So viel Aufmerksamkeit hat ein neues Gesetz schon lange nicht mehr auf sich gezogen, bevor es überhaupt in Kraft gesetzt worden ist. Der Saal in der Universität Vaduz war voll. 350 Leute waren gekommen, um Regierungschef Adrian Hasler und seinen Mitarbeitern zuzuhören, als diese dasneue Blockchain-Gesetz vorstellten. Politiker, Anwälte, Studenten und Unternehmer. Sie alle waren letzte Woche da, um den nächsten Schritt des Ländle zu verstehen auf seinem Weg zu einem Standort für Unternehmen, die sich mit Coins, Token und Blockchains befassen.

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Seit Monaten gräbt Liechtenstein dem Schweizer Crypto Valley rund um Zug das Wasser ab. Nun scheint sich die Sache zu beschleunigen. Auch grosse und arrivierte Blockchain-Firmen schauen nach Vaduz. Die Milliardenbörse Bitfinex, das Urgestein Bitcoin Suisse und die Schweizer Exchange Lykke: Sie alle prüfen Niederlassungen, Lizenzen oder neue Kooperationen in Liechtenstein. «Vaduz ist dasneue Zug», sagt einer, der bereits von dort aus operiert. Die Zahl der Anfragen pro Woche hat sich verdoppelt.

Überraschungen unerwünscht

Entscheidend für die Firmen der jungen Branche ist die Regulierung. Bei den Startups dreht sich im Kern alles um den Umgang mit neuen Formen von Eigentum und damit um die Frage, was im bestehenden Paragrafendschungel erlaubt ist und was nicht. Rechtssicherheit ist die halbe Miete. Niemand will später mit Klagen und Verfahren eingedeckt werden. Das neue Gesetz macht Vaduzattraktiv.

Noch im Frühling wollte die internationale Kryptobörse Bitfinex – letzten Dezember machte sie 110 Milliarden Dollar Umsatz – in der Schweiz das Hauptquartier aufschlagen. Inzwischen steht Vaduzoben auf der Liste. Aus dem Umfeld von Bitfinex verlautet, mit den Behörden seien Gespräche im Gange. Treiber der Umorientierung sei die möglicherweise höhere Rechtssicherheit in Liechtenstein.

Lange Zeit zog die Schweiz Kryptofirmen magisch an und galt als Vorreiterin. Doch zuletzt verblasste der Glanz, nachdem die Finanzmarktaufsicht Finma all die neuen digitalen Coins und Token kategorisierte und die meisten als Effekten behandeln will. «Es wird schwierig, in der Schweiz eine Blockchain aufzusetzen», sagt Reto Trinkler, Chefentwickler bei der Asset-Management-Plattform Melonport, an der Crypto Valley Conference in Zug.

Auch die Exchange Lykke von Gründer Richard Olsen streckt nun die Fühler nach Liechtenstein aus. «Wir treiben ein Projekt mit Bank Frick voran, das in einem Joint Venture münden könnte. Dieses würde dann von Liechtenstein aus geführt», sagt Olsen. «Je nach Entwicklung in der Schweiz haben auch wir möglicherweise keine andere Wahl, als uns andere Standorte als die Schweiz anzuschauen.»

Bis jetzt hatte der Vorteil von Liechtenstein einen Namen: Bank Frick. Das Finanzinstitut gewährt den Kryptofirmen eine Bankbeziehung, die sie schon nur zum Begleichen der Löhne und Mieten brauchen. Schweizer Banken weisen die Kryptokunden mit Verweis auf Reputationsrisiken bis heute fast ausnahmslos ab.

Schon 2019 aber dürfte das neue Blockchain-Gesetz Vaduz noch berechenbarer und damit attraktiver machen. «Das Gesetz regelt ein komplett neues Feld – die sogenannte Token-Ökonomie», sagt Thomas Dünser, Mitarbeiter der Regierung. Einerseits würden offene rechtliche Fragen rund um den Token geklärt, anderseits die Rechte und Pflichten von Dienstleistern auf Blockchain-Systemen.

«Liechtenstein hat sehr kurze Wege. Anfragen, ob dieses oder jenes regulatorisch möglich sei, werden von den Behörden wirklich rasch beantwortet», sagt Marion Vogel von Aeternity mit Sitz in Vaduz. Das Startup lanciert eine eigene Blockchain für Apps, welche aktuell mit rund 400 Millionen Franken bewertet ist.

Der Zeitfaktor ist für die Kryptounternehmen wichtig. Sie stehen selber in internationalem Wettbewerb – und wenn es zu lange dauert, bis sie grünes Licht von der Aufsichtsbehörde erhalten, handeln sie sich einen Nachteil ein. «Liechtenstein ist ultra kompetitiv. Es braucht dort weniger Zeit, um ein Produkt auf den Markt zu bringen», sagt Olsen weiter. «Die Schweiz hatte Glück, so früh auf der Kryptolandkarte zu erscheinen. Aber wir müssen uns deutlich mehr anstrengen als bisher, um die Position halten zu können.»

Warten auf die Infrastruktur

Zu den Pionieren in der Schweiz gehörte Bitcoin Suisse. Aber selbst beim Krypto-Broker ist man nicht mehr auf Zug fixiert: «Die Bitcoin Suisse AG prüft alle Optionen und Wege hinsichtlich Regulierung und Lizenzierung, auch in Liechtenstein, das eine sehr kryptofreundliche Haltung in Bezug auf die Regulierung eingenommen hat», teilt das Unternehmen mit inzwischen 63 Angestellten mit. Es sei allerdings noch zu früh, um zu sagen, welchen Weg Bitcoin Suisse einschlagen werde.

Auch die Schweiz dürfte sich weiterentwickeln. Die Politik sucht nun mit den hiesigen Banken dasGespräch und der Bund will bis Ende Jahr einen Bericht zur Regulierung der Blockchain-Branche erstellen. «Wir müssen die Sorgen ernst nehmen», sagt Oliver Bussmann, Präsident des Crypto-Valley-Verbandes. Schwarz sieht er aber nicht: «Die Finma schaut weit nach vorne und positioniert sich im Hinblick auf die nächste Kryptowelle richtig. Das werden Security-Token sein, also dasAbbilden von realen Werten in einem Token.» Innerhalb des nächsten Jahres werde die Schweiz die dafür notwendige Infrastruktur an Börsen, Aufbewahrungslösungen und Fonds schaffen.