Das Phantom hat kein Lenkrad: Alles, was man über das Apple-Auto weiss

Das neuste Gerücht besagt: 2025 ist es so weit. Apple macht nun entschlossen vorwärts mit seinem Masterplan und bringt in spätestens vier Jahren ein eigenes Automobil auf den Markt. Es wird ein Elektrofahrzeug, das selber fahren kann. Und das kein Lenkrad und keine Pedale mehr hat. Dies jedenfalls verkündete «Bloomberg» in der letzten Woche, die Quelle: «people familiar with the matter». Wobei die Wirtschaftsagentur in einem Kommentar zur Meldung gleich einschränkte, dass die «Adrenalin-getränkte Timeline» von Apple vielleicht vor allem zur Motivierung der Entwicklungsteams dient. Und weniger als hartes Ziel. Von Sunnyvale bis Berlin Das Ding entsteht wohl irgendwo im Grossraum San Francisco. Manche vermuten es in Sunnyvale, einer Stadt zwischen Mountain View und Cupertino, also im Herzen des Silicon Valley. Dort jedenfalls hat der Apple-Konzern sieben Gebäude gemietet, und von den Ortsbehörden liess er sich den Betrieb einer Garage und einer Autowerkstatt bewilligen: So viel lässt sich festmachen. Aber vielleicht geschieht das Entscheidende ja auch weit entfernt, zum Beispiel in Berlin, Germany, und womöglich arbeitet dort ein Team von deutschen Autoprofis an einem revolutionären, vierrädrigen Apple. Auch solche Berichte gab es schon. Gerüchte, Berichte, Gerüchte. Das Apple-Auto ist das geheimste Industrieprojekt, von dem jeder schon etwas gehört hat; und inzwischen fragt sich manch einer, ob hier einfach der Mythos des Tech-Konzerns mit fantasievollem Geraune genährt werden soll. Seit fast zehn Jahren berichten Informanten, die stets anonym bleiben, dass Apple ein Auto auf den Markt bringen will. Und seit fast zehn Jahren verweigert der iPhone-Konzern jegliche Stellungnahme dazu. Sobald es um vier Räder geht, lächeln Tim Cook und Co. bloss sibyllinisch. Schon Steve Jobs, der legendäre Gründer, liebte das Spiel mit den Andeutungen. Unmittelbar vor seinem Tod im Oktober 2011 fragte ihn Dan Rose, ein Mitgründer von Facebook, nach Apples strategischen Ideen. Der Konzern habe geprüft, ein Fernsehgerät zu entwickeln, aber das Projekt dann verworfen, antwortete Jobs. «Dann zwinkerte er uns zu und sagte: ’Apple könnte ein wirklich grossartiges Auto bauen.’» Heute kennt man immerhin den internen Namen des Projekts: «Titan». Man erfährt die Namen von einzelnen Leuten, die dafür angeworben werden: Sie kommen von Ford, Porsche, BMW oder aus den eigenen Werkstätten. Der aktuelle Projektleiter heisst Kevin Lynch und leitete zuvor die Software-Entwicklung für die Apple Watch; und so nährte seine – offiziell natürlich nie erwähnte – Ernennung im September die Spekulation, dass das geplante Auto wohl mit Digital- und Self-Driving-Qualitäten punkten solle – weniger mit Mechanik und Motorenleistung. Aber dies war ohnehin schon die vorherrschende These, seit Apple 2016 das Team für Auto-Hardware kaltgestellt hatte (so ein weiteres Gerücht). Bekanntlich beherrschen es die Kalifornier ja bestens, die Fabrikation ihrer Geräte effizient auszulagern. Und so sickern auch immer wieder mal Andeutungen aus Geheimverhandlungen mit möglichen Herstellern durch. Nachdem das Projekt «Titan» irgendwann 2014 vom Board abgesegnet worden war, reiste Konzernchef Tim Cook beispielsweise nach Sindelfingen für Gespräche mit Daimler. Der Besuch im Herbst 2015 führte nicht weiter, denn die Mercedes-Manager wollten mehr als nur die zweite Geige spielen und befanden, dass die Amerikaner viel zu gross dächten: Sie wollten kein Auto, sondern irgendeine Revolution auf vier Rädern. Dies jedenfalls meldeten damals deutsche Medien (etwa hier, hier und hier). Vom iBook zum iCar Und es wirkte auch ganz plausibel, denn hier blitzte doch auch die Attitüde auf, welche Apple zum Vorbildkonzern gemacht hat. Sie besagt: Wir gehen in einen Markt, um dort mit eigener Technologie völlig neuartige Anwendungen zu schaffen – und so den ganzen Sektor schlagartig zu vergrössern. So war es beim ersten Macintosh gewesen, so war es beim iBook, beim iPod, beim iPhone, beim App Store und zuletzt bei der Apple Watch. Schwer vorstellbar, dass es bei einem iCar anders sein könnte. «Sie werden den Markt vergrössern», prognostizierte denn auch Elon Musk in jener Phase. Und trocken fügte der Tesla-Gründer in jenem BBC-Interview hinzu: «Es ist ziemlich schwierig, etwas zu verstecken, wenn du dafür über tausend Ingenieure holst.» Laut den stetig eintrudelnden Andeutungen von «people familiar with the matter» wurde ab 2016 als Herstellungs-Partner so ziemlich alles geprüft, was Rang und Namen hat im Autobau: BMW, Nissan, Volkswagen, Toyota oder auch der Autoteile-Hersteller Magna International. Für die Batterie: BYD und Catl aus China. Als denkbarer Auftrags-Fertiger kursierte auch schon Foxconn, also der taiwanesische Tech-Konzern, der ohnehin die meisten Apple-Geräte zusammenschraubt. Foxconn begann übrigens inzwischen selber damit, E-Auto-Prototypen zu entwickeln. «Ich vermute eher, dass Tesla am Ende verschwindet»: Automarkt-Stratege Helmut Becker über die Chancen von Apple Cars und Roboter-Fahrzeugen – und die zweifelhaften Aussichten für alle Elektroautos. Sehr weit kamen die Verhandlungen offenbar mit Hyundai – so weit, dass die Manager des koreanischen Motoren-Multis im vergangenen Januar den Medien recht präzise Informationshappen zuwarfen: Ankündigung im März 2021, Prototyp bis 2022, Produktionsstart 2024, jährliche Stückzahl 400’000. Herstellungsort: die Hyundai-Kia-Fabrik in West Point, Georgia, USA. Aus der versprochenen Ankündigung wurde dann nichts – wonach manch einer vermutete, dass die Indiskretionen aus Seoul den Abbruch der Übung provoziert hatten. Echos in der Supply Chain Doch Apple blieb dran. Im Mai dieses Jahres verriet der Innovations-Direktor Deutschland des Beratungskonzerns Capgemini, dass die Kalifornier deutlich spürbar seien in der Szene. «Wir hören genügend Echos in der Supply Chain, um zu wissen, dass Apple wirklich in jedes Detail des Auto-Engineering und der Autoherstellung hineingeht», so Peter Fintl damals im «Wall Street Journal». «Aber niemand weiss, ob Apple am Ende ein Auto oder eine Technologie-Plattform oder einen Mobility-Dienst aufbaut.» Mit anderen Worten: Die Leute in Cupertino könnten am Ende immer noch darauf verzichten, ein eigenes Marken-Fahrzeug herauszubringen; sie könnten vielmehr versuchen, ihr Spezial-Know-how breitflächig an ausgesuchte Autokonzerne zu verkaufen. Doch passt dies zu Apple? Es gibt eine weitere Quelle für firmeninterne Geheimpläne: Patenteingaben. Und die deuten in eine andere Richtung. Denn diverse Anträge auf Patentschutz machen eigentlich nur Sinn, wenn der Antragsteller am Ende doch ein eigenes Gefährt mit Apfel-Logo bauen will. Apple erbat beim zuständigen Amt der USA unter anderem das Schutzrecht für: ein Lichtsystem, das diverse Warnungen an den Gegenverkehr aussendet; Airbags, die Passagiere schützen, wenn sie nicht in der üblichen Anordnung sitzen (was bereits die Vermutung genährt hat, dass vielleicht ein E-Bus lanciert wird); Hecktüren, durch die man von hinten einsteigen kann; schräge Türen mit Fenstern, die sich beim hoch- und runterkurbeln anpassen; luftgefüllte Kissen, mit denen die Stossfänger aus- und eingefahren werden können (was sicher viele Menschen beim Parkieren ganz nützlich fänden); ein System, mit dem das Fahrzeug per Stimme ankündigt, was es als Nächstes tun wird; ein Ladesystem für ein Elektroauto, bei dem man nicht aussteigen muss; eine Methode, mit der man sein Auto per Code aktivieren kann; ein Raumklima-Kontroll-System fürs Auto, das auch Gesundheitsdaten der Passagiere berücksichtigt. Und so entstehen vage Bilder eines High-Tech-Geräts, das in der Länge flexibel eingestellt werden kann; dessen Sitze unkonventionell angeordnet sind; und das ziemlich sicher in der Lage sein wird, autonom zu fahren (wobei es netterweise ankündigt, wenn es abzubiegen gedenkt). Derartige Bilder passen auch ganz gut zu den Stückzahlen, welche bei Hyundai heraussickerten, denn die besagen: Wenn dieses Auto kommt, dann wird es ein High-End-Produkt. Alles andere würde aber auch schlecht zum Stil des Hauses Apple passen. Dass der Konzern mit Selbstfahrsystemen experimentiert, ist das offenste Geheimnis in diesem Versteckspiel. Im Juni 2017 hatte Konzernchef Tim Cook in einem «Bloomberg»-Interview bestätigt, dass man an Systemen fürs autonome Fahren tüftle. Danach wurden auf kalifornischen Strassen immer wieder mal irgendwelche kamera- und sensoren-bestückten Testfahrzeuge abgelichtet, deren Autonummer sie als Besitz der Firma Apple auswies. Knapp 70 solcher Gefährte hat das Unternehmen bei den zuständigen Behörden angemeldet, oft Modelle der Marke Lexus. Allerdings muss das noch nicht viel besagen, denn laut Tim Cook geht es hier nicht um die Auto-Produktion: Sondern es geht ums Grundsätzliche. Autonome Leitsysteme seien schlicht ein Kernthema der künstlichen Intelligenz. «Wir sehen das irgendwie als Mutter aller AI-Projekte.» Als «Bloomberg» in der letzten Woche dann wieder einmal den Apple Car ankündigte, war die Reaktion an der Börse eindeutig: Die Aktie zog nach oben und erreichte ein Rekordhoch. Womit Apple Inc. wieder einmal Microsoft als wertvollstes Unternehmen der Erde ablösen konnte. Und dies heisst: Sehr viele Anleger setzen darauf, dass der Konzern hier ein bahnbrechendes Produkt auf die Strasse stellen kann – wie zuletzt geschehen 2015 im Uhrenmarkt. Und sie trauen es Apple voll und ganz zu, auch dem Milliardenmarkt der E-Automobile in absehbarer Zeit einen grossen Stempel aufzudrücken. Im Mai 2015 schrieb der Milliardär und Apple-Grossaktionär Carl Icahn einen offenen Brief an Konzernchef Cook: «Dear Tim», so sein dringender Rat, «es scheint logisch, dass Apple das Automobil als das ultimative Mobilgerät betrachten sollte.» Einen stetig aktualisierten Stand der Informationen und Gerüchte zum Apple Car bietet die Plattform «MacRumours» hier: «Apple's car project: Everything we know».