Vestager

Impulsgeber: Politik

Veröffentlicht am 09.10.2019 - 08:40 Uhr
Quelle: Jesse Dittmar / Redux / laif

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Ob regional oder auf der grossen politischen Bühne – diese Persönlichkeiten geben den Takt an.

Margrethe Vestager (51): Frau Wettbewerb

Sie ist eine der bekanntesten Politikerinnen Europas – spätestens seit sie auf der Liste der möglichen Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auftauchte. Als oberste Wettbewerbshüterin in der EU verteilte sie Milliardenstrafen an Google und Apple und schuf sich einen Namen als Kritikerin der Tech-Giganten. Denn Vestager will die Marktmacht der grossen Digitalkonzerne in Europa eindämmen. Dass Konzerne wie Apple und Co. in Europa kaum Steuern zahlen, ist ihr ein Dorn im Auge. Es ist nicht übertrieben: Vestager ist Frau Wettbewerb in Europa. Ihr ist es zu verdanken, dass die Marktkräfte im Binnenmarkt spielen können.

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Die 51-jährige Wirtschaftswissenschafterin war von 2011 bis 2015 Ministerin in Dänemark für die sozialliberale Partei. Zuerst für Bildung, dann für Wirtschaft und Inneres. Auch dort bewies sie eine harte Hand: Als Wirtschaftsministerin setzte sie harte Sozialreformen durch, kürzte das Arbeitslosengeld und hob das Rentenalter an.

Bei den Europawahlen im Mai trat sie als Spitzenkandidatin der EU-Liberalen an, Juncker zu beerben. Ihr prominentester Unterstützer war der französische Präsident Emmanuel Macron. Am Schluss machte Ursula von der Leyen das Rennen. Doch Kommissarin in Brüssel dürfte Vestager bleiben, vielleicht auch Vizepräsidentin. Behält sie das Wettbewerbsdossier, werden sich die US-Tech-Giganten weiterhin warm anziehen müssen. 

Was auf jeden Fall bleibt: In ihrer fünfjährigen Amtszeit brachte Vestager drei grosse Verfahren gegen Google zum Abschluss. Es hagelte Bussen: 2,4 Milliarden Euro wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung bei Google Shopping. 4,3 Milliarden Euro wegen illegaler Praktiken beim Android-Handy-Betriebssystem. Und zuletzt 1,5 Milliarden Euro wegen der missbräuchlichen Taktiken bei Online-Werbung. Bis heute wehrt sich der US-Konzern gegen die Bussen und die Auflagen der EU-Kommission.

Auch die Steuerschlupflöcher für Konzerne wie Apple in Irland und anderen EU-Ländern nahm die Wettbewerbskommissarin unter die Lupe. Sie kritisierte Irlands Sonderregelungen immer wieder: Die EU-Kommission schätzte, dass der iPhone-Hersteller 2014 für seine Gewinne nur 0,005 Prozent Unternehmenssteuer zahlte.

Der härteste Schlag von Wettbewerbskommissarin Vestager: 2016 forderte sie Irland auf, 13 Milliarden Euro an unzulässigen Steuervergünstigungen von Apple zurückzufordern. Mit ihrer ungebrochenen Haltung zur Wahrung eines freien Wettbewerbs in Europa eckte Margrethe Vestager allerdings nicht nur in den Vereinigten Staaten an. Auch in Europa waren ihre Entscheidungen nicht immer beliebt: Genauso wenig wie Irland über die Apple-Rückzahlung freute sich auch Luxemburg über eine Rückzahlung von Amazon in Höhe von 250 Millionen Euro, welche das Land der Online-Handelsplattform an Steuervorteilen gewährt hatte.

Zuletzt machte sich die EU-Kommissarin in Frankreich und Deutschland keine Freunde, als sie die Fusion der Zughersteller Alstom und Siemens stoppte. Die Entscheidung löste eine Diskussion über die europäische Wettbewerbspolitik in Zeiten zunehmender globaler Konkurrenz, vor allem aus China, aus. Der Vorwurf an ihre Adresse: Ihre harte Hand beim Durchsetzen von Wettbewerb würde das Entstehen europäischer Champions verhindern – zur Freude der Chinesen und Amerikaner. Doch die Wahrung eines fairen Wettbewerbs zugunsten der Konsumenten liegt der Dänin mehr am Herzen als nationale Interessen. Vestager hat alles, was eine gute Europäerin auszeichnet: Sie kämpft für das europäische Gemeinwohl.
 

Wolfgang Schäuble (76): Der Europa- Schweizer

Der deutsche Bundestagspräsident hat sich immer für die Schweiz eingesetzt, auch aus persönlicher Verbundenheit. Politische Erfahrung hat der promovierte Jurist und Wirtschaftswissenschafter wie kein anderer: Seit 47 Jahren ist Wolfgang Schäuble Mitglied des Bundestages, war Kanzleramts-, Innen- und Finanzminister, CDU-Parteichef und vieles mehr. Heute ist er der zweithöchste Mann im Staat: Präsident des Deutschen Bundestages, das Pendant zum Schweizer Nationalratspräsidenten. Ein Schwergewicht also.

Geboren in Freiburg in Breisgau, aufgewachsen in Hornberg, lebt er heute in Offenburg. Die Schweiz kennt er aus Kindertagen, vor allem Luzern: Als Kind war er oft bei seiner Tante in den Ferien. Schäuble ist verheiratet und hat vier Kinder. Zwei Tiefschläge musste er einstecken: 1990 wurde er von einem geistig Verwirrten angeschossen und sitzt seither im Rollstuhl. Was ihn ebenfalls hart traf: 1999 liess ihn sein Ziehvater Helmut Kohl bei der CDU-Spendenaffäre ins politische Messer laufen.

Schäuble ist hart in der Sache und zu sich selber, scharf in der Rhetorik, aber stets mit Anstand. Der Europa-Begeisterte sieht das Konstrukt EU durchaus kritisch:

Er plädiert für Reformen und mehr Demokratie. Er befürwortet den EU-Beitritt der Schweiz – aber erst dann, wenn sich die Menschen durch Brüssel wirklich vertreten fühlen.

Schäuble
Foto: Daniel Hofer / laif
Foto: Daniel Hofer / laif

Er hat Verständnis für die Vorbehalte der Schweiz, etwa beim Automatischen Informationsaustausch und beim Rahmenabkommen. Trotz der Differenzen: Die Schweiz habe immer verstanden, dass sie auf eine enge Partnerschaft mit der EU existenziell angewiesen sei, sagte er kürzlich zur «Bilanz».

Zuzana Čaputová (46): Liberale Hoffnung

Angela Merkel in Deutschland, Theresa May in Grossbritannien, Vigdís Finnbogadóttir in Island: Frauen konnten sich schon in einigen Ländern als Staatsoberhaupt etablieren – aber in einer Mehrzahl europäischer Nationen hat das immer noch Seltenheitswert. So etwa in der Slowakei, wo mit Zuzana Čaputová im Frühling 2019 erstmals eine Frau zur Präsidentin gewählt wurde.

In einer Zeit, da in vielen Ländern das Bekenntnis zur europäischen Idee schwindet oder zumindest nicht mehr zum politischen Grundtenor gehört, verkörpert Čaputová eine proeuropäische Haltung. Dies notabene in einem Land, das 2009 als erster ehemaliger Ostblockstaat den Euro einführte. 

Die Rechtsanwältin beschritt ihren politischen Weg als Teil einer Graswurzelbewegung: Čaputová engagierte sich in Bürgerinitiativen und mittels Gerichtsverfahren gegen eine Mülldeponie und erlangte so erste Bekanntheit. Für ihren erfolgreichen Einsatz erhielt sie 2016 den renommierten Goldman Environmental Prize. 

Als vor dreissig Jahren die Berliner Mauer fiel, war Čaputová 16 Jahre jung. Also alt genug, um das Wesen des Sozialismus noch selber erlebt zu haben. Heute steht die Politikerin, die vor wenigen Jahren kaum jemand kannte, als liberale und klar prowestliche Staatslenkerin an der Spitze ihres Landes. In ihrem Wahlkampf setzte sich Čaputová gegen Korruption und für einen politischen Wandel ein.

«Dem Bösen die Stirn bieten», war der Slogan ihrer Kampagne.

Was die gut fünfeinhalb Millionen Einwohner der Slowakei von ihrer neuen Präsidentin nun erwarten: dass die erste Frau an der Spitze Reformen in ein Land bringt, das in den letzten Jahren vom wirtschaftlichen Aufschwung geprägt war. Und auch gesellschaftspolitisch setzt sie liberale Akzente: So spricht sie sich für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, für ein Adoptionsrecht von Schwulen und Lesben sowie für erleichterte Bedingungen für Abtreibungen aus. Sie ist eine Politikerin, die in ganz Europa Hoffnungen weckt.
 

Caputova
Quelle: Insight media
Philippe Nantermod (35): Walliser Shootingstar

Am Westschweizer Radio parlierte er schon vor Jahren, als ob er nie etwas anderes als Politik gemacht hätte: Philippe Nantermod, FDP-Nationalrat aus dem Wallis. Der 35-Jährige ist wie sein Ziehvater Pascal Couchepin ein politisches Naturtalent: brilliant, schlagfertig, ambitioniert. Viele sehen ihn bereits im Bundesratszimmer, doch als Politiker weiss er, dass man dazu vor allem zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Bevor er den Sprung nach Bern schaffte, war er schon Kantonsrat und Co-Präsident der Jungfreisinnigen. Im Bundeshaus ist er eine starke Stimme. Er profilierte sich bei den Freisinnigen als engagierter Verfechter für die Bilateralen, zudem steht er für eine offene, freiheitliche Wirtschaft. So machte er sich via Motion für den Parallelimport von Medikamenten aus dem EU-Raum stark. Nantermod führt eine eigene Anwaltspraxis. An der Avenue de la Gare in Sion, dem Sitz der Etude d’avocat Philippe Nantermod, dürfte er in diesen Tagen nicht allzu häufig anzutreffen sein.

Nantermod will im Herbst Walliser Ständerat werden und kämpft dabei gegen Mathias Reynard, einem nicht weniger talentierten jungen Nationalrat aus der SP. Zudem ist er vor kurzem Papa geworden und fest entschlossen, sich die Haus- und Kinderarbeit mit seiner Ehefrau zu teilen.
 

Nantermod
Quelle: Béatrice Devènse / Lunax
Elisabeth Schneider-Schneiter (55): Frau mit Connections

Das Publikum mag scharfe Kanten, sie aber hält sich eisern an die Tugend des Kompromisses: Elisabeth Schneider-Schneiter, CVP-Nationalrätin aus dem Kanton Basel-Landschaft. Die Bauerntochter und Juristin aus Biel-Benken gehört in allen Abstimmungserhebungen zu den Politikern, die am ehesten mit der Mehrheit stimmen. Viele halten sie deshalb für profillos, doch ein Blick auf ihre politischen Positionen offenbart ein ganz anderes Bild: Sie ist für eine Erhöhung des Frauenrentenalters und eine vollständige Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Und als Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission, als Mitglied der Europaratsdelegation und als Vizepräsidentin der EPP im Europarat ist sie ein Schwergewicht. Schon früh mahnte sie das Fehlen einer ausformulierten Haltung zu China an. Risiken für die Schweiz sieht sie beim Aushandeln von neuen Steuerregeln für Grosskonzerne.

Schneiter
Foto: Lucia Hunziker
Foto: Lucia Hunziker

Schneider-Schneiter, die sowohl in Bern wie Brüssel kraftvoll agiert, hat Ziele: den bilateralen Weg mit der EU langfristig sichern, die Souveränität der Schweiz bewahren und eine wirkungsvolle, transparente Entwicklungszusammenarbeit erreichen. Ansonsten versteht sich die 55-jährige Familienfrau als Anwältin des Wirtschaftsstandorts Basel, insbesondere der Pharmaindustrie. Die Basler Handelskammer präsentiert sich unter ihrer Präsidentschaft agil. Zudem ist sie im Vorstand von Economiesuisse.