Salt bleibt dabei: Es war Vertragsbruch

Am 19. November teilte die Schweizer Börse mit, UPC-Eigentümerin Liberty Global halte 98,2 Prozent der Aktien von Sunrise. Die Übernahme war gelaufen. Und Widersacherin Salt hat den Versuch aufgegeben, diese superprovisorisch zu verhindern. Der abschlägige Bescheid des Zürcher Gerichts wurde nicht weitergezogen. Alles gut also? Nein. Nicht wenn es nach Xavier Niel geht. Niels Firma NJJ Telecom besitzt den Mobilfunker Salt. Und dieser fühlt sich gleich doppelt betrogen. Einmal, weil die Anfang 2020 angekündigte Festnetzpartnerschaft zwischen Salt und Sunrise für ein gemeinsames Glasfasernetz Makulatur wurde, als sich Sunrise an den Hals von Festnetzbetreiberin UPC warf. Salt bestätigt Auflösung des Joint VenturesDas Joint Venture sei bereits aufgelöst, bestätigt Salt. In der Swiss Open Fiber AG sitzt seit kurzem UPC-Chefjuristin Nadine Zollinger, wie aus dem Handelsregister hervorgeht. Auf dem Stuhl von Salt. Betrogen sieht sich Niel auch um die Möglichkeit, Salt selber für viel Geld in eine Fusion mit UPC zu führen. Das zeigen Aussagen in den Dokumenten, die Salt vor Gericht in den USA eingereicht hat. Dort kämpft Niel noch immer darum, dass Liberty Akten herausrückt, mit denen er in Zürich gegen Sunrise klagen kann. Salt habe mehrere Angebote auf dem Tisch gehabt, schreibt Anwalt Thomas Werlen. «In Übereinstimmung mit den Bedingungen des Exklusivitätsabkommens hat NJJ keine Gespräche mit Liberty geführt.» Um diese Exklusivität dreht sich alles. Und dazu tauchen immer mehr Details in den Gerichtsakten auf. Die besten Telekomanbieter 2020: Kleine Anbieter setzen sich an die Spitze Im März hatten Sunrise und Salt vereinbart, keine «Gespräche» mit Dritten zu führen. Gemeint war Liberty, die bereits beide Seiten kontaktiert hatte. Einzige von Sunrise verlangte Ausnahme: Auf ein öffentliches Übernahmeangebot solle man reagieren können. Mitte Juni wurde dieses Abkommen auf Wunsch von Sunrise verlängert. Salt wähnte sich in Sicherheit. Gerichtsdokumente bestätigten VerdachtDoch kurz darauf begann, was von Salt als Verhandlung bezeichnet wird. Die Gerichtsdokumente scheinen den Verdacht zu bekräftigen. Am 17. Juli schreibt Libertys CEO Mike Fries einen Brief an Sunrise-Präsident Thomas Meyer. Bezugnehmend auf ein vorangegangenes Telefongespräch wolle er «formell das Interesse bekunden an einem Zusammenschluss unserer Tochter UPC Switzerland und Sunrise». Liberty bietet 100 Franken pro Aktie oder 4,5 Milliarden Franken. Berater der Credit Suisse und von J.P. Morgan seien bereits an der Arbeit, schreibt Liberty-Chef Fries. Gleichzeitig stellt er Fragen. So müsse man genauer verstehen, wie viel Kapital aufgewendet werden müsste, wenn «man gezwungen sein könnte, die Abhängigkeit von Huawei zu reduzieren oder ganz zu beseitigen». Der chinesische Ausrüster macht der stark in den USA tätigen Liberty Bauchweh. Sechs Tage später geht ein weiteres Angebot ein. Fries dankt für die «prompte Antwort». «Unseren jüngsten Diskussionen folgend» erhöht er den Preis auf 105 Franken. Als Nächstes müsse man mehr Infos zu bereits erwähnten Themen erhalten. Unterstrichen: «Ihr Verhältnis zu Huawei». Neues Angebot im JuliAm 24. Juli geht ein Angebot über 110 Franken bei Sunrise ein, und jetzt schlägt Meyer ein. Auf Basis dieses Preises sei man Willens, Zugang zu einer Due Diligence zu gewähren. Meyer antwortet auf die Bedenken zu Huawei: «Das Risiko eines materiellen Einflusses auf das Geschäft ist tief, insbesondere mit Blick auf die Schweizer Gesetzgebung.» Gleichzeitig wirbt er mit einem Upside aus dem seit Jahren schwelenden Streit mit der Swisscom um ADSL-Preise im Umfang von 350 Millionen Franken. Er schliesst wie folgt: «Wir teilen Ihre Ansicht, dass es in unserem gemeinsamen Interesse liegt, diese Diskussion zügig abzuschliessen.» Am 3. August unterzeichnen Sunrise und Liberty eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Unter dem Codenamen «Project Sapphire» skizzieren sie die Übernahme des Edelsteins «Sapphire» Sunrise durch den Luchs «Lynx» Liberty. Konkurrenz wird ausgeschaltetIn einem «Transaction Agreement Summary» wird auch gleich die Konkurrenz ausgeschaltet. Sollte ein Dritter infolge des Übernahmeangebots mehr bieten, habe «Lynx» das Recht, mitzuziehen. Erst am 12. August – ein Monat nach dem 100-Franken-Angebot – erfolgt das öffentliche Übernahmeangebot. Wenige Tage danach macht Sunrises Grossaktionär Freenet mit seinem Verkauf den Weg frei. Noch am Tag des Angebots reicht Salt seine Klage in Zürich ein. Und kurz darauf jene in Denver/USA. Salt verdient nach Verkauf der Antennen weniger Geld Dort bekämpfen sich Liberty und NJJ/Salt derzeit mit Anträgen und Gegenanträgen. Anders als in Zürich kam Richterin Christine Arguello früh zum Schluss, dass an den Vorwürfen etwas dran sein könnte. Nun geht es darum, welche Dokumente Liberty an Salt herausrücken muss, damit diese in der Schweiz gegen deren Neo-Tochter Sunrise klagen kann. Sunrise bricht Vereinbarung mit SaltFür Salt ist klar, dass Sunrise die Exklusivitätsvereinbarung verletzt hat, wie Sprecherin Viola Lebel festhält: «Wir hatten eine Exklusivitätsvereinbarung, die sehr gezielt Absprachen mit UPC zu einer Übernahme verhindern sollte. Wir sind der Meinung, dass die Vereinbarung durch Sunrise gebrochen wurde.» Sunrise antwortete auf eine Anfrage der «Handelszeitung» nicht. Auch Liberty kommentiert das Verfahren in den USA nicht. Zur Abhängigkeit von Huawei verweist Liberty auf Aussagen von Mike Fries zum Zeitpunkt des Übernahmeangebots. «Das ist ein Thema, das gelöst werden kann und wird und das keinen Impact auf die Attraktivität des Deals haben wird.» Libertys Bedenken waren offenbar schon im Vorfeld zerschlagen worden.