Trophy Watches: Rolex bricht das jahrelange Schweigen

Rolex ist ein Phänomen. Keinem anderen Schweizer Unternehmen ist es so perfekt gelungen, sich den Mantel des Luxus umzulegen, obwohl man eigentlich eine Liga darunter spielt. Wenn wir simplifizieren, dass Luxusprodukte teuer sind, dann ist eine Rolex kein Luxusprodukt. Wenn wir annehmen, dass Luxusprodukte rar sind, dann ist eine Rolex ebenfalls kein Luxusprodukt. In profanen Zahlen: Knapp 10'000 Franken kostet eine neue Rolex im Schnitt beim Uhrenhändler. Im Vergleich dazu, dass man für weniger als 5 Franken eine Uhr kaufen kann, sind 10'000 Franken natürlich viel. Im Vergleich dazu allerdings, dass etwa eine Patek Philippe oder eine Audemars Piguet im Schnitt rund 35'000 Franken kosten, sind 10'000 Franken wenig. Auf der Liste der grössten Schweizer Uhrenmarken von Luxeconsult und Morgan Stanley jedenfalls gibt es zig Brands, die im Schnitt für ihre Zeitmesser mehr verlangen als Rolex. Allerdings gibt es nicht viele Marken, die pro Jahr mehr Uhren produzieren als Rolex. 2020 waren es nur drei: Swatch mit 3,1 Millionen Stück, Tissot mit 2,4 Millionen Stück, Longines mit 1,5 Millionen Stück. Zum Vergleich: Patek Philippe produziert 53'000 Uhren, AP rund 40'000 und Richard Mille bloss 4300 Stück. Obwohl Rolex also preislich zu tief und mengenmässig zu hoch liegt für eine Luxusprodukt, gelten die Uhren des Genfer Unternehmens als das ultimative Statussymbol. Rolex schweigt, Mythen und Mutmassungen gedeihen Doch das ist nur die eine Seite des Phänomens Rolex. Die andere Seite ist: Um kaum ein anderes Schweizer Unternehmen ranken sich mehr Mythen und Mutmassungen. Der Grund: Das Unternehmen schweigt. Fast immer und zu fast allem. Umsätze, Gewinne, Stückzahlen: Alles bloss Schätzungen. Umso erstaunlicher daher, dass sich Rolex kürzlich erstmalig (und wohl auf absehbare Zeit einmalig) zu einem Thema geäussert hat, das viele potenzielle Kundinnen und Kunden seit Jahren umtreibt. Die Rede ist von den endlos langen Wartelisten für bestimmte Modelle. Und von den völlig aus dem Ruder laufenden Preisen für diese kaum erhältlichen Modelle auf dem Secondhand-Markt. Wohlgemerkt: Rolex sagt wenig und wenig Erhellendes. Aber Rolex hat sich – eine kleine Sensation – geäussert. Konkret gegenüber «Yahoo Finance» in einem Bericht über aktuelle Engpässe auf den Weltmärkten. Rolex hält fest: «Die Verknappung unserer Produkte ist keine Strategie unsererseits.» Und weiter: «Unsere derzeitige Produktion kann die bestehende Nachfrage nicht vollständig befriedigen, zumindest nicht ohne die Qualität unserer Uhren zu mindern – was wir ablehnen, da die Qualität unserer Produkte niemals beeinträchtigt werden darf.» Und schliesslich: «Alle Rolex-Uhren werden an unseren vier Standorten in der Schweiz entwickelt und hergestellt. Sie werden mit äusserster Sorgfalt von Hand zusammengebaut, um die einzigartigen und hochwertigen Qualitäts-, Leistungs- und Ästhetikstandards der Marke zu erfüllen. Dies schränkt verständlicherweise unsere Produktionskapazitäten ein, die wir jedoch so weit wie möglich und stets nach unseren Qualitätskriterien ausbauen.» Wenn jeder haben kann, was alle wollen, will es keiner mehr Kurz zusammengefasst: Rolex-Uhren sind zu gut, um viel mehr davon herzustellen. Was natürlich nicht stimmt. Rolex hätte sehr wohl die Mittel, um die Produktionskapazitäten der Nachfrage entsprechend zu erhöhen, auch ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Was aber nicht im Interesse des Unternehmens ist: Eine deutlich erhöhte Verfügbarkeit von all den Daytonas und Submariners, welche die Menschen kaufen wollen und kaufen würden, wenn es sie denn gäbe beim Händler ihrer Wahl, würde erstens die Preise auf dem Secondhand-Markt drücken (und damit auch den Wert der Uhren, die Rolex respektive die Händler bereits verkauft haben) und zweitens den ohnehin prekären Status einer Rolex als Luxusprodukt gefährden. Wenn jeder haben kann, was alle wollen, will es keiner mehr. Gegenüber «Yahoo Finance» geht Rolex auch auf das Problem der Wartelisten ein, selbstverständlich ohne das Wort selbst in den Mund zu nehmen. «Rolex-Uhren sind ausschliesslich bei offiziellen Händlern erhältlich», so das Unternehmen. «Die Händler verwalten die Zuteilung von Uhren an Kunden unabhängig.» Will heissen: Rolex liefert, danach sind es die Händler, die gegenüber den Kunden in der Verantwortung stehen. Tatsächlich ist es so, dass Uhrenhändler, sollten sie denn zwischendurch ein heiss begehrtes Rolex-Modell geliefert bekommen, dieses natürlich zuerst an ihre guten Kunden verkaufen wollen. Kunden, die ihr Geld eben nicht bloss für die eine Submariner ausgeben wollen, sondern regelmässig Geld beim Händler liegen lassen, gerne auch für hochmargigen Schmuck oder eher schwer zu verkaufende Uhren. Was Rolex nicht sagt, ist, dass es das Unternehmen in der Hand hätte, die Zuteilungswillkür der Händler zu beenden. Indem Rolex selbst Wartelisten führen würde. Richtige Wartelisten, auf denen man ganz unten eingetragen wird und nach oben rückt, wenn andere Kunden ihre Uhren erhalten haben. Solche Listen online zu implementieren und zu pflegen, wäre ein Leichtes. Es würde aber bedeuten, dass Rolex selbst mit den Endkunden – sprich: mit den Konsumentinnen und Konsumenten – in Kontakt treten müsste. Nachdem Rolex eben erst das Schweigen zu Wartelisten und Preisen gebrochen hat, wäre das allerdings wohl eine regelrechte Revolution. Und dafür ist Rolex nicht gemacht. Noch nicht.