Plan mit Amazon und Microsoft: Der nächste grosse Coup von Novartis

Big Tech fängt an, bei Big Pharma über den Hag zu fressen. Google, Facebook und Amazon arbeiten daran, mithilfe von künstlicher Intelligenz die Struktur von Proteinen zu ergründen, die bei Krankheiten eine Rolle spielen. Ursachenforschung bei Krankheiten: Das ist die Paradedisziplin der Biotech-Industrie. Diese versucht, das Potenzial von Big Data und künstlicher Intelligenz zu heben. Besonders aktiv darin ist Novartis. Der Basler Pharmakonzern gehörte 2017 zu den ersten Biotech-Unternehmen, die einen Digital-Chef einstellten. Seither schiebt Bertrand Bodson, der zuvor den zu Sainsbury’s gehörenden britischen Kataloghändler Argos in den drittgrössten Online-Händler der Insel verwandelte, im Eilzugstempo digitale Initiativen in Basel an. Einer der Höhepunkte bis jetzt ist eine Software, die es möglich macht, die rund 500 klinischen Studien, die der Basler Pharmakonzern jeweils zeitgleich betreibt, in Echtzeit zu überwachen. Sie meldet Probleme bei der Rekrutierung von Patienten oder bei der Protokollierung von Studienergebnissen. Das schenkt ein: Die Medikamentenentwicklung ist einer der grössten Kostenfaktoren in der Pharmaindustrie. Alles, was hier schiefläuft, geht ins Geld. Eine grosse klinische Studie kann Hunderte von Millionen Franken kosten; die gut 2,5 Milliarden Franken, welche es braucht, um eine neue Therapie erfolgreich auf den Markt zu bringen, bleiben grösstenteils bei der Medikamentenentwicklung hängen. Zuerst Microsoft, dann Amazon Zudem arbeitet Novartis daran, das Potenzial zu heben und Daten aus zwei Millionen Patientenjahren aus schon abgeschlossenen klinischen Studien zu integrieren – ein anspruchsvolles Unterfangen. Ziel ist, Erkenntnisse zu gewinnen, die zuvor unentdeckt blieben. Nun zündet Novartis die nächste Stufe der digitalen Transformation – und zwar mit strategischen Partnerschaften mit Big Tech. Erst im Oktober dockte der Basler Pharmakonzern bei Microsoft an. Die auf fünf Jahre angelegte Zusammenarbeit läuft unter dem trendigen Namen «AI Innovation Lab» und umfasst Punkte wie «die Kraft von künstlicher Intelligenz an den Schreibtisch jedes Novartis-Angestellten bringen». Oder das Ziel, «einige der grössten Herausforderungen von Computing in der Pharmaindustrie in Angriff zu nehmen». Es gehe darum, die Medizin neu zu denken und die grössten Herausforderungen des Gesundheitswesens in Angriff zu nehmen, erklärten Novartis-CEO Vas Narasimhan und Microsoft-Boss Satya Nadella dem Publikum in Videos. Details darüber, was das alles heisst, gibt es – noch – keine. Nun kommt auch noch Amazon ins Spiel. Ziel der Zusammenarbeit mit den Webservices des Online-Händlers ist, alle in der Wertschöpfungskette von Novartis anfallenden Informationen zu konsolidieren und in eine unternehmensweite Plattform zu integrieren – von der Beschaffung der Rohstoffe über die Produktion bis hin zur Distribution der fertigen Medikamente und Therapien. Dazu kommen die Informationen vom Internet of Things und von Kameraaufnahmen in den Produktionsanlagen, die etwa dabei helfen können, «sich abzeichnende Ausfallzeiten oder Fehlbestände systematischer und rascher zu erkennen», wie Bertrand Bodson sagt. «Wir wollen smarte und skalierbare kundenfreundliche Lösungen für die Mitarbeitenden aufbauen», sagt der Digital-Chef, der einst selbst in den Diensten von Amazon-Chef Jeff Bezos stand. Es geht um enorme Datenmengen. Und um die Produktionsinfrastruktur von Novartis mit sechzig Fabriken. Dazu kommen laufend neue Einrichtungen für die Zell- und Gentherapien. «Substanzielle Ressourcen» Das sei keine Geschäftsbeziehung, bei der es um den Bezug einer Leistung gehe, sondern eine «wirkliche Zusammenarbeit, bei der beide Seiten substanzielle Ressourcen bereitstellen», sagt Digital-Chef Bodson. Und: «Wir sind sehr stolz, dass wir von Amazon ausgewählt wurden, um die Nutzung von Big Data und künstlicher Intelligenz in der Gesundheitsindustrie auf die nächste Stufe zu heben.» Aus seiner Tätigkeit bei Amazon wisse er, dass die Unternehmen, die bei solchen Projekten zum Zug kämen, sehr sorgfältig ausgewählt würden. Novartis als Showcase für eine ganze Industrie: Die Basler folgen damit dem Beispiel von Volkswagen. Der Konzern ging im Frühling als erstes Unternehmen der Automobilindustrie eine vergleichbare Kooperation mit Amazon ein. Und anders als bei Novartis gibt es bei Volkswagen sogar Zahlen: Die Produktivität der Produktion des Autoriesen soll um 30 Prozent steigen. Zwei Kollaborationen mit Tech-Giganten in nur zwei Monaten: Das ist selbst für einen ambitionierten CEO wie Vas Narasimhan ein strammes Programm. Sein Digital-Chef sagt: «Wir haben viel erreicht, aber wir haben immer noch einen langen Weg vor uns, um unsere grossen Ambitionen zu erreichen.» Wenn das kein Versprechen ist.

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Pharma goes Tech: Novartis mit dem nächsten grossen Coup