Wie Airbus auf Wasserstoff und SAF umsteigen will

Airbus forscht in mehreren Bereichen an einer grünen Zukunft des Fliegens. Welche sind dies? Nicole Dreyer-Langlet: Wir untersuchen aktuell verschiedene Antriebsformen auf Basis von Wasserstoff. Das umfasst eine klassische Propulsion, also eine Verbrennung von Wasserstoff in Triebwerken, aber auch Antriebe auf Basis einer Brennstoffzelle. Nicole Dreyer-Langlet ist Vizepräsidentin Forschung & Technologie bei Airbus. Sie arbeitet seit knapp zwanzig Jahren für den europäischen Flugzeug-Konzern. Die studierte Wirtschaftsingenieurin ist unter anderem auch Mitglied des Aufsichtsrates des ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtsforschung. Das Projekt heisst Airbus ZEROe, mit dem Ziel ein emissionsfreies Passagierflugzeug zu bauen, das 2035 in Betrieb gehen soll. Wie ist der Stand der Dinge? Aktuell sind wir dabei, die einzelnen Technologiebausteine zu entwickeln. Dazu gehören unter anderem die genannte Brennstoffzelle und der Tank. In den nächsten drei bis vier Jahren werden wir uns noch auf die Bausteine konzentrieren um dann zu entscheiden, welches Konzept wir umsetzen wollen, wie der Flieger aussehen soll. Auf den Konzeptbildern ist eines der Flugzeuge als Nurflügler konzipiert. Was sind die Hintergründe dieses Designs? So ein Blended-Wing-Body ist aus Effizienzgründen sehr interessant. Andererseits gibt es auch sehr grosse Hürden. Es geht hier um die Zertifizierung eines komplett neuen Flugzeugmodells, entsprechend sehen wir uns auch traditionellere Alternativen an. Ist die Zertifizierung allgemein eine grosse Herausforderung? Absolut. Immer wenn es um Neuentwicklungen geht, ist das eine wichtige technische Hürde, die genommen werden muss, und sich auch auf der Zeitschiene auswirkt. Für die Entwicklung und Zertifizierung eines neuen Flugzeugs muss man viel Zeit einplanen, deshalb kommen wir auf 2035 für die geplante Markteinführung. Müssen für die Wasserstoff-Flugzeuge Anpassungen bei den Flughäfen vorgenommen werden? Wasserstoff ist ein neues Medium, was an den Flughäfen vorhanden sein muss. Bei Airbus konzentrieren wir uns stark auf die Technik, die Entwicklung des Flugzeugs selber; aber es ist klar, dass die Infrastrukturentwicklung jetzt Geschwindigkeit gewinnen muss, damit dann auch tatsächlich die entsprechende Infrastruktur zur Betankung weltweit vorhanden ist. Die Umstellung auf Wasserstoff im Luftverkehr müsste weltweit und gleichzeitig geschehen? Ganz genau, wir sprechen hier über die kommerzielle Luftfahrt und die Airlines fliegen natürlich auf der ganzen Welt, das heisst, diese Infrastruktur wird weltweit vorhanden sein müssen. Was uns da zupass kommt, ist die Sektorkopplung, die man gerade sehr gut beobachten kann. Nicht nur die Luftfahrt steigt auf Wasserstoff um. Auch die Schifffahrt oder die Stahlindustrie haben grosses Interesse an Wasserstoff. Wie sieht es mit der Leistung der neuen Flieger aus, werden die Flugzeuge nur wenige Passagiere auf kurzen Strecken transportieren können? Grundsätzlich ist der Wasserstoff ein anspruchsvolles Medium und hat ein paar Spezifika, zum Beispiel das Volumen. Flüssigwasserstoff, von dem wir hier sprechen, hat ein etwa vierfaches Volumen gegenüber Kerosin und ist damit sehr anspruchsvoll, was den Tank angeht. Dieser wird grösser sein müssen als bisher und sich so auch auf die Passagierkapazitäten auswirken. Das bedeutet auch, dass wir aufgrund des Tanks das Segment der Kurz- und Mittelstrecken ansprechen werden. Wie gross wird der Wasserstoff-Flieger? Für ein Langstreckenflugzeug wie die A350 wird ein Wasserstofftank eine sehr grosse Herausforderung sein. Wir sprechen hier eher vom Segment der A320-Familie, also kleineren Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen, wobei wir uns heute noch nicht auf Passagierzahlen festlegen. Für grössere Flugzeuge braucht es andere Lösungen. Genau. In diesem Zusammenhang ist das Thema SAF, nachhaltige Treibstoffe, wichtig. Sustainable Aviation Fuel ist kurzfristig verfügbar und wird schon lange vor 2035 – was als Timeline für Wasserstoff ohnehin relativ sportlich ist – grosse Emissionseinsparungen ermöglichen. Synthetische Treibstoffe gibt es seit vielen Jahren und heute können alle Airbus-Flugzeuge ohne technische Anpassungen mit bis zu 50 Prozent SAF betankt werden. Das passiert zum Beispiel mit unserem Transportflugzeug Beluga, aber auch die zivile Luftfahrt kann heute schon problemlos damit fliegen. Wie sieht es mit der Verfügbarkeit aus? Das ist die grosse Herausforderung, die Produktionskapazitäten von SAF sind heute noch sehr begrenzt. Diese müssen schnell aufgebaut werden und dafür braucht es auch die Unterstützung von Regierungen. Es geht um sehr grosse Investitionen. SAF ist sehr teuer und wird in geringen Mengen hergestellt. Warum? Es ist immer die Frage der Skalierbarkeit. So müssen die Produktionskapazitäten erhöht werden, aber auch bezüglich der Wirtschaftlichkeit muss einiges getan werden. Es ist heute wie gesagt noch nicht möglich, in grossen Volumina SAF herzustellen. Wir und andere Anbieter arbeiten dran und wenn man das hochscalen kann, wirkt sich das auch auf den Preis aus. Können SAF innert nützlicher Frist Kerosin vollständig ersetzen? Wir erproben im Moment, was 100 Prozent SAF bei einer A350 bedeutet. Was sind die technischen Herausforderungen? Gibt es Anpassungen, die notwendig sind? SAF hat etwas andere Eigenschaften als Kerosin. Dies muss beispielsweise mit Blick auf Dichtungen und weitere Systeme genau analysiert und entsprechend zertifiziert werden. Und wenn man mit 100 Prozent SAF fliegt, heisst das nicht, dass man emissionsfrei ist. Das ist richtig, aber der CO2-Ausstoss ist sehr erheblich reduziert, im Bereich von 70 bis 80 Prozent geringere Emissionen. Auf der Langstrecke sind in den nächsten Jahren kaum Durchbrüche zu erwarten. Wie ist die Strategie in diesem Bereich, der einen Grossteil der Emissionen verursacht? Definitiv SAF, sowohl weil es kurzfristig verfügbar ist, aber auch wegen der Problematik mit den Tanks, die ich vorher ansprach. Unsere Strategie umfasst Wasserstoff auf der einen Seite, aber ergänzt mit SAF. Gibt es auch weiter in die Zukunft schauende Konzepte, wie ein Langstreckenflugzeug aussehen könnte, das emissionsfrei oder mit Wasserstoff fliegt? Das wird man basierend auf den Erfahrungen entwickeln, wie wir es in der Vergangenheit auch immer gemacht haben. Innovationen sollen aufeinander aufbauen. Aber das liegt tatsächlich noch sehr weit in der Zukunft. Ist die Umstellung auf SAF und Wasserstoff global möglich? SAF können normal getankt und beispielsweise sogar aus alten Fetten generiert werden. Da gibt es keine lokale Begrenzung. Beim Wasserstoff muss die Infrastruktur aufgebaut werden. Dazu braucht es Initiativen wie zum Beispiel in Hamburg, wo eine Kooperation zwischen dem Energieerzeuger Vattenfall und Anwendern wie uns und der Stahlindustrie zur Wasserstofferzeugung lanciert wurde. Ich gehe davon aus, dass sich die Technologie danach schnell verbreiten wird. Wird nicht die Elektrizität knapp, wenn Autos, Schifffahrt, Luftfahrt und Industrie elektrifiziert werden? Wir wollen den Wasserstoff grün erzeugen. Es gibt viel Potenzial. Hier in Nordeuropa ist es vor allem die Windkraft, die oft auch gerade in der Nähe von Flughäfen genutzt werden kann. In anderen Regionen wird es eher Solarenergie sein, ich denke hier an Südamerika, Nordafrika, arabische Länder – überall da, wo die Sonne oft scheint. Man wird weltweit schauen müssen. Aber kürzlich wurden uns Untersuchungen vorgelegt, die zeigen, dass die Versorgung möglich und realistisch ist.

Wie Airbus auf Wasserstoff und SAF umsteigen will

«Diese Infrastruktur muss weltweit vorhanden sein»