USA und ihre internationalen Partner, welche die Reihen schliessen wollen. Auf der anderen Seite die Schweiz, die sich sichtbar nicht gängeln lassen will. Der Streit dürfte diese Woche auch auf ausländischem Boden weiter ausgetragen werden. Während der oberste US-Sanktionsbeauftragte in der Schweiz weilt, reist Bundespräsident Alain Berset zur Stippvisite nach Berlin. Am Dienstag trifft sich Berset mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch dort dürften ernste Themen auf den Tisch kommen. Schliesslich fordert die deutsche Regierung die Schweiz ebenfalls zur Teilnahme an der Repo-Taskforce auf. Zudem verlangt sie die Exporterlaubnis der Schweiz für Munition für den Gepard-Flugabwehrpanzer. Entsprechend ungemütlich könnte der Besuch verlaufen.