Tesla versus VW: UBS-Experte Patrick Hummel sagt, wer vorne liegt

Herr Hummel, Sie verfolgen für die UBS den E-Automarkt. Laut Ihrer neuen Studie wird VW nächstes Jahr gleich viele E-Autos verkaufen wie Tesla. Wie kommen Sie darauf? Die Pipeline neuer Elektroautos ist bei VW besser gefüllt als bei allen anderen Autoherstellern. Schon dieses Jahr wird VW über 600'000 Elektroautos verkaufen, nach über 200'000 letztes Jahr. 2022 wird dann die Millionenmarke überschritten. Tesla wird dieses Jahr auf rund 840'000 Elektroautos kommen und sollte nächstes Jahr auch über die Millionen-Grenze gehen. Beide Firmen werden mehr als eine Million Elektrofahrzeuge verkaufen – damit liegt VW auf Augenhöhe mit Tesla. Wo sehen Sie die Stärken von Tesla? Tesla ist der Technologietreiber für die ganze Industrie. Durch die vertikale Integration bei den Batterien und des Antriebsstrangs besitzt das Unternehmen ein technologisches Know-how, das die Fähigkeiten aller anderer Hersteller übertrifft. Auch in der IT sind sie der Konkurrenz voraus, sowohl in der Hard- wie auch der Software. Und welches sind die Trümpfe von VW? VW hat die höchste Skalierbarkeit in der Autoindustrie, der Konzern ist der grösste Autohersteller weltweit neben Toyota. VW ist bei der Elektrifizierung zudem der «Early Mover» unter den «Legacy-Herstellern», also den herkömmlichen Autokonzernen. Als «Early Mover», der über diese Skaleneffekte verfügt, kann VW die E-Auto-Verkäufe sehr rasch steigern und dabei sehr profitabel arbeiten. Sie ziehen einen Vergleich zum Tech-Sektor und nennen VW das «Samsung» der Autoindustrie. Welche Parallelen sehen Sie zwischen VW und dem Handyhersteller? VW hat das Potential, das Samsung der Elektroautos zu werden. Also ein Hersteller mit globaler Reichweite, grossen Stückzahlen und hoher Profitabilität. Offen bleibt die Frage, ob VW in der Lage ist, in der Software mit den führenden Herstellern aufzuschliessen. Hier ist natürlich Tesla der Massstab. VW investiert zwar mehr in die Digitalisierung als alle anderen Autohersteller – 27 Milliarden Euro über die nächsten fünf Jahre. Geld alleine ist aber natürlich kein Erfolgsgarant. Tesla ist in Ihrer Prognose auf dem Weg, einer der profitabelsten Softwarekonzerne der Welt zu werden. Sie begründen diese Aussage vor allem mit den Chancen des autonomen Fahrens. Werden selbstfahrende Fahrzeuge wirklich zu einem so grossen Geschäft? Tesla schafft es, mit einem Produkt Geld zu verdienen, ohne dass es schon fertig entwickelt ist. Wer heute als Kunde von Tesla das komplette Paket für das autonome Fahren kauft – dem «Full Self-Driving» (FSD) – erwirbt ein Versprechen für die Zukunft. Das Versprechen, dass der Wagen durch Updates zum voll selbständig fahrenden Auto wird. Tesla hat die Möglichkeit, diese Technologie schneller zu skalieren als alle anderen Hersteller. Sie bauen die Hardware für voll autonomes Fahren schon heute in alle Fahrzeuge ein – die Rechenpower und die Sensorik ist also schon vorhanden. Bis autonomes Fahren von Regulatoren voll anerkannt ist, wird es jedoch noch Jahre dauern. Dennoch sind immer mehr Tesla-Besitzer bereit, bereits heute dafür zu zahlen. 2025 wird Tesla schon jeden zweiten Dollar operativen Gewinn mit Software erwirtschaften. Die Bewertung von Tesla nimmt das alles schon vorweg, und noch mehr. Sie denken dabei an Roboter-Taxis, die Ende des Jahrzehnts Realität werden könnten. Das voll autonome Fahren führt für Tesla zum Geschäftsmodell, eine Robo-Taxi-Plattform zu betreiben. Ein solches Modell wäre durch Software getrieben. Die Fahrzeuge könnten Flotten-Betreibern gehören. Sie wären aber mit der Plattform von Tesla verbunden. Tesla würde an jedem Kilometer verdienen, den diese Robo-Taxis zurücklegen.Mehr zum Thema Wo in der Schweiz die meisten Elektroautos fahren Was es für den Siegeszug der E-Autos noch braucht Wann die Benzinautos zu Oldtimern werden Das müssen Sie vor dem E-Auto-Kauf wissen E-Autos zu Hause aufladen – was es dafür braucht Wir sprechen hier von einem Geschäft mit hohen Margen. Wenn Tesla die Flotten nicht besitzt, und sich ausschliesslich auf den Betrieb der Softwareplattform fokussiert, kann das ein sehr profitables Geschäft sein. Tesla würde nicht nur mit seinen Kunden Geld verdienen, sondern auch mit den Taxi-Passagieren in den Grossstädten dieser Welt. Die Verdienstmöglichkeiten wären also viel grösser. Diese Erwartung ist zum Teil im heutigen Aktienkurs von Tesla schon enthalten. Nur mit Blick auf die Fahrzeugverkäufe lässt sich die Bewertung von Tesla nicht rechtfertigen. Die Bewertung von Tesla enthält mit anderen Worten viel Phantasie. Teslas aktueller Börsenwert lässt sich nur mit einer Welt voll autonom fahrender Autos erklären – und nicht durch die Ziele, die Tesla in den nächsten zwei, drei Jahren erreichen wird. Mit anderen Worten: Dass Tesla vielleicht im Jahr 2030 ähnlich viele Autos verkauft wie VW heute, ist nicht Grund genug für die heutige Bewertung. Wie viel Elon Musk steckt im Kurs von Tesla? Anders gefragt: Wie stark profitiert die Aktie von der Leuchtkraft des charismatischen Gründers? Hinter diese Frage lässt sich kein Dollar-Betrag schreiben. Aber im Unternehmen hängt viel von Elon Musk ab, dies ist klar. Der Markt erwartet, dass Elon Musk noch lange die Geschicke des Unternehmens führt. Es besteht ein klassisches «Key-Man-Risk». Obwohl Tesla sehr viele gute und starke Manager in der zweiten Ebene hat, bleibt es stark auf Elon Musk konzentriert. Um eine weitere Analogie mit dem Tech-Sektor zu verwenden: Dann ist zu hoffen, dass auf den «Steve Jobs» Elon Musk ein Manager wie Tim Cook folgt, dem aktuellen Apple-Chef… Noch ist nicht klar, wer dieser Tim Cook sein soll. Die Börse geht davon aus, dass Musk den Job noch einige Jahre macht und nicht in die erste Rakete zum Mars steigt. Welche Erwartung ist im Kurs von VW enthalten? VW ist viel weiter davon entfernt, mit Software Geld zu verdienen als Tesla. Dies ist aber auch nicht im Aktienkurs berücksichtigt. Hohe Einkünfte mit Software ist für VW eine langfristige Option. Wer die VW-Aktie kauft, erhält das als Zugabe. Die Story von VW in den nächsten Jahren ist sehr klar. VW wird innerhalb sehr kurzer Zeit zu einem der zwei weltgrössten Elektroautohersteller – und wird dadurch in der Lage sein, Marktanteile zu gewinnen und höhere Gewinne einzufahren. VWs neues Modell ID3 ist der Auftakt einer ganzen Serie von Modellen, die in den nächsten zwölf bis 24 Monaten auf den Markt kommen. Sie dürften auf sehr hohe Nachfrage stossen. VW ist an der Börse viel zu niedrig bewertet angesichts der Elektroauto-Story, die das Unternehmen derzeit schreibt. Wie wird der E-Auto-Markt in einigen Jahren aussehen? 2025 dürften Elektroautos in unserer Erwartung schon 20 Prozent des Weltmarkts ausmachen. Bis 2030 solle der Anteil auf 50 Prozent steigen. In den folgenden Jahren wird der Auto-Sektor vollständig auf Elektroautos umstellen. Elektroautos werden auch ohne Subventionen bis 2025 voll wettbewerbsfähig. Kommt hinzu, dass die Autohersteller ihre Investitionen auf Elektroautos konzentrieren. Mitte der 2025-Jahre werden voraussichtlich die letzten neuen Autos mit Verbrennungsmotor lanciert. Anschliessend werden Verbrenner-Autos noch so lange wie möglich als «Cash-Cows» im Angebot behalten. Das Ende des Zeitalters der Verbrenner ist aber absehbar. Der Wandel wird nicht linear erfolgen, sondern wird einer steilen Kurve gleichen. Welche Hersteller werden von diesem Wandel am stärksten profitieren? Unten den grossen globalen Herstellern sind es nach unserer Prognose VW, Hyundai und General Motors. Alle drei stechen durch ihre aggressive Elektromobilitäts-Strategie hervor. Chinesischen Herstellern wird es voraussichtlich gelingen, Marktanteile zu gewinnen. Aber kurzfristig werden diese chinesischen Anbieter keine grossen globalen Erfolge einfahren. Dieser Text wurde das erste Mal am 31. März 2021 publiziert.

Tesla versus VW: UBS-Experte Patrick Hummel sagt, wer vorne liegt

«VW hat das Potential, das Samsung der Elektroautos zu werden»