Was UBS-Chef Sergio Ermotti aus Bern erwartet: Eine «Lex UBS» und neue Vollmachten für die SNB

«Whatever it takes.» Dieser Halbsatz, auf Deutsch «Was immer es braucht», hat in der ausserordentlichen Session der eidgenössischen Räte Karriere gemacht. Karin Keller-Sutter zitierte ihn, und die Volksvertreter Pirmin Schwander (SVP) und Roberto Zanetti (SP) ebenso. Es ist gut möglich, dass das dahinterstehende Rettungskonzept auch in der Schweiz Karriere macht. Dies dürfte den neuen UBS-Chef Sergio Ermotti besonders interessieren. Den Whatever-it-takes-Begriff hatte der damalige EZB-Chef Mario Draghi auf dem Höhepunkt der Euro-Krise 2012 geprägt. Kernaussage ist, dass die Notenbank genug Feuerkraft hat, um den Zusammenbruch eines Mitgliedsstaates der Euro-Zone oder von dessen Bankensektor zu verhindern. Jüngst hat US-Notenbankchef Jerome Powell sich den berühmten Halbsatz zu eigen gemacht. Er tat dies Anfang März, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Damals wurde ruchbar, dass die Silicon Valley Bank pleitegeht. Doch mit dem Halbsatz «Whatever it takes» sagte Powell den Marktteilnehmenden: Bedeutende Guthaben sind durch die Zentralbank garantiert. Geld abziehen ist unnötig. Ende der Panik. Die Bank wurde geschlossen und der Abfluss gestoppt. Im Kontext der CS-Rettung durch den Bundesrat hat das «Whatever it takes»-Konzept grosse Aktualität erhalten. Hätte die SNB «Whatever it takes» gemacht? SP-Vertreter Zanetti und SVP-Vertreter Schwander fragten Karin Keller-Sutter im Rat am Dienstag, warum Nationalbank-Präsident Thomas Jordan es dem US-Bankchef Powell nicht gleichgetan habe. Die Bundesrätin antwortete dem verblüfften Zanetti im Ständerat: «Die Frage, die Sie stellen, ist interessant.» Sie habe bereits den Auftrag erhalten, sagte die Finanzministerin und tönte an, dass man der Möglichkeit vertieft nachgehen werde. Offenbar hatte der Bundesrat in den Krisentagen eine Rettung der CS durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) tatsächlich ins Spiel gebracht, bevor am Ende der Staat die Rettungsübernahme der CS durch die UBS orchestrierte. «Eine Änderung des Nationalbankengesetzes hätte der Nationalbank die Möglichkeit gegeben, der CS die nötige Liquidität ohne Bundessicherheiten zuzuführen. Es wäre sicher eine Alternative gewesen, mit Notrecht einen Artikel im Nationalbankengesetz zu übersteuern», sagte der SVP-Vordenker Schwander. Doch Nationalbank-Präsident Jordan lehnte diese Variante offenbar ab. Dies verrät eine zweite Aussage von Karin Keller-Sutter in einer Antwort an SVP-Nationalrat Thomas Matter. Dieser fragte, warum die SNB nicht das «Whatever it takes»-Prinzip angewendet habe. Die Bundesrätin antworte: «Nach Beurteilung der Nationalbank wäre das gegen die Bundesverfassung und den Auftrag der Nationalbank gewesen.» Dann hakte ein anderes Ratsmitglied nach. Und Keller-Sutter wurde endlich deutlich und sagte, was das Hindernis war: die Nationalbank selber. «Wir mussten uns mit der Nationalbank – ich kann es nicht diplomatischer sagen – auch einigen», so Keller-Sutter. Diese Einigung war schliesslich die gewählte Monsterstaatsgarantie des Bundes von 100 Milliarden Franken zuhanden der SNB und weitere 9 Milliarden Ausfallgarantie zugunsten der UBS, damit diese einwilligte, die CS zu kaufen. Neue Vollmacht der SNB auf dem Tapet Mit den Prüfaufträgen des Parlaments (Postulate) wird jetzt die «Whatever it takes»-Strategie im Detail ausgerollt werden. Damit würden die SNB und ihr Chef Thomas Jordan grössere Vollmachten erhalten. Dass dies ernsthaft erwogen wird, dafür sorgen die Forderungen der SVP und der SP an der ausserordentlichen Session. Doch auch Keller-Sutter dürfte stark daran interessiert sein, die nächste Bankrettung künftig der Nationalbank zu überlassen. Das Resultat der Debatte wird wohl sein, dass das Parlament der Nationalbank mittels Gesetzesanpassung erlaubt, eine Bank wie die CS ähnlich einfach und verhältnismässig billig zu retten, wie es das US-Fed im März mit der Silicon Valley Bank erfolgreich vorgemacht hatte. Zwar wurde die Bank selbst nicht gerettet, aber die Kundeneinlagen, was ein Ausbreiten der Panik verhinderte. Im Extremfall könnte in ähnlicher Weise auch eine schlingernde UBS von der SNB mit riesigen Liquiditätshilfen gerettet werden, so die Hoffnung. Lex UBS, Lex Boni, Lex Finma … Weitere Forderungen des Parlaments dürften ebenso intensiv geprüft werden. Es sind dies die folgenden: Eine «Lex UBS». Eine solche Gesetzesvorlage würde die neue Grossbank dazu zwingen, entweder massiv ihr Eigenkapital aufzustocken oder Teile der bisherigen CS zu verselbstständigen. Darauf deutet ein Auftrag an den Bundesrat hin, hinter den sich am Mittwoch alle Parteien stellen konnten: «Die volkswirtschaftlichen Risiken und die Risiken für den Staat, die von der UBS als Grossbank ausgehen, sollen «drastisch reduziert werden». Ermotti dürfte stark dagegen lobbyieren, so wie er dies bereits 2012 als UBS-Chef getan hatte. Welches Mittel der Bundesrat wählt, dürfte ihm freigestellt sein. Es gibt laut Parlamentsvoten grundsätzlich zwei Möglichkeiten: entweder über das Kartellrecht oder über neue, harte Eigenkapitalvorschriften. Der Weg über das Kartellrecht sähe wohl so aus, dass der Bundesrat eine neue Vollmacht erhält, die künftige Marktmacht der UBS zu reduzieren. Die Variante über neue Kapitalvorschriften würde bedeuten, dass der UBS unerträglich harte Eigenkapitalvorschriften aufgebrummt würden. Mit der Folge, dass die UBS «freiwillig» einen Teil des CS-Geschäfts abspalten dürfte. Denn je grösser die Bilanz, umso stärker muss eine Bank ihr Geschäft mit Eigenmitteln unterlegen. Dieses Prinzip gilt heute schon, könnte aber extra für die UBS nochmals verschärft werden, um so eine Schrumpfung der Bilanz zu erreichen. Im Parlament war daher die Rede von einer «substanziellen, progressiven Erhöhung der harten, ungewichteten Eigenkapitalquote». Dieser Bedingung hat eine Mehrheit des Parlaments zugestimmt. Kampf gegen die Boni Mit Nachdruck vertreten alle Parteien auch neue Vorschriften, um die Boni des Topmanagements von systemrelevanten Banken zu reduzieren. Damit gemeint ist nicht nur die UBS, sondern auch die anderen grossen Banken. Als systemrelevant für die Schweiz gelten unter anderen die Raiffeisen und die Zürcher Kantonalbank. Die Rede im Parlament war von der «gesetzlichen Beschränkung der variablen Lohnbestandteile von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Kontrollorganen». Ob eine solche Vorlage isoliert vom Rest vorgezogen werden könnte, ist offen, aber nicht unwahrscheinlich. Der Bundesrat könnte geneigt sein, dies zu tun, weil es der verhältnismässig einfache Teil einer verschärften Bankenregulierung wäre. Auch hier dürfte Ermotti voll Gegensteuer geben – und er wäre wohl nicht alleine. Weit schwieriger dürfte dagegen die grosse Revision der sogenannten Too-big-to-fail-Gesetzgebung sein. Es gibt viele mögliche Antworten. Die «Handelszeitung» hat die wichtigen Vorschläge angeschaut. In diesem Punkt braucht es erstens eine internationale Abstimmung und zweitens eine vorgängige, redliche Analyse der wahren Ursachen der CS-Krise. Streit um die Finma Warum hat die Finanzmarktaufsicht nicht früher eingegriffen? Warum sah die Nationalbank die Warnzeichen für die grossen Abflüsse so spät? Welches Mittel hilft zuverlässig gegen einen Bankensturm? Bringt mehr Eigenkapital wirklich etwas? Und wie kann gesichert werden, dass im Krisenfall eine Bank tatsächlich abgewickelt werden kann? Genau davor schreckte der Bund in der CS-Krise zurück. Ein Mitglied der Finanzdelegation des Parlaments (Findel) sagte unter Zusicherung von Anonymität: «Die Finma hätte bereits im April 2022 eingreifen müssen.» Auch im Oktober und Anfang März gab es laut Experten und Expertinnen untrügliche Hinweise, um bei der CS mittels Aufsichtsrecht durchzugreifen. «Dann hätten wir uns die ganze Rettungsübung sparen können», so das Findel-Mitglied. Doch die Finma hat es nicht getan, aus welchem Grund, ist unbekannt. Finma-Präsidentin Marlene Amstad hatte dieser Darstellung vor Ostern heftig widersprochen. Schon im Sommer 2020 habe die Aufsicht von der CS höhere Liquiditätspuffer verlangt. Nur dank diesen Polstern habe die Grossbank die massiven Abflüsse im Oktober vergangenen Jahres überstanden. Wenn die Kundinnen und Kunden aufgrund von Fehlern des Managements am Ende aber das Vertrauen in die Bank verlören, sei auch die Aufsicht machtlos, hatte sie argumentiert. Stimmen im Parlament mutmassen dagegen, dass die heutigen Aufsichtsregelungen der Finma eine Beisshemmung auferlegt haben. Deshalb brauche es neue Vorschriften «für eine Finma mit Zähnen», so das Ratsmitglied. Doch wie die konkret aussehen sollen, ist noch unklar. Die Finma selbst fordert auch bessere Instrumente und will zum Beispiel fehlbare Bankmanagerinnen und -manager mit Bussen belegen dürfen. All dies aufzuarbeiten, wird die Aufgabe des Bundesrates und der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) sein. Das Parlament will sie im Juni einsetzen. Auch UBS-Chef Sergio Ermotti dürfte hier Rede und Antwort stehen müssen.

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Ermotti droht eine «Lex UBS» – und die Nationalbank soll mehr Macht bekommen