Wie die Teuerung drei Schweizer Unternehmen trifft

Die Schweiz erscheint wieder einmal als Insel. Während in den USA Wirtschaft und Bevölkerung unter der höchsten Inflation seit Jahrzehnten leiden, während der Euro-Staat Deutschland die grösste Preissteigerung seit Jahrzehnten meldet, erhöhen sich die Konsumgüterpreise hierzulande viel weniger stark. Unter 1 Prozent – 0,9 Prozent – dürfte die Teuerung in diesem Jahr betragen, erwartet etwa die UBS. Die Inflationsrisiken in der Schweiz seien «überschaubar», sagte der Chefökonom der UBS Schweiz, Daniel Kalt, vergangene Woche. Wer mit Unternehmen spricht, erhält ein anderes Bild. In vielen Betrieben sind die Kosten massiv gestiegen. Die weltweiten Lieferengpässe erschweren und verteuern den Wareneinkauf. Die Rechnungen für Strom und fürs Heizen sind viel höher. Und die Personalausgaben steigen, weil geeignete Mitarbeitende schwierig aufzutreiben sind. Es ist ein schwer verdaulicher Cocktail, der preistreibend für die ganze Konjunktur ist. Mit anderen Worten: Es hat auch einen Effekt auf die Konsumentenpreise, wenn die Produzentenpreise steigen. Plötzlich verlangt die Bäckerin vielleicht fünf Rappen mehr für das Brot, oder die Rechnung für das neue Bettgestell fällt höher aus.So trifft die Energiekrise die Firmen und Privatkunden in der Schweiz Strom- und Gaspreise erreichen Rekordwerte, Experten nennen es Versorgungskrise. Das werden auch Kleinkunden spüren. Wann? Wie stark? Wie lange? Abo «Habe so etwas noch nie erlebt» «In meinen dreissig Jahren bei Sprüngli habe ich so etwas noch nie erlebt», erzählt Milan Prenosil, der Mitinhaber des Zürcher Confiserieunternehmens. Für viele Zutaten bezahlt Sprüngli deutlich mehr als letztes Jahr, etwa für Kakao, Früchte oder Haselnüsse. Auch die Verpackung kostet mehr, für Kunststofffolien, Karton und Papier verlangen die Lieferanten zum Teil bis zu einem Drittel zusätzlich. «Wegen Lieferengpässen konnten wir vor Weihnachten einige Produkte nicht anbieten, weil uns die Hülle fehlte. Jetzt vor Ostern stellt sich das gleiche Problem. Die Folien für die Produktion von Schokoladespezialitäten sind beispielsweise 40 Prozent teurer als zuvor.» Der Zürcher Unternehmer glaubt nicht an ein rasches Ende der Kostensteigerungen. «Die höheren Preise für Energie, Transport und Verpackungsmaterial werden wir auch noch nächstes Jahr spüren. Bei den Lebensmitteln bin ich zuversichtlich, hier hängt es von den Ernten ab.» Auch für die Löhne muss Sprüngli mehr einrechnen, die Personalsuche ist anspruchsvoller geworden. «Häufig sind die Leute nicht geeignet», sagt Prenosil, «oder sie haben sehr hohe Lohnvorstellungen.» Die Preise hat Sprüngli bis jetzt nicht erhöht. «Dass sie gleich bleiben, kann ich nicht garantieren. Migros oder Coop sind ja auch mit den Preisen hinauf. Wir sind in einer unangenehmen Situation», beschreibt Prenosil den Gemütszustand. «Eigentlich sollten die Preise sinken» In der Gastronomie ist die Mitarbeitersuche das grosse Problem. «Wir müssen bei neuen Angestellten 5 bis 10 Prozent mehr Lohn einrechnen», sagt Samuel Vörös von der Luzerner Firma Schatz, die rund 25 Restaurants und Hotels in der ganzen Schweiz betreut, unter anderen das Hotel «Kastanienbaum» am Vierwaldstättersee, die «Lokremise» in St. Gallen und die «Stadtkäserei» in Zürich. Total hätten sich die Personalausgaben über sämtliche Betriebe hinweg etwa um 15 Prozent erhöht. Für Lebensmittel müssen die Restaurants zwar nicht mehr bezahlen, von Ausnahmen wie Prosecco abgesehen. «Eigentlich sollten die Warenkosten mit dem starken Franken aber jetzt sinken», findet Vörös. Grosszügiger kalkulieren muss Vörös, wenn er heute neue Möbel anschaffen muss oder eine Renovation ansteht. «Investitionsgüter sind viel teurer geworden, für Stühle bezahlten wir kürzlich einen Aufschlag von 20 Prozent. Auch Strom und Heizen sind nun grössere Kostenblöcke. Diese Teuerung macht uns Sorgen.» «Heftiger Kostenschub» Nils Kambly leitet mit seiner Frau den bekannten gleichnamigen Emmentaler Gebäckhersteller. Kambly spricht von einem «generellen heftigen Kostenschub» und noch nie gesehenen Herausforderungen in der Beschaffung. «Seit Sommer 2021 sind wir teilweise mit sprunghaft ansteigenden Kosten und unsicherer Versorgung konfrontiert. So sind gewisse Getreidesorten aufgrund des nassen Sommers nicht oder nur sehr eingeschränkt verfügbar. Zusammen mit unseren Lieferanten und Beschaffungspartnern versuchen wir dennoch, das Unmögliche möglich zu machen. Aber auch die Logistik und die Energie wie Strom und Gas sind von massiven Kostensteigerungen betroffen», sagt Nils Kambly. Der Unternehmer glaubt nicht, dass sich die Kosten rasch wieder normalisieren werden.