Robby Yung, Chef des Spielsoftware-Konzerns Animoca Brands: «Wir stehen zwischen iPhone-Lancierung und ‹Angry Birds›»

Sie führen einen Milliardenkonzern, der Animoca Brands heisst. Tönt nach einer neuen Kaffeemarke von Nestlé. Ist es nicht. (lacht) Ein Kunstname, kurz und einprägsam. Und die Domain war frei. Animoca Brands ist der Weltmarktführer in der Welt der digitalen Games. Wir sind in zwei Feldern drin: Die eine Hälfte ist das Studiogeschäft, in welchem wir Games wie «Phantom Galaxies», «Crazy Kings», «Rollercoaster Tycoon» oder «Garfield’s Adventures» entwickeln und weltweit auf den Markt bringen. Die andere Hälfte ist unsere Venture-Capital-Initiative. Wir stecken Geld in Web3-Startups und sind mittlerweile wohl der aktivste Investor in Web3. Web1, Web2 und jetzt Web3? Web1 entwickelte sich in den 1990er Jahren. Damals ermöglichte das Internet die Verbreitung von Inhalten, die wir alle lesen konnten. Web2 kam in den Nullerjahren, da ging es ums Lesen und ums Schreiben. Es gab Blogs, Social Media, Videos, alle tauschten sich aus. Web3 kam vor zehn Jahren auf, mit Bitcoin und Blockchain. Nun wurde der Besitz von Dingen in der digitalen Welt möglich. Was ist die treibende Kraft? Die Verbreitung von Blockchain und die Tokenisierung erlaubt es, Werte und Eigentumsrechte zwischen Menschen, Firmen oder Behörden zu verschieben, zu tauschen, zu verkaufen, zu verschenken. Das gabs im Internet noch nie, nicht in einem sicheren System. Es braucht nicht einmal eine Schweizer Bank? Ich brauche dazu keine Bank, kein Finanzsystem. Aber das heisst natürlich nicht, dass wir das Finanzsystem obsolet machen, das wäre Unsinn. Doch es gibt auf dieser Welt Milliarden von Leuten, die kein Bankkonto haben und keine Kreditkarte. Ein Grossteil der Welt ist «unbanked». Blockchain ist der Weg, um diese Leute in ein Finanzsystem einzubinden. Animoca Brands wird an der Börse Australiens aktuell mit 6 Milliarden Franken bewertet. Sie kaufen jeden Tag irgendwo eine Firma. Wie lange dauert Ihre Shoppingtour noch? Wir bewegen uns in einer unglaublich dynamischen Branche, da werden jeden Tag neue Firmen kreiert, weil sich Web3 derart rasant entwickelt. Da sehen wir unglaublich viele Opportunitäten, um den Wert von Animoca Brands und ihrer Beteiligungen zu steigern. Da kommt ein buntes Portfolio zusammen. Wir sind fokussiert auf Games und wollen, dass die Firmen aus diesem Genre zusammenarbeiten. Hilfreich ist, dass wir eine ähnliche Kultur haben: Es geht stets um Games, Design, Animation, Film, Musik und dezentrale Finanzapplikationen. Für mich ist es nur logisch, dass wir in diesen Bereichen unsere Finger in jedes neue Honigglas stecken. Robby Yung (51) ist der Chef von Animoca Brands, einer Gaming-Firma mit Sitz in Hongkong und London. Er arbeitete in der Film-, Medien- und Softwarebranche, zudem gründete er in China und Hongkong diverse Startups. Animoca ist an der Nasdaq und der australischen Börse kotiert, ihr Börsenwert: knapp 6 Milliarden Dollar. Zu den Investoren von Animoca Brands gehören Hedgefunds, Pensionskassen, Samsung, Sequoia, Atari, Scopely oder Winklevoss Capital. Ihr Appetit ist schier grenzenlos. Bis heute haben wir in 350 Firmen investiert. Weil wir überzeugt sind: Web3 ändert die Nutzung des Internets. Und die Gaming-Industrie beeinflusst am Schluss die gesamte Consumer Electronic. Nehmen wir Online-Payments: Diese wurden stark getrieben von der Gaming-Industrie. Wie behält der Chef da noch den Überblick? Ich kenne viele Firmen in- und auswendig, weil ich selber fünfzig Akquisitionen durchgezogen habe, aber ich kenne längst nicht alle. Es kommt vor, dass ich an einem Anlass mit jemandem ins Gespräch komme – und die Person sagt mir: Oh, schön dich kennenzulernen, du bist unser Geldgeber. (lacht) Und was braucht es neben Geld? Gute Nerven, Anpassungsfähigkeit. Denn alles in der Game-Branche ist im Fluss. Und man muss sich hier darauf einstellen, sich alle vier Jahre neu zu erfinden. Das einzig Stabile ist, dass wir seit 22 Jahren in Hongkong in denselben Büroräumlichkeiten sind. Unser Geschäft hat sich in dieser Zeit mehrfach komplett geändert. Sie haben in Chicago Kunst studiert und sind dann ins Business abgebogen, vorerst in China. Ich begann meine Karriere im Bereich TMT – Telecom, Media, Technologie. Ich startete in Telecom, ging ins Internet, in traditionelle Medientitel, auch Magazine habe ich in China vertrieben. Dann hatte ich wieder mal mit meinem Jugendfreund Yat Siu, Co-Gründer von Animoca Brands, Kontakt und kam so zur Firma. Er war im Mobile-Geschäft, damals war das iPhone gerade mal seit drei Jahren auf dem Markt. Später begann der Boom der Apps. Sie erinnern sich vielleicht: Damals kam das Puzzle-Game «Angry Birds» auf. Mit Web3 stecken wir genau in dieser wilden Phase – zwischen iPhone-Lancierung und «Angry Birds». In Schweizer Firmen haben Sie ebenfalls investiert? Wir haben in eine Digitalbank investiert, die ihre Hauptsitze in der Schweiz und in Singapur hat. Dann haben wir Geld in eine Blockchain-Game-Firma investiert, sie heisst Alien Worlds, eine der ersten erfolgreichen Game-Entwickler. Kürzlich kauften Sie die Game-Firma Eden aus Frankreich, die führend ist bei E-Sports-Games. Grosse Pläne? Eden ist einer der Marktführer bei Motorsport-Games. Nun haben wir das Eden-Studio in Lyon und dazu das Grease-Monkey-Studio in Melbourne, die sind spezialisiert auf Drifting. Das gibt Synergien. Rauchende Reifen – auch was für Sie? Absolut, aber nur digital. (lacht) Mich fasziniert, wie Blockchain E-Sports revolutioniert. Nun können E-Sports-Athleten und -Athletinnen an Wettbewerben teilnehmen und Preisgelder gewinnen. Oder Spielerinnen und Spieler können ihre Pokale verkaufen, ihren Wagen selber kreieren und ausstatten und diesen mit Tokens weiterverkaufen oder in ein anderes Rennen mitnehmen. Und wie wäre es mit E-Fussball? Wir haben ein Joint Venture mit Onefootball aus Berlin, dem grössten Lieferanten von E-Football-Mediainhalten. Das Unternehmen betreut über hundert Fussballligen und Tausende von Clubs weltweit, in der Bundesliga, in der Serie A, in der Primera División in Spanien oder Argentinien. Was bevorzugen Sie: Fussball oder Drifting? Motorsport. Da haben wir grosse Pläne. Mit der Formel 1 sind wir schon lange im Geschäft. Aktuell entwickeln wir die Formel-1-Games fürs Mobile, dann arbeiten wir mit Moto GP und FIA-Formel E zusammen. Was fahren Sie – Motorrad oder Sportwagen? Ich bin nicht mehr ganz der Jüngste, habe Familie und fahre einen Van. Und was kommt als Nächstes? Boxen, Golf, Basketball? Wir sind mit vielen Sportarten und Ligen im Gespräch. Sport ist ein Bereich, in dem wir mit Web3 einen grossen Beitrag leisten können. Dank Non-Fungible Tokens (NFT) plus Blockchain können wir Spiele verbinden mit Action-Games, dazu mit Ticketing und Kundenbindungsprogrammen. Sport-Gaming hat eine unglaubliche Reichweite und ist geeignet, möglichst viele Leute mit Web3 in Berührung zu bringen. Spielen Sie selber auch? Klar bin ich aktiver Gamer, würde aber gerne mehr spielen. Ich liebe zwei Kategorien: Driving-Games und Puzzle-Games. Als ich aufwuchs, waren Pong oder Pacman angesagt. Meistens spiele ich auf dem Smartphone. Zürich haben Sie nicht auf der Landkarte? Disney Research Studios forscht an der Universität Zürich. Wir haben längst ein Auge auf die Schweiz geworfen. Hauptgrund ist die Regulierung: Wir haben in Web3 die Herausforderung, dass die Technik viel schneller unterwegs ist als die Regulierung. Die Schweiz, Singapur und Dubai sind am weitesten. Das macht die Länder attraktiv, um dort ein Web3-Standbein aufzubauen, weil man weiss, worauf man sich einlässt. Regulierung ist nicht das Ärgernis? Nein, Nichtregulierung ist mühsam. Wenn es Regeln gibt, kann man sich darauf einstellen. Gibt es keine, muss man sich als verantwortungsvolle Firma auf alles vorbereiten, also macht man nur kleine Schritte. Am einfachsten wäre es, wenn es einfache weltweite Regeln gäbe, die alle zu befolgen haben. Das ist aber nicht der Fall, weil gerade die Persönlichkeitsrechte oder Eigentumsrechte national sehr unterschiedlich sind. Deshalb beschäftigen wir viele Anwälte und Anwältinnen unter den 700 Mitarbeitenden; sie kennen sich in den nationalen Regulierungen bei Online-Games aus. Ein Wachstumsmarkt in der Digitalwelt ist auch E-Education. Für Sie ebenfalls? Absolut. Wir haben soeben in Israel die Ed-Tech-Plattform Tinytap gekauft. Das ist ein superkreatives Digitalangebot für Lehrerinnen und Lehrer, um ihren Unterrichtsstoff zu verbreiten und allenfalls zu monetarisieren. Zudem können hier Kids ihre eigenen interaktiven Lektionen kreieren. Und wie lernen Ihre Kinder? In einer Kombination von traditionellem Lernen und Screentime. Das ist heute ein Teil der interaktiven Lernzeit der Kinder, aber logischerweise nicht rund um die Uhr. Meine Eltern haben auch nicht zugelassen, dass ich ständig vor dem TV-Bildschirm oder am Smartphone sass. Wie viel Screentime gibts im Haus Yung? Ein paar Stunden liegen drin. Aber sie ersetzen ja auch Dinge, die wir früher machten. Wir hingen am Telefon, trafen uns beim Kiosk und haben geplaudert und vielleicht eine Eiscreme gekauft. Das alles hat manchmal auch Stunden gedauert.

Robby Yung, Chef des Spielsoftware-Konzerns Animoca Brands: «Wir stehen zwischen iPhone-Lancierung und ‹Angry Birds›»

«Mich fasziniert, wie Blockchain E-Sports revolutioniert›»

Sie führen einen Milliardenkonzern, der Animoca Brands heisst. Tönt nach einer neuen Kaffeemarke von Nestlé.

Animoca Brands ist der Weltmarktführer in der Welt der digitalen Games.