Matthias Geissbühler singt im Song «Trumpfkönig» über die Liebe, ihr Scheitern und darüber, was man tun würde, wenn man die gleichen Karten nochmals spielen könnte; eine Situation, die ihm als Chief Investment Officer der Raiffeisen bestens vertraut ist, wenn auch mit einer anderen Note. Denn auch beim Investieren gilt: Im Nachhinein ist man immer klüger. Die Musik habe ihn gelassener gemacht, sagt Songwriter und Gitarrist Geissbühler alias «Matt», der bei der Raiffeisen die Verwaltung von Kundengeldern in der Höhe von 30 Milliarden Franken steuert. Zudem fördere die Musik Stärken wie Disziplin, das Überwinden von Widerständen, Kreativität und die Teamarbeit.
Noch einen Schritt weiter geht Peter Baumgartner, der als ehemaliger CEO von Etihad die Golf-Airline international als Premium-Player etabliert hat: Ohne Gitarre geht es für ihn ganz einfach nicht. Die Klampfe ist für ihn mehr als ein Instrument, es ist ein Coaching-Tool: Mit der Gitarre könne er vom Business abschalten und seine beiden Hirnhälften kalibrieren. Und das, sagt Baumgartner, sorge nicht nur für Ausgleich, sondern es sei auch massgeblich dafür verantwortlich, dass er nunmehr seit Jahrzehnten überdurchschnittliche Kapazitäten im Beruf abrufen könne. Zwölf bis fünfzehn dieser Survivalkits mit Saiten hat er – so genau weiss er es nicht, denn die Zahl ändere ständig, «weil ich mal eine neue kaufe und dann wieder eine alte verschenke».
Leise Töne, Entschleunigung, Tempowechsel
Sie herrschen über Milliarden, haben ganze Imperien aus dem Nichts aufgebaut und Technologien entwickelt, die unsere Welt am Laufen halten. Kadenz ist für sie kein Moment des Innehaltens und der Freiheit wie in der Musik, sondern ein Synonym für prallvolle Terminkalender mit Meetings, die sich im Viertelstundentakt jagen; Spielarten wie Lento oder Pianissimo gibt es in ihrem atemlosen Alltag kaum – wer in ihren Tonlagen agiert, der kennt nur ein Tempo: Prestissimo. Das alles ändert sich, wenn Wirtschaftschefs am Feierabend zur Geige, zum Cello oder in die Tasten greifen. Dann wird entschleunigt, und auch leise Töne finden Platz.
«Musik macht nicht automatisch bessere Leader», sagt Guido Schilling von der Executive-Search-Firma Schilling Partners, aber sie wirke als Verstärker positiver Eigenschaften wie Selbstbeherrschung und Reflexionsfähigkeit oder auch des Willens, die Dinge durchzuziehen, auch wenn es mal nicht so rundläuft. Zudem seien es die Perspektivenwechsel, die den Blick schärften, sagt der Top-Recruiter, der zudem selbst seit Jahren Musical- und Theaterproduktionen zusammenstellt. Diese Arbeit habe ihm «tiefe Einblicke in die Bildung von Hochleistungsteams, das Orchestrieren starker Persönlichkeiten und das Steuern unter Performancedruck» vermittelt. Diese Erfahrungen seien für ihn von unschätzbarem Wert, und «sie fliessen natürlich auch in meine Arbeit mit Topmanagern ein». Musik ist also nicht nur bei Matthias Geissbühler Trumpf.
Bernard Arnault, CEO LVMH, Klavier
Family-Business Musik verlangt Disziplin, den Willen zur Präzision und eine gewisse Unnachgiebigkeit – Tugenden, mit denen sich Bernard Arnault, Chef des Luxusimperiums LVMH, bestens auskennt. Als Kind genoss er klassischen Klavierunterricht. Auch heute noch greift er regelmässig in die Tasten, gerne auch vierhändig – zusammen mit seiner Gattin Hélène Mercier-Arnault, einer international bekannten Konzertpianistin, die er beim Klavierspielen kennengelernt hat. Er habe gezittert vor Lampenfieber, erinnerte sie sich später in einem Interview, und sie habe sich gefragt, ob er das Stück wohl zu Ende bringen werde. Sie sei von seinem Niveau und der Art seines Klavierspiels beeindruckt gewesen. Es sei – entgegen seiner etwas distanzierten und kalten Art – so voller Leben gewesen. «Ich musste den ganzen nächsten Tag lang an sein Spiel denken, und am Abend war ich daran, mich in ihn zu verlieben.» Musik ist bei den Arnaults Family-Business wie LVMH. 2023 trat Bernard Arnault zusammen mit seiner Frau und Sohn Frédéric öffentlich auf; man gab das Klavierkonzert Nr. 7 von Wolfgang Amadeus Mozart, 1776 geschrieben für drei Pianistinnen der Salzburger Adelsfamilie Lodron. Nun wurde es von drei Mitgliedern des französischen Luxusadels gespielt. Die Arnaults halten knapp zwei Drittel der stimmberechtigten Aktien von LVMH. Der Luxusgüterkonzern gehört zu den wertvollsten Unternehmen in Europa.
Elie Bernheim, CEO Raymond Weil, Cello
Ticken im Takt Solisten sind in der Uhrenindustrie Mangelware, die meisten Marken wurden irgendwann von der Swatch Group, von LVMH oder Richemont übernommen. Nicht so Raymond Weil. Die Uhrenperle aus Genf ist noch immer unabhängig und im Besitz der Familien Bernheim und Weil, gemäss «Bilanz» sind sie 275 Millionen Franken schwer. Den Bogen führt Elie Bernheim, der privat Cello spielt. In Interviews wies er immer wieder auf die Parallelen zwischen der Musik und der Uhrmacherei hin. In beiden Disziplinen gehe es um das Üben, die Wiederholung, die Arbeit an den Nuancen, die Fingerfertigkeit. Die Musik gehört bei Raymond Weil sozusagen zur DNA. Im Jahr 2015 brachte Elie Bernheim, der damals gerade Chef geworden war, die «Nabucco Cello Tourbillon» auf den Markt, eine Liebeserklärung an sein Lieblingsinstrument. Das Zifferblatt zieren vier Cellosaiten, das Tourbillon umspannt bei sechs Uhr einen Cellobogen. Auch sonst hat man es bei Raymond Weil bei der Namensgebung mit der Musik: Im Rahmen ihrer Reihe «Arts & Music Icons» hat die Genfer Marke Kollektionen zu Ehren von Musikgrössen wie David Bowie, Frank Sinatra, den Beatles, AC/CD und Jimi Hendrix herausgebracht.
Corinne Mauch, Zürcher Stadtpräsidentin, Bassgitarre
Die Ausnahme Streng genommen passt sie hier gar nicht rein. Als Stadtpräsidentin gehört Corinne Mauch nicht zu den musizierenden Wirtschaftsführern und -führerinnen, nach denen wir hier suchten. Doch da es kaum Managerinnen und Unternehmerinnen gibt – und musizierende schon gar nicht –, machen wir eine Ausnahme und nehmen die SP-Politikerin in diesen Reigen auf, als Managerin von Zürich sozusagen. Mauchs Instrument ist die Bassgitarre; in den 90er-Jahren spielte sie mit Bands wie The Hoovers und Trugschluss, was ihrer Kandidatur damals eine besondere Note verlieh. Beide Bands standen für eher handfesten Punk-Rock britischer Provenienz, zudem waren sie fest in Frauenhand. Musik spielt auch privat eine Schlüsselrolle: Ihre Partnerin hat sie an einer Musikschule kennengelernt. Nächstes Jahr kandidiert Mauch nicht mehr, nach sechzehn Jahren im Amt will sie in ihrem Leben nochmals andere Saiten aufziehen.
Regula Berger, CEO Basler Kantonalbank, Alphorn
Die Bankerin mit dem Horn Den exklusivsten Auftritt hatte Regula Berger im Sommer 2022: Im Sturzflug nähert sich die Videodrohne der Fähre, die mitten in Basel über den Rhein zieht. Alphornklänge ertönen, und irgendwann sieht man die Bläserin auf der Fähre ihr Ständchen geben. Dass da die Bereichsleiterin für Firmenkunden der Basler Kantonalbank zum 1. August blies, las man damals nur in der Fussnote. Seit diesem Jahr ist Regula Berger CEO der Bank. Ihr ist bewusst, dass sie nicht das unauffälligste Instrument spielt. Einmal habe sie mit ihren Klängen wohl eine Theateraufführung an der Schule gestört, in der sie übe, erzählte sie im Gespräch mit der Handelszeitung. Und so hat sie für sich das sonntägliche Hobby «Alphornjoggen» erfunden: Sie bindet sich das zerlegte Instrument auf den Rücken, läuft in den nächst-gelegenen Wald und spielt dann dort.
David Solomon, CEO Goldman Sachs, DJ
Dancefloor-Derwisch Das Kürzel EDM klingt wie ein komplexes Finanzderivat – doch hier steht es für «Electronic Dance Music», eine unverschämt tanzbare Musik. Dieser Stil elektrisiert auch Goldman-Sachs-Chef David Solomon. Als «DJ D-Sol» liebt es der Grossbanker, solche synthetischen Sounds aufzulegen. Das DJ-Hobby, so sagte es Solomon einmal, hole ihn aus dem Goldman-Sachs-Modus heraus. Als die Berichterstattung über sein glamouröses Tun ausuferte, wurde es der Bank zu viel. Solomon wurde wohl angehalten, seine öffentlichkeitswirksamen Auftritte zu reduzieren. Vermutlich lässt er die Bässe jetzt nur noch im privaten Bereich pumpen. Kürzlich hat Donald Trump Solomon ins Visier genommen: Die Goldman Sachs, so zürnte der US-Präsident, habe sich mit ihrer Prognose, dass die US-Zölle der Wirtschaft schaden würden, geirrt. Und Trump legte nach: Solomon solle sich lieber darauf konzentrieren, DJ zu sein. Autsch!
Peter Baumgartner, Ex-CEO von Etihad, Gitarre
Singer-Songwriter Wenn sich der Schweizer an seine Zeit bei Etihad erinnert, erwähnt er eine Herzenssache: «Damals hatte ich einen Ruhepuls von mehr als hundert – da war ein Ausgleich zur Geschäftswelt unglaublich wichtig.» Damals wie heute ist es für Peter Baumgartner die Gitarre, die ihn erdet und beflügelt. Der Singer-Songwriter, der mit Paul Simon befreundet ist und neben einem Dutzend anderer Mandate im Advisory-Board des Montreux Jazz Festival sitzt, kommt aus dem Folk-Rock und wagt sich aktuell in die Popgefilde. Eine Gitarre in Griffnähe zu haben, ist für Baumgartner ein Lebenselixier, eine Form der Selbstreflexion und des kommunikativen Ausdrucks. «An der Gitarre kann ich eine andere Rolle spielen und ausleben als im Berufsleben.»
Richard Branson, Gründer Virgin Group, Gitarre
Am Anfang war die Musik Er ist der Einzige hier, der nicht nur Musik macht, sondern der mit ihr auch richtig viel Geld verdient hat: Richard Branson. Die Gründung von Virgin Records beziehungsweise die Veröffentlichung von Mike Oldfields «Tubular Bells» waren so etwas wie der Urknall, aus dem Bransons heutiges Imperium entstand. Über seine Virgin Group ist der Multimilliardär in rund vierhundert Firmen investiert, darunter eine Fluggesellschaft. Privat greift Branson, den man in seiner Wahlheimat Verbier VS für seine Freundlichkeit schätzt, gerne zur Gitarre.
Warren Buffett, Noch-CEO und Chairman Berkshire Hathaway, Ukulele
My Way «I did it my way», heisst es im Refrain von Frank Sinatras Kultsong – und das ist bei Warren Buffett durchaus wörtlich zu verstehen: Der legendäre Investor hat sich und über die Jahre auch unzählige andere mit einer ganz eigenen Kombination aus Geduld, Nerven wie Drahtseilen und einem guten Riecher für Opportunitäten reich gemacht. Kein Wunder, dass der Song fester Bestandteil seines Repertoires ist. So stimmte er den Klassiker etwa in einem Interview mit dem britischen TV-Journalisten Piers Morgan an und begleitete sich dabei auf seiner Ukulele. Das Instrument ist so etwas wie die kleine Schwester der Gitarre, hell, warm, freundlich und vor allem: no drama. Warren Buffet kaufte sich seine erste Ukulele 1949, um damit seine künftige Frau zu beeindrucken. Der Superinvestor soll eine ganze Sammlung besitzen, darunter auch ein 10-Dollar-Exemplar. Ende Jahr wird er seinen Posten als CEO abgeben und sich auf seine Rolle als Chairman beschränken. Sinatras «final curtain» muss warten.
Francisco Fernandez, Gründer Avaloq, Klavier
Hauptsache, elegant In der Welt des Wealth-Managements ist Francisco Fernandez eine Legende. Der Gründer von Avaloq formte aus einem Zürcher Spin-off einen globalen Technologieriesen, den er 2020 für Milliarden an den japanischen Konzern NEC verkaufte. Doch wer den Softwarepionier verstehen will, muss ihm ans Klavier folgen, auf dem er vor allem Jazz spielt. Der ist für ihn nicht nur ein Hobby, sondern eine Denkschule. Im Jazz gehe es wie im Geschäft darum, auf unerwartete Veränderungen mit Eleganz zu reagieren, sagte er in einem Interview. Der «Bilanz» verriet er, dass an allen seinen Arbeitsorten ein Flügel stehe und dass er jede freie Minute nutze, um in die Tasten zu greifen. Der Unternehmer, dessen Vermögen das Magazin auf 1,3 Milliarden Franken schätzt, sagt von sich, dass er beinah Musiker statt Informatiker geworden wäre. Dafür sorgt er nun mit Utopia Music für neue Töne in der Musikindustrie: Die Plattform soll für eine faire Honorierung von Künstlern sorgen. Nach der Insolvenz der Schweizer Tochtergesellschaft kämpft der er nun darum, seine Vision zu retten. Es ist die Improvisation eines Unternehmers, der weiss, dass die grössten Hits oft erst nach einer Dissonanz entstehen.

