ABB-Chef Björn Rosengren: «Börsengang kommt Ende 2023 oder 2024»

Der ABB-Konzern brummt, mit der E-Mobilität ist die Firma voll im Trend. Zufrieden? Wir sind sehr zufrieden mit unserer Entwicklung und etwas stolz, weil wir das Performance-Ziel für die Gruppe, das wir für 2023 angestrebt haben, bereits 2022 erreichten. Aber wie ist es doch im Leben: Je mehr man erreicht, desto höher werden die Ambitionen. Aber der Aktienmarkt widerspiegelt die tollen Resultate nicht. Weshalb? Das sehe ich nicht so. Der Wert der Firma hat sich letztes Jahr besser entwickelt als vieler unserer Konkurrenten. Und wir haben in der Vergangenheit mehr geliefert, als von uns erwartet wurde. Die Investoren können selber daraus ihre Schlüsse ziehen. Die Björn-Rosengren-Story geht so: 4 bis 5 Jahre Chef eines Konzerns und in dieser Zeit eine Verdoppelung des Aktienkurses – dann das nächste Abenteuer. Bei ABB ist es bislang ein Plus von 60 Prozent. Da gibts noch etwas Raum für Verbesserung. Meine Aufgabe ist es, die Resultate der Firma zu erklären, nicht den Aktienpreis. Wir haben den Umsatz 2022 um 12 Prozent gesteigert, das lag über der Erwartung, wir haben die Profitmarge um 110 Basispunkte gesteigert, was will man da mehr erwarten. Ich erkläre meinen Leuten: Wir konzentrieren uns darauf, gute Resultate zu liefern. Den Aktienpreis bestimmen andere. Deshalb strengen wir uns an, 2023 wieder zu liefern.Der Industrielle Der Schwede Björn Rosengren ist ein erprobter Industrieveteran. Er leitete den schwedischen Maschinenkonzern Sandvik, den finnischen Motorenhersteller Wärtsilä, den dänischen Industriekoloss Danfoss und war Vizepräsident beim schwedischen Minenausrüster Atlas Copco. Sein Erfolgsausweis: Er blieb jeweils fünf Jahre und verdoppelte den Wert der Firmen. Seit 2020 ist er Chef von ABB, des grössten Schweizer Industriekonzerns mit über 100’000 Mitarbeitenden. Grossaktionär bei ABB ist der Wallenberg-Clan. Jacob Wallenberg ist Vizepräsident des Verwaltungsrats, Präsident ist Peter Voser, langjähriger Chef von Royal Dutch Shell und früher Finanzchef von ABB. Sie sind bekannt für ein aktives Portfolio-Management: Kaufen, verkaufen. Geht das 2023 weiter? Wir sind bezüglich Verkäufen ziemlich durch, letztlich müssen wir noch den Verkauf des Power-Conversion-Geschäfts definitiv abschliessen, das wird im zweiten Halbjahr der Fall sein. Dann entspricht unser Portfolio weitgehend unserem Firmenzweck, zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Wirtschaft beizutragen. Sie haben unlängst gesagt, ABB habe eine volle Pipeline. Das heisst, Sie wollen zukaufen? Letztes Jahr haben wir sechs Zukäufe gemacht, für 2023 gehe ich von fünf bis zehn kleinen bis mittleren Zukäufen aus. Das ist jedenfalls unser Ziel. Unsere Akquisitionsmaschine ist gut geölt und läuft rund. Und es kommen immer mehr mögliche Kaufkandidaten auf die Liste und diese evaluieren wir. Wo? In allen Kernbereichen wie Antriebstechnik, Automation oder auch in der Elektrifizierung gibt es interessante Objekte. Sie haben Porsche, General Atlantic und GIC, den Staatsfonds von Singapur, als Investoren bei E-Mobility an Bord geholt, zuvor Interogo und Eva Bucher-Haefner. Kommen noch weitere Investoren dazu? Nein, wir haben jetzt sechs Investors an Bord. Das ist genug. Jetzt konzentrieren wir uns aufs Wachstum und wenn die Zeit reif ist, machen wir den Börsengang von E-Mobility. Haben Sie diese Investoren überhaupt aktiv gesucht? Ja, unsere mandatierten Banken haben aktiv Marketing betrieben, aber gleichzeitig haben sich diverse Investoren bei uns gemeldet, die Interesse an einer Beteiligung hatten. Mit ein paar Ausgewählten haben wir dann gesprochen. Wichtig war, dass diese Firmen und Investoren langfristig orientiert und von Nachhaltigkeit getrieben sind. Das sind alles gute Partner, die zu uns passen. Und wann soll der Börsengang nun stattfinden: 2023 oder 2024? Das kann Ende dieses Jahres sein oder dann 2024. Sie könnten eine weitere Privatplatzierung anstreben und dann auf ein IPO und damit auf all die Reportings verzichten. Wir werden Mehrheitsaktionär bleiben, aber wir sind überzeugt, dass die Firma bezüglich Governance in einer anderen Art geführt werden soll. Deshalb werden wir nun E-Mobility aus dem Geschäftsbereich Elektrifizierung herauslösen. So sieht man besser, wie sich das Geschäft entwickelt. Das schafft Transparenz. Sie behalten die Mehrheit: 60 Prozent oder nur 51 Prozent? Wir behalten eine Mehrheit, aber wie gross die sein wird, werden wir noch bestimmen. Das hängt auch vom Kapital ab, das wir benötigen, um das Geschäft voranzutreiben. Mit den Privatplatzierungen hat E-Mobility ungefähr 525 Millionen Franken eingenommen, daraus ergibt sich ein Wert für E-Mobility von rund 2,6 Milliarden. Zufrieden? Das würde ich sagen. ABB ist an der Börse mit zweimal dem Umsatz bewertet, bei E-Mobility ist es Faktor 4 bis 5. Der Umsatz beträgt rund 550 Millionen Dollar und steigt weiter schnell. Das ist auch unsere Absicht. ABB will in den USA investieren, wegen der Inflation Reduction Act (IRA) von Joe Biden. Sie profitieren auch? Wir wollen dort produzieren, wo wir verkaufen, also lokal. Da sind wir in Europa bei knapp 100 Prozent, in den USA bei rund 85 Prozent. Also macht es Sinn, wenn wir im wichtigsten Markt USA investieren. Ich bin überzeugt, der IRA wird für viele Unternehmen mehr Investitionen in den USA auslösen. Was heisst das für ABB – auf 100 Prozent? Wir wollen von 85 auf 90 Prozent steigen. Richtig ist, dass wir mit dem IRA unterstützt werden, wenn wir vor Ort nachhaltige Produkte produzieren. Für Europa ist das eine schlechte Nachricht. Für Europa vielleicht, aber für uns ist es eine gute. Wir erwarten aber, dass Europa mit einer Gegenoffensive die USA kontern wird. Es freut uns, wenn Regierungen grüne Investitionen honorieren. Das entspricht unserem Firmenzweck. Sie positionieren ABB als 15-Prozent-Firma, also 15 Prozent Gewinnmarge. Jetzt liegen Sie bereits drüber. Das ist richtig, aber wir wollen jetzt zuerst die 15 Prozent stabilisieren und müssen zeigen, dass wir konsistent sind. Bis Ende November, wenn wir unseren Capital Market Day abhalten, werden wir uns überlegen, ob wir unsere Ziele anpassen. ABB – eine 20-Prozent-Firma? Dafür ist es noch zu früh. Sie werden im Frühling nächsten Jahres 65 Jahre alt. Das ist in der Schweiz das Pensionierungsalter. Ist das so? (lacht) Ich hatte unlängst ein Interview mit CNBC und der Moderator sagt mir: Björn, nicht nervös werden, 60 ist das neue 40. Damit hat er eine Sondernote in meinem Notizbuch verdient. Im Frühling 2024 sind Sie vier Jahre bei ABB. Zeit zum Aufhören? Als ich anfing, habe ich mich gegenüber dem Verwaltungsrat verpflichtet, mindestens fünf Jahre zu bleiben. Das wäre 2025. Niemand im Verwaltungsrat hat mir bislang gesagt, es sei langsam genug (lacht). Glauben Sie mir: Ich liebe die Firma, wir haben eine sehr gute Zeit, ich geniesse jeden Tag. Sie haben mit Nora Teuwsen eine neue ABB-Chefin in der Schweiz bestimmt. Sie ist Juristin, keine Industrielle. Muss Nora Teuwsen auch nicht sein. Sie ist Country Holding Officer der Schweiz. Also ABB-Chefin in der Schweiz? Ich weiss: Die Schweiz ist ein spezielles Land wegen unserer Herkunft, aber es ist nicht so speziell, dass wir in der Organisation von ABB die Schweiz als einziges Land als unabhängige Länderorganisation führen. Wir haben den Konzern in vier Geschäftsbereiche eingeteilt, die Country Holding Officers der Länder sind oberste Rechtsvertreter des Landes. Sie haben unlängst die Goldküste am Zürichsee verlassen und zügelten an die Pfnüselküste. Aus steuerlichen Gründen? Nein, mein Vermieter kündigte die Wohnung, daraufhin haben wir etwas Neues gesucht. Und das Schöne für mich als Train-Boy: Ich kann, wie früher, direkt mit der S-Bahn nach Oerlikon fahren.