«Keine Spannungen mit dem Präsidenten» – Chef der Bankiervereinigung Jörg Gasser erklärt die Gründe für seinen abrupten Abgang

Die Ankündigung kam überraschend: Jörg Gasser, der Direktor der Schweizerischen Bankiervereinigung, kündigte am Donnerstag seinen Abgang im Laufe des ersten Quartals an. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gibt es noch nicht. Gab es Krach? Abrupte Personalien wie diese lösen immer Spekulationen aus. Doch Gasser winkt ab: «Es hat keine Spannungen mit Präsident Marcel Rohner gegeben», betont Gasser im Gespräch mit der «Handelszeitung». Sonst wäre er nicht so lange geblieben, schliesslich arbeiten Rohner und Gasser schon seit über einem Jahr gemeinsam an der Spitze der Bankiervereinigung. Der 53-jährige Gasser erklärt seinen Abgang mit zwei Gründen: «Ich möchte beruflich noch einmal etwas anderes machen. Zudem haben wir im Verband einiges erreicht.» Eine konkrete Jobperspektive oder -idee habe er aber noch nicht. Eine neue operative Aufgabe, zum Beispiel bei einer Bank, schliesst Gasser explizit aus. Ihn reize vielmehr eine strategische Aufgabe «an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft» – was ein wenig eigenartig erscheint, hatte er als Verbandsgeschäftsführer ja einen Job just an eben dieser Schnittstelle. Denkbar scheint aber, dass er sein Netzwerk als Verwaltungsrat bei einem Finanzdienstleister einbringen könnte. Mehr Zeit für eigene Sternwarte Kurzfristig will Gasser nach seinem Ausscheiden eine Auszeit nehmen, um sich «privaten Projekten» widmen. So interessiert er sich für Astronomie und betreibt sogar eine eigene Sternwarte. «Hier möchte ich mehr Zeit investieren», sagt Gasser. Gasser trat seinen Job bei der Bankiervereinigung im Mai 2019 an. Zuvor war er Staatssekretär im Finanzministerium und arbeitete unter anderem mit an einer Reform der Verordnung über die Rolle der Finma. Daher löste sein direkter Wechsel aus dem Finanzministerium zur Bankenlobby in den Medien einigen Wirbel aus. Gasser hat stets Interessenkonflikte bestritten. Der Entwurf der Verordnung habe bereits vorgelegen, als er im Oktober 2018 seine Kündigung eingereicht habe, argumentierte er. In der Bankiervereinigung hat er sich vor allem bei den Themen Digitalisierung und klimafreundliche Wirtschaft hervorgetan. Und scheute sich auch nicht, hierfür im Wirtschaftslager mal anzuecken. «Unternehmen mit einem CO2-lastigen Geschäftsmodell haben keine Zukunft mehr», verkündete er zum Beispiel in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» 2019. Als Umfragen zeigten, dass eine Ablehnung des CO2-Gesetzes durch das Volk drohte, griff er den Dachverband Economiesuisse direkt an: Dieser würde sich nicht genug engagieren. Schwindender Einfluss von Wirtschaftsverbänden Gasser räumt ein, dass Wirtschaftsverbände wie die Bankiervereinigung an Einfluss verloren haben. «Es gibt im Wettstreit der Meinungen mehr Player wie NGO und Parteien, hier müssen wir uns in Zukunft noch besser durchsetzen», sagt er. Durch neue Medien wie Social Media sei es für alle Verbände und Akteure «schwieriger geworden, hier durchzudringen». Ein Rückschlag in Gassers Amtszeit war ferner, dass er nicht verhindern konnte, dass mit der Raiffeisen-Gruppe die drittgrösste Bankengruppe aus der Bankiervereinigung 2020 austrat. Der damalige Raiffeisen-Präsident Guy Lachappelle hatte dies mit der Machtlage innerhalb der Bankiervereinigung erklärt: «Die Gross- und Privatbanken haben in der Bankiervereinigung eine Mehrheit und können die Inlandsbanken überstimmen.» Die Interessenlagen der drei Bankengruppen Inland-orientierte Banken, Grossbanken und Privatbanken sind nicht immer gleichgerichtet. So drängen die Privatbanken auf eine möglichst getreue Übernahme von EU-Anlegerschutzregeln, in der Hoffnung, im Gegenzug einmal einen erleichterten Marktzugang zur EU zu bekommen. Die Inland-orientierten Banken wie die Regional- oder Genossenschaftsbanken kostet die Umsetzung dieser Regeln viel Geld, geschäftlich profitieren sie aber kaum davon. Interne Reformen umgesetzt Gasser nahm den Krach zum Anlass, die interne Governance zu reformieren. Wenn in den Arbeitsgruppen, in welchen die wichtigen Themen beraten werden, eine Bank mit dem Mehrheitsergebnis nicht einverstanden ist, so kann sie nunmehr ihre Mindermeinung veröffentlichen. Immerhin gelang es so, dass sich die Banken auf eine gemeinsame Stellungnahme zu wichtigen Eigenkapitalregeln, Basel III, zusammenraufen konnten. Das sieht Gasser als einen grossen Erfolg seiner Arbeit. Der frühere Staatssekretär und Krisenmanager beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes sieht daher nun einen guten Zeitpunkt für einen Wechsel an der Spitze der Bankiervereinigung. «Es gibt eine neue Finanzministerin und es stehen bald Parlamentswahlen an. Es ist daher ein guter Zeitpunkt für einen neuen Direktor, sich einzuarbeiten», erklärt er.

«Keine Spannungen mit dem Präsidenten» – Chef der Bankiervereinigung Jörg Gasser erklärt die Gründe für seinen abrupten Abgang

«Es gab keine Spannungen mit dem Präsidenten»