Noch ein Mann? Oder: Diversity bei den Kantonalbanken

Seit Jahren wurde darüber spekuliert, wer den beinahe ewigen Chef der Zürcher Kantonalbank, Martin Scholl, beerben würde. Als dann mit Urs Baumann ein neuer CEO angekündigt wurde, staunte die eine oder der andere über den Namen. Aber niemand über das Geschlecht. Bei der Staatsbank trifft Baumann auf einen Boys Club. In der Geschäftsleitung sitzt eine einzige Frau zwischen sieben Männern. Im nicht gerade kleinen Bankrat steht die Quote 11 zu 2. «In der ersten und zweiten Führungsebene sind wir noch nicht dort, wo wir gerne sein möchten», sagte Florence Schnydrig Moser, die einzige Frau, zu «Finews». «Aber wir arbeiten aktiv daran.» Die ZKB hat ein Frauenproblem. Doch im Kreis der Kantonalbanken ist sie damit längst kein Ausreisser. Die «Handelszeitung» hat sich die Geschäftsleitungen der Banken angeschaut, und zudem – bereits zum zweiten Mal – die im Handelsregister eingetragenen Kadermitarbeitenden ausgewertet. Das Ergebnis: Mit der Schwyzer Kantonalbank hat gerade mal eine von 24 Banken eine operative Chefin. Im Verwaltungsrat gibt es immerhin zwei Präsidentinnen (Bern, Jura). Doch auch an der Basis sieht es nicht besser aus. Insgesamt 8'817 Personen waren Ende Oktober bei den Kantonalbanken im Handelsregister eingetragen – von der einfachen Prokuristin bis zum Direktionsmitglied. 6'450 davon waren aufgrund ihres Namens eindeutig männlich, bei einem guten Dutzend war das Geschlecht unklar. Daraus resultiert eine Frauenquote von gerade mal 26,7 Prozent. Zum Vergleich: Bei der UBS Switzerland liegt die Quote bei 31,3 Prozent, bei der CS Schweiz sind es 32,5 Prozent – und die Staatsbank Postfinance bringt es sogar auf 35,9 Prozent. Während die ZKB mit ihren 29,7 Prozent noch eine der höheren Frauenquoten ausweisen kann, sacken die Werte bei anderen Banken weit ab. Vier Institute schaffen es noch nicht einmal über die Schwelle von 20 Prozent (siehe Grafik). Dabei ist die Prokura einer Bank längst kein exklusiver Status mehr. Wer ein wenig Karriere macht, wird bald einmal im Handelsregister verewigt. Ines Hartmann bestätigt den ernüchternden Eindruck. Die Forscherin von der Universität St. Gallen beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Diversity und leitet dabei auch das von der HSG betriebene Benchmarking. Dieses untersucht die Frauenquoten aufgrund von Datenmaterial, das von den Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. «Auch wir beobachten, dass die Frauenquote bei den Kantonalbanken unterdurchschnittlich bleibt», sagt Hartmann. Das gelte zwar generell für Banken, aber verstärkt noch für die Staatsinstitute. Der Frauenanteil in der Rekrutierungsphase für Kaderstellen sei geringer als der Anteil bei den HSG-Studierenden mit Schwergewicht Banking, konstatiert Hartmann. An der Basis gebe es bei Banken viele Frauen. Doch mit steigender Hierarchie nehme der Frauenanteil drastisch ab. Verhängnisvolle Dreissiger-Jahre Warum ist dieser Effekt bei den Banken so stark? Für Hartmann ist die sehr «traditionelle» Kultur mit steilen Hierarchien einer der Treiber. Teilzeitarbeit sehe man oft nur an der Basis, und wer mit reduziertem Pensum arbeite, mache keine Karriere. Das treffe Frauen überdurchschnittlich stark. In den «Dreissigern» sehe man die grössten Unterschiede, so Hartmann. In diesem Alter mache das Kinderkriegen den Frauen einen Strich durch die Karriere. Oder die Angst der Chefs vor Schwangerschaften. Immerhin: Die meisten Kantonalbanken konnten sich gegenüber 2019 verbessern, teilweise deutlich. Darunter auch grosse Institute wie die Thurgauer und die Basellandschaftliche Kantonalbank. Während die TKB den starken Anstieg von 19,4 auf 30,0 Prozent mit einer veränderten Eintragungspraxis erklärt, teilt die BLKB mit, man habe keine grundsätzlichen Veränderungen an der Eintragungspraxis vorgenommen, und sehe die Zunahme als Ergebnis der Frauenförderung der letzten Jahre. Ziel sei, 30 Prozent der Kaderpositionen bis 2025 mit Frauen zu besetzen. Aktuell liege dieser Anteil bei 23,6 Prozent. Stark zugenommen hat der Anteil der Frauen im Handelsregister auch bei der Glarner Kantonalbank. Da im Zuge des zuletzt starken Wachstums offenbar gleich viele Frauen wie Männer mit Kaderfunktionen eingetragen wurden, stieg der Frauenanteil von 17,9 auf 26 Prozent. Auch die GLKB betont, strukturellen Veränderungen vorgenommen zu haben, welches das Bild verzerren würde. Die einzige Bank mit einem starken Rückgang – von 26,2 auf 14,9 Prozent – ist die Basler Kantonalbank. Der Grund ist so einfach wie eindrücklich: Die BKB trägt die breite Basis der Kadermitglieder aus Kostengründen nicht mehr im Handelsregister ein. Bei den so herausgefallenen Personen lag der Frauenanteil bei 32,5 Prozent. Übrig bleiben 154 Spitzenkader – und damit mehr als 85 Prozent Männer. «Frauen sind in Führungspositionen im Konzern BKB nach wie vor untervertreten», sagt Sprecher Raphael Vannoni. «Deshalb soll in den nächsten drei Jahren mindestens ein Drittel aller neu zu besetzenden Führungspositionen mit Frauen besetzt werden.» Immerhin kann er – als einziger Sprecher einer Kantonalbank – auf eine Frauenmehrheit verweisen: Im Bankrat sitzen vier Männer fünf Frauen gegenüber. An der Spitze der Banken sind die Frauen noch immer einsam unterwegs. Die Hälfte aller Kantonalbanken hat keine einzige Frau in der Geschäftsleitung, nur gerade die Zuger Kantonalbank schafft es auf ein ausgeglichenes Verhältnis. Und in den nicht selten politisch gewählten Bankräten haben die Männer mit 143 zu 52 Personen beinahe ein Dreiviertels-Mehr. Anders als in den Managementetagen wäre es hier eigentlich leichter, zu korrigieren. Alles, was es braucht, ist eine Generalversammlung.