Wie Sepp Blatters Fifa-Museum Millionen über Millionen verschlingt

Es schepperte wie auf einer richtigen Baustelle. Ein Maurer rührte mit der Schaufel Mörtel an und pflasterte die braune Masse zwischen die präzis aufgereihten Kalksandsteine. Grundsteinlegung für das Fifa World Museum in Zürich, bei der Fifa-Präsident Sepp Blatter und Swiss-Life-Chef Rolf Dörig, beide mit Schutzhelm in den Händen, um die Wette strahlten. «Ein grosser Tag für mich, ein Glücksfall für die Schweiz», schwärmte Blatter. «Ein perfekter Fit für Swiss Life», ergänzte Dörig. Ein Glücksmoment also, und der durfte schon etwas kosten. Es waren exakt 218 000 Franken, welche die Fifa im Frühling 2013 für den Baustart fürs eigene Museum springen liess. Völlig überrissen, diese Inszenierung, würden die einen sagen. Die anderen: Diese Summe ist ein Nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte. Mittlerweile ist der Fussball-Tempel seit fünf Jahren fürs Publikum geöffnet. Der von Blatter beschworene «Glücksfall» ist er nicht, eher ein Ärgernis, ein Millionengrab – und seit ein paar Monaten ein Fall für die Justiz. Die Fifa unter Gianni Infantino reichte letzten Dezember bei der Zürcher Staatsanwaltschaft Strafanzeige ein. Wohl vor der nicht unbegründeten Furcht, das Museum im Zürcher Enge-Quartier könnte der Fifa irgendwann um die Ohren fliegen. Strafanzeige wird noch geprüft Der Vorwurf lautet auf ungetreue Geschäftsbesorgung rund ums Fifa-Museum und zielt aufs alte Management um Präsident Sepp Blatter. Dieser lässt über seinen Anwalt ausrichten, er bestreite sämtliche Vorwürfe, sein Sprecher hält die Anzeige für eine persönliche Abrechnung Infantinos. Die Strafanzeige der Fifa, so schreibt die Staatsanwaltschaft, befinde sich «im Stadium der Prüfung», ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Anhandnahme gegeben seien. Diese Prüfung dauert mittlerweile bald elf Monate. Es geht hier selbst für die Fifa mit ihren Milliardenerträgen um eine erkleckliche Schadensumme; eine «Handelszeitung»-Berechnung geht locker von 654 Millionen Franken Projektkosten aus. Fast dreimal so viel, wie der prestigeträchtige Fifa-Hauptsitz hoch über Zürich einst gekostet hat. Offiziell ist von Umbaukosten in der Höhe von 140 Millionen fürs Museum die Rede, die voll auf Rechnung der Fifa gingen. In Wahrheit aber liegen diese Kosten weit darüber, nämlich bei 176 Millionen. Dieser Kostensprung von fast 40 Millionen ist der Wünsch-dir-was-Attitüde der Fifa-Granden geschuldet, die nachträglich total 104 Änderungswünsche anbegehrten, darunter eine Sportbar und eine Beduftungsanlage für die Immobilie. Einen Ansatz von Kostenbewusstsein beim Umgang mit Verbandsgeldern gab es in der Ära Blatter nicht, weder bei den Millionenboni noch bei den Flug- und Hotelspesen, noch beim Museum. So geriet das Projekt mit einer Ausstellungsfläche von 3000 Quadratmetern zur teuersten Vitrine der Schweiz. Grosse Profiteurin war die Swiss Life, die endlich für ihre leer stehende Immobilie einen Mieter mit vollen Kassen gefunden hatte. Die Versicherung schreibt: «Wir kommentieren Geschäftsbeziehungen grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit.» Die Fifa wollte – trotz mehrfacher Anfrage – keine Stellung nehmen. Derweilen erinnern Planung und Controlling durch den Weltfussballverband so gar nicht an ein Megaprojekt, sondern eher an eine Imbissbude in Rorschach oder Raron: Das, was der «Businessplan» sein sollte, trägt das Datum vom 4. September 2014 und umfasst ein einzelnes A4-Blatt, darauf sind ein paar Zahlen notiert, diverse durchgestrichen und mit einem Bleistift korrigiert. Eine Übersicht fehlt, auch die Gesamtkosten hat man weggelassen, wohlweislich. Selbst das Simpelste, eine Kalkulation der Einnahmen aus dem Ticketverkauf, macht einen wenig soliden Eindruck. Die Fifa rechnete im «Businessplan» mit jährlich 300 000 voll zahlenden Besucherinnen und Besuchern, dabei hatten die Zürcher Behörden eine Obergrenze von 250 000 festgesetzt – darunter wären zweifellos viele Kinder und Pensionierte, denen man einen reduzierten Eintrittspreis gönnte. Mit der eigenwilligen Rechnerei, die jedem Controller oder Revisor hätte ins Auge stechen müssen, sollten höhere Erträge und so ein zügiger Schritt in die schwarzen Zahlen herbeigeredet werden. Schliesslich glaubten die Fifa-Planer ernsthaft, innert zweier Jahre in die schwarzen Zahlen vorzurücken. Es war reine Fantasterei: Statt also, wie angekündigt, 2017 den Break-even zu erreichen, wies man zu jenem Zeitpunkt einen Betriebsverlust von 18 Millionen aus. Kumuliert sind bislang Defizite von 77 Millionen aufgelaufen. Das System Sepp Blatter: Charles Bottas Bauprojekt in Katar Und der Cash-Drain, da macht sich die Fifa nichts vor, fliesst weiter: Die Finanzreports 2021 und 2022 lassen erahnen, dass jährliche Verluste von 5 Millionen Franken anfallen dürften. Bei so viel Augenwischerei erinnert man sich schnell an die Allerweltsphrase von Blatter, wenn er vor der Kamera von der «Fifa-Family» schwärmte. Beim Museumsbau war es nicht anders. Da wäre etwa Blatters langjährige Sekretärin C. S., die Tochter eines Jugendfreundes aus dem Wallis. Ihr Ehemann, Charles Botta, fungierte ab 1999 bei grossen Bauprojekten als Bauherrenvertreter der Fifa, doch angestellt war er bei seiner Privatfirma Botta Management Group. Eine heikle Konstellation kann Botta darin nicht erkennen, auch nicht einen Interessenkonflikt. «Ich habe meine spätere Frau erst im Laufe meines Fifa-Mandats kennengelernt. Wenn jemand einen Interessenkonflikt hätte feststellen müssen, wäre das die Fifa selbst gewesen und nicht ich.» Das sei jedoch nie der Fall gewesen. Der gelernte Maurer und Bauzeichner war ein erprobter Projektmanager, doch speziell war die Aufgabenteilung allemal. Botta führte, das zeigen interne Dokumente, die Vertragsverhandlungen mit Vermieterin Swiss Life, derweilen Blatter, dessen Generalsekretär und dessen Finanzchef die Verträge unterschrieben. Eine ernsthafte Kontrolle über Werthaltigkeit und höheren Sinn der Investitionen fand nicht statt. Botta war in der Baubranche bestens vernetzt und sass auf beiden Seiten am Tisch: einerseits für die Fifa, anderseits als VR-Mitglied der Beratungsfirma W. Thommen, die im Auftrag der Swiss Life andere Grossprojekte ausführte. Blatters fatale fünfte Kandidatur Finanziell fatal war sein Entscheid, zum fünften Mal fürs Fifa-Präsidium zu kandidieren. Denn damit wurde es richtig teuer. Wahltag war der 29. Mai 2015, und auf diesen Zeitpunkt hin musste – koste es, was es wolle – das Fifa-Museum bereit sein für eine Eröffnungsfete mit Gastgeber Blatter. «Er wollte das Museum unbedingt zwei Wochen vor seiner Wiederwahl eröffnen, um sich als Gralshüter der Fifa zu verewigen», sagt ein Beteiligter. Und hoffte so auf Rückenwind für seine Kandidatur. Doch weil das längst aufgegleiste Museumsprojekt am Hauptsitz absehbar nicht bis zur Präsidentenwahl parat sein würde, blies Blatter die Planung kurzerhand ab, die bereits 5 Millionen verschlungen hatte. Stattdessen entschied der Präsident Anfang 2013 – zur Überraschung aller Involvierten – das Museum vom Hauptsitz in eine Swiss-Life-Liegenschaft in Zürich-Enge zu transferieren, die seit 5 Jahren leer stand. Der Entscheid, der nur dem Zeitpunkt der Präsidentenwahl geschuldet war, führte die Fifa ins Finanzdesaster. Zwar hatten die Fifa-Planer zwölf mögliche Standorte in Zürich ausgemacht, doch an eine seriöse Abklärung möglicher Alternativen oder gar an das Einholen von Konkurrenzofferten war aus Zeitgründen nicht mehr zu denken. Zuungunsten der Mieterin Fifa Stattdessen gab Projektmanager Charles Botta Vollgas in der Swiss-Life-Liegenschaft – so sehr, dass die externen Bauanwälte und Immobilienexperten, darunter jene von Jones Lang LaSalle, nur noch staunten. Sie gaben brav ihre Expertenmeinung zu den Verträgen zwischen Fifa und Swiss Life ab. So kritisierten sie etwa den verlangten Mietzins von 8,45 Millionen Franken im Jahr und empfahlen, beim Hauseigentümer dringend auf ein tieferes Preisschild zu pochen, nämlich 8 Millionen. Dazu rieten sie zu einer kürzeren Vertragslaufzeit, einer reduzierten Teuerungsanpassung und einer entschärften Rückbauverpflichtung. Insgesamt schlugen die Bauexperten acht Massnahmen vor, die allesamt im Interesse des Mieters waren. Doch dieser ignorierte ihren Rat und korrigierte die Konditionen – aber nicht zugunsten der Mieterin, also der Fifa, sondern zugunsten der Vermieterin, Swiss Life. Trotz der Warnung der Experten wurde die Mietdauer von zwanzig Jahren nicht gekürzt, sondern auf dreissig Jahre erhöht. Dasselbe beim Mietzins, der am Schluss bei 8,9 Millionen lag. Nicht nur beim Museum richteten die Fifa-Chefs mit der grossen Kelle an. Weil sich Blatter auch noch eine museumsnahe Herberge mit gehobener Küche wünschte, kaufte man das angejahrte Hotel Ascot und renovierte es. Kostenpunkt 36 Millionen. Auch hier kalkulierte die Fifa in unerschütterlichem Optimismus mit einer 70-Prozent-Belegung. Weil das Hotel nie auf Touren kam, musste es 2016 wertberichtigt werden, 2019 wurde es verkauft – 2020 war es pleite. Eine letzte Pointe in dieser wahnwitzigen Museumsgenese: Sepp Blatter hatte sich zwar ein 654 Millionen Franken teures Erinnerungsstück geschaffen. Doch die Hauptrolle bei der Eröffnung, die verpasste er. Weil die Bundesanwaltschaft Tage zuvor Fifa-Granden im Dutzend verhaftet hatte, war eine zeitgerechte Eröffnung undenkbar. So blieb es Blatter-Nachfolger Infantino vorbehalten, als erste öffentliche Amtshandlung das finanziell völlig aus dem Ruder gelaufene Museum im Februar 2016 zu eröffnen. Es war wohl eine Strafaufgabe.Gegendarstellung 1. Die Behauptungen in der «Handelszeitung» vom 14.10. 2021 über Projektkonstellation, Planung und Ausführung des FIFA World Football Museums, namentlich über angebliche Kostenüberschreitungen sind falsch. Richtig ist, dass die Botta Management Group AG alle Termine, den bewilligten Kostenrahmen für den Umbau sowie die Qualität der Ausführung eingehalten hat. 2. Dass die Verhandlungen stets zuungunsten der FIFA geführt worden und ausgegangen seien, ist falsch. Richtig ist, dass die Botta Management Group AG bei den Verhandlungen zusammen mit anderen Beauftragten und Organen der FIFA mitgewirkt hat und die erzielten Ergebnisse von der FIFA zur Vertragsgrundlage gemacht wurden. 3. Weder die Aufgabenteilung noch das Auftragsverhältnis zwischen der FIFA und der Botta Management Group AG waren «speziell». Die Botta Management Group AG wurde als externe Bauherrenvertreterin beigezogen. Ihre Verantwortung bestand darin, sich in sorgfältiger Art und Weise um den reibungslosen Ablauf des Bauprojekts zu kümmern; sie hatte weder Entscheidungsbefugnisse über die Vertragsinhalte noch Abschlussvollmacht für Verträge. Botta Management Group AG