Die Achterbahnfahrt rund um das vielleicht erste Alzheimer-Medikament geht weiter. Das US-Unternehmen Biogen wird nun erst im Herbst einen Zulassungsantrag für den Wirkstoff Aducunamb einreichen – und nicht, wie ursprünglich geplant, in den ersten Monaten des Jahres.

Es wäre das erste Alzheimer-Medikament auf dem Markt, das nicht die Symptome bekämpft, sondern den Krankheitsverlauf beeinflussen kann.

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Das Unternehmen hatte im vergangenen Herbst in einer spektakulären Kehrtwende entschieden, doch eine Zulassung für den Wirkstoff zu beantragen – nachdem es zuvor aufgrund von Studiendaten davon abgesehen hatte.

Ein «superspreader event» in Boston

Biogen-CEO Michel Vounatsos machte «zwei Hauptgründe» für die Verzögerung geltend. Zum einen sei es sehr schwierig, die Studiendaten aufzuarbeiten. Die zweite Ursache: Covid-19.

Vounatsos spielte damit auf ein Ereignis an, das anfangs März als «superspreader event» für Schlagzeilen sorgte. Das in Cambridge domizilierte Unternehmen stand im Zentrum eines Corona-Ausbruchs in Massachusetts. Dabei liessen sich 70 von 92 bestätigten Infektionsfällen direkt auf eine Strategie-Sitzung im Boston Marriott Long Wharf mit 175 Teilnehmenden zurückführen. Das schreibt das Branchenportal «Endpoints», das die Vorgänge minutiös aufgearbeitet hat.

Zudem trugen mehrere Biogen-Infizierte das neue Coronavirus aus der Ostküstenstadt heraus. So standen fünf Infizierte des Biotechunternehmens am Anfang eines Ausbruchs in North Carolina, der dazu führte, dass der Bundesstaat den Notstand verhängte. Zwei Infektionsfälle in Indiana konnten ebenfalls aufs verhängnisvolle Biogen-Treffen zurückgeführt werden.

Das Unternehmen schickte darauf seine Mitarbeiter so weit wie möglich ins Home Office.

«Ein grosses Glaubwürdigkeitsproblem»

Die Erklärungen von Biogen vermochten allerdings nicht zu überzeugen. Das Top-Management haben ein «grosses Glaubwürdigkeitsproblem», und es sei entschlossen, dieses noch grösser zu machen, schreibt «Endpoints». Sogar die Analysten, die sonst «bullish» seien bei Aducanamab, seien skeptisch. Im Zentrum der Kritik stehen mögliche Unzulänglichkeiten bei den Daten.

Die Börse honorierte die Verzögerung mit einem Kurssturz von 12 Prozent, der Werte von 6,4 Milliarden vernichtete.

Ein Scheitern des Hoffnungsträgers Aducanumab würde auch die Schlieremer Neurimmune  hart treffen. Dem Spin-Off der Universität Zürich stehen im Erfolgsfall Lizenzgebühren im «höheren einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich» zu, wie öffentlich zugängliche Unterlagen von Biogen zeigen. DIe Umsätze eines möglichen Alzheimer-Medikaments dürften in die Milliarden gehen.