Dass es zwischen der Axa und Rolf Dörig, dem Präsidenten der Versicherungsverbands (SVV), kriselte, war bekannt. Im Sommer meldete die Axa ihren Austritt aus dem Verband an, liess sich aber die Hintertür noch offen, auf den Entscheid zurück zu kommen. Doch das passierte nicht. Ab 2021 ist einer der grössten Versicherer nicht mehr Mitglied im Branchenverband (News-Meldung vom Freitag).

Dass es soweit kam, ist für den Verband, der sich immer auf die Fahne schrieb «mit einer Stimme zu reden»,  ein peinliches Debakel. Erst recht, wenn man die Gründe für den Austritt kennt. Zwar geht die Axa nicht näher darauf ein und verweist in ihrer Mitteilung bloss darauf, dass sie «im politischen Dialog» einen eigenen Weg gehen wolle und sich «möglichst objektiv» zur Politik äussern können wolle.

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Klar ist aber, worauf die Axa zielt: SVV-Präsident Rolf Dörig, der in den letzten Jahren keinen grossen Hehl aus seiner Sympathie für die SVP machte. Und teilweise auch deren Positionen vertrat, ohne dass das mit dem SVV abgesprochen gewesen wäre. Zwar sei man sich bewusst gewesen, eine politische Person in dieses Amt zu wählen, sagt eine Person aus dem Umfeld des Verbands. Doch dass Dörig so ins SVP-Lager kippen würde, habe man nicht erwartet.

Dörig sprach sich klar gegen das Rahmenabkommen aus und sympathisierte mit der Einwanderungspolitik der SVP – und das durchaus auch am Rande von Medienkonferenzen oder an öffentlichen Anlässen. Einem Bericht der «Bilanz» zufolge sprach er sich im Vorstand der Economiesuisse zudem nicht gegen die SVP-Selbstbestimmungsinitiative aus, obwohl das der SVV so beschlossen hatte. Der Verdacht: Dörig kommunizierte mehr SVP als SVV.

Damit eckte er dem Vernehmen nach insbesondere bei Antimo Perretta, dem früheren Axa-Schweiz-Chef und heutigen Axa-Europa-Manager an. Perretta denkt europäisch und hat das Heu politisch auf einer anderen Bühne. Auch Perretta-Nachfolger Fabrizio Petrillo soll sich mit Dörig gerieben haben. Brisant: Beide haben sie eine Vergangenheit in Dörigs Swiss Life.

Aus dem Streit um Dörigs Politaussagen, die zuletzt deutlich zurückhaltender wurden, wurde so immer mehr eine persönliche Sache. Die Axa sägte offiziell an Dörigs Stuhl. Zuletzt allerdings als einzige. An der SVV-generalversammlung im Juni wurde Dörig mit nur einer Gegenstimme wieder ins Präsidium gewählt. Es war die Stimme der Axa. Sie war damit gescheitert, unter anderen unzufriedenen Versicherern eine Allianz gegen den Präsidenten zu schmieden. Anschliessend soll es noch zu mehreren Treffen zwischen Dörig und Vertretern der Axa gekommen sein. Offenbar ohne Ergebnis.

Ist der Austritt der Axa aus dem Branchenverband bloss Teil eines Powerplays, das sich erübrigt, sobald der Verband einen neuen Präsidenten hat? Dafür spricht die stark persönlich gefärbte Note dieses Konflikts. Mehrere Quellen bekräftigen, es habe seit Sommer zwar Versuche gegeben, den Streit zu schlichten. Materiell seien jedoch keine neuen Differenzen aufgetreten.

Sollte der Austritt jedoch definitiv sein, ist das weder für die Branche noch für ihren Verband wirklich gut. Ein so verpolitisiertes Geschäft wie die Versicherungswirtschaft, wird nicht einfacher, wenn die Positionen der Branche diffundieren. Politische Gegner warten bloss darauf, die Exponenten gegeneinander auszuspielen. Möglichkeiten dafür gäbe es genug. Etwa bei der Altersvorsorge, zu deren Reformansätzen sich die Chefs der Versicherungskonzerne noch nie wirklich einig waren.

Und so ist der Austritt wohl eher ein Denkzettel an Rolf Dörig. Und das ist gut so. Zwar erwartet keiner, dass der Verband der privaten Versicherungsunternehmen sich plötzlich für linke Anliegen einsetzt. Aber wenn Wirtschaftsvertreter aufmucken, weil ihnen politische Äusserungen ihres Verbandspräsidenten zu rechts sind, sollte einem das schon zu denken geben.

Michael Heim Handelszeitung
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