Ein Berufungsgericht in Den Haag ordnete soeben an, dass die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung über die Rolle von Ralph Hamers in einer Geldwäsche-Affäre bei ING wieder aufnimmt. Welche Rolle spielten Sie beim Entscheid?

Unsere Organisation SOBI hat das Oberste Gericht in Den Haag gebeten, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, Hamers wegen krimineller Handlungen anzuklagen.

Gibt es denn neue Beweise, die im Verfahren vor ein paar Jahren nicht geprüft wurden?

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Nein. Ich denke, das Urteil ist umfassend.

Pieter Lakeman ist Präsident der SOBI (Stichting Onderzoek Bedrijfs Informatie, Stiftung für Unternehmensinformationen). Die niederländische Organisation geht gegen Missstände in der Wirtschaft vor und setzt sich für die Interessen von Kleinaktionären und Gläubigern ein. Die SOBI strengte in den Niederlanden zahlreiche Prozesse an, unter andem gegen AkzoNobel, KPN, Belgacom oder die Schiphol-Gruppe. 

Dann hat der politische Wind in den Niederlanden gedreht?

Der gesellschaftliche und politische Wind hat in der Tat gedreht, oder besser gesagt: Er ist stärker geworden. Das Urteil vom September 2018 wurde zwischen der ING und der Staatsanwaltschaft ausgehandelt. Den Konzernleitungsmitglieder bekamen mündlich mitgeteilt, dass sie nicht wegen möglichen Straftaten belangt werden.

Dann sind Sie mit dem Urteil von 2018 nicht zufrieden?

Ja, ich war sehr unzufrieden, weil die Manager frei herumlaufen konnten und die unschuldigen Aktionäre dafür bezahlen mussten.

«Hamers erhielt eine Warnung von einem Kadermann innerhalb der Anti-Geldwäsche- Organisation.»

Es gab 2018 einen Vergleich zwischen der ING und der Staatsanwaltschaft. Darin war auch die Aussage enthalten, dass das ING-Management in keine kriminellen Handlungen verwickelt gewesen sei. Dies ist in Ihren Augen falsch?

In der Tat. Die Aussage der Staatsanwaltschaft basierte auf zwei falschen Ansichten. Erstens war die Abteilung zur Kontrolle der Geldwäsche bei ING in drei Einheiten aufgeteilt, wodurch niemand einen wirklichen Überblick hatte. Zweitens war Hamers zu wenig nah dran und hatte keine Ahnung von den tieferen Fakten und den Warnungen der Niederländischen Zentralbank DNB und der Europäischen Zentralbank EZB.

Wissen Sie mehr?

Die Bank erhielt drei Warnhinweise der Dänischen Zentralbank und zwei von der EZB.

Der Fall ING

Im Jahr 2018 warfen die niederländischen Behörden der Grossbank ING vor, die Geldwäscherei-Aufsicht vernachlässigt zu haben. Kunden hätten jahrelang ING-Konten «weitgehend ungestört für kriminelle Aktivitäten nutzen» können, so die Staatsanwaltschaft.

Der Fall wurde im September 2018 mit einem Vergleich beendet, bei dem die ING eine Zahlung von 775 Millionen Euro erstattete. Das Management wurde im Geldwäsche-Verfahren nicht belastet.

Ralph Hamers war von 2013 bis 2020 CEO der ING. Nach dem Deal zwischen ING und Staatsanwaltschaft reichte die SOBI von Pieter Lakeman eine gerichtliche Beschwerde ein. Nun ordnete das Berufungsgericht in Den Haag am Mittwoch an, dass die Staatsanwaltschaft gegen Hamers wegen seiner Rolle im damaligen Fall ermitteln müsse. Dies sei eine Grundsatzfrage – und es sei ein gesellschaftliches Signal, hier Klärung zu schaffen.

Die Staatsanwaltschaft scheint nicht erpicht zu sein, den Fall wieder aufzurollen, weil sie ihn vor etwa zwei Jahren abschloss und mit dem Deal zufrieden war.

Ich weiss nicht, ob sie sehr erpicht darauf sind, aber sie müssen es jetzt tun. Und ich denke, sie werden es tun.

Die Staatsanwaltschaft sagte 2018, dass sie nicht genügend Beweise für strafrechtliche Belange gegen das Top-Management von ING gefunden hat. Dem stimmen Sie nicht zu?

Nein. Ralph Hamers hat die Kosten der Anti-Geldwäsche-Abteilung runtergefahren, worauf sich Verantwortliche beschwerten, dass sie so ihre Arbeit nicht mehr korrekt ausüben könnten. Hamers erhielt eine Warnung von einem Kadermann innerhalb der Anti-Geldwäsche-
Organisation, dass - wenn nicht Gegenmassnahmen ergriffen würden -, die ING-Spitze Gefahr laufe, von der Justiz belangt zu werden.

Sie wurden gestern in einer niederländischen Nachrichtenagentur so zitiert: «Ich würde es vorziehen, Hamers hinter Gittern zu sehen.» Das tönt nach Vendetta.

Ich habe nie gesagt, dass ich mir Hamers hinter Gittern wünsche. Ich habe gesagt, dass ich erwarte, dass er eine Haftstrafe auf Bewährung erhält.

Die UBS steht vor einem Pariser Berufungsgericht wegen eines erstinstanzlichen Gerichtsurteils wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung. Ihre Einschätzung zum Fall?

Ich weiss nichts davon.

Stehen Sie in Kontakt mit den französischen Behörden?

Nein.

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