Wie Samih Sawiris’ Projekt in Uri: Immobilienkönig Stefano Artioli plant in San Bernardino ein kleines Andermatt

Die Firma heisst San Bernardino Swiss Alps. Der Name tönt bekannt, er gleicht jenem der Firma von Samih Sawiris für sein Feriendorf in Andermatt: Andermatt Swiss Alps. Tatsächlich weisen die Vorhaben mehr als nur einige Gemeinsamkeiten auf. Die offensichtlichste: Hinter beiden steht ein reicher Mann, der ein kriselndes Bergdorf als Feriendestination wach küssen will. In Andermatt ist es der ägyptische Milliardär Samih Sawiris, in San Bernardino im Misox der Tessiner Immobilienunternehmer Stefano Artioli. Was Artioli im kleinen Bergdorf plant, ist etwas kleiner dimensioniert als das Feriendorf Andermatt. Aber kaum weniger ambitioniert – der Tessiner hat beim Südportal des San-Bernardino-Tunnels an der Autobahn A13 Grosses vor. Die Bevölkerung steht hinter dem Projekt Innert fünf Jahren – bis 2027 – sollen neue Hotels und Dutzende Apartments mit bis zu 1500 Betten entstehen. Der Investor will das Skigebiet Alp de Confin erneuern, ausbauen und der Destination unter anderem zu einer Sportanlage, einem Spa- und Wellness-Resort, neuen Restaurants, Parkplätzen (900) sowie zu einem Fernwärme-Heizsystem verhelfen. Im Sommer sollen Wanderwege und Mountainbike-Trails die Gäste anlocken. Das Projekt ist bereits angelaufen, Artioli hat mehrere der stillgelegten Hotels im Dorfzentrum gekauft und sich das Recht gesichert, diesen Sommer die Skianlagen zu übernehmen. Die Bevölkerung von San Bernardino steht hinter dem Projekt, am 18. Juni stimmte sie dem Vorhaben zu, ein Grundstück im Dorfzentrum an Artiolis Firma zu verkaufen – auf dem Terrain soll das Resort mit Tiefgarage entstehen. Das Preisschild mutet mit Blick auf den ehrgeizigen Plan bescheiden an – total rund 300 Millionen Franken sollen nach heutigem Stand nach San Bernardino fliessen. Dieses Geld will die Familie Artioli aufbringen. Auch eine finanzielle Beteiligung der umliegenden Gemeinden steht zur Diskussion. Ein Wunsch geht in Erfüllung Wie Artioli genau rechnet, bleibt unklar, seine Firma gibt keinen Einblick in den Business-Plan. In der Region ist die Freude dennoch gross. Was nicht überrascht, schliesslich geht dank Artioli ein Wunsch in Erfüllung. Seit Jahren sucht die Region nach Geldgebern, welche die Skidestination San Bernardino zum Leben erwecken, ein Masterplan für die Wiedergeburt steckt in der Schublade. Denn es herrscht Tristesse. Seit 2012 sind die Anlagen Alp de Confin zu, die 40 Pistenkilometer unberührt. Nur am anderen Hang, bei Pian Cales, laufen die vier Lifte auch in diesem Winter. Die touristischen Glanzzeiten liegen lange zurück, in den 1970er und 1980er Jahren. «Wir haben jahrelang auf jemanden wie Stefano Artioli gewartet», sagt der Direktor des regionalen Tourismusbüros, Christian Vigne. «Er ist ein Unternehmer und wird mit diesem fantastischen Projekt San Bernardino ein neues Image geben.» Christian De Tann, Präsident der Gemeinde Mesocco, zu der das Dorf gehört, spricht von einem «Glück». Das Projekt sei komplex, aber realistisch. Stefano Artioli wird in San Bernardino warm empfangen. Und er spricht seinerseits in warmen Worten von dem Dorf. «San Bernardino ist ein wunderschöner Ort, ich bin als Zehnjähriger dort Ski gefahren.» Unterhalb des Passes San Bernardino solle eine «kleine Perle der Alpen» entstehen, seine Vision sei eine Art «Mini-Zermatt». Das Walliser Dorf ist Vorbild – und auch Samih Sawiris’ Resort Andermatt dient als Inspiration. «Samih Sawiris ist wie ich ein Entwickler, der eine Vision hat und sie zu Ende führt. Unser Projekt in San Bernardino ist aber deutlich kleiner.» Artioli will beweisen, dass auch die italienische Schweiz hohe Qualität bieten könne – vor allem in Norditalien soll der Ort etwas Glanz bekommen, denn von dort sollen viele der Apartmentkäuferinnen und Hotelgäste kommen. «Unsere Zielgruppe sehen wir vor allem auf der Achse Lugano–Mailand sowie aus dem Rest der Lombardei.» Eine Grösse im Tessiner Immobilienmarkt Artioli ist mit dem Tessin verbunden – und er hat den Kanton geprägt, zumindest architektonisch: Viele Gebäude tragen seine Handschrift. Der Immobilienunternehmer hat über die letzten Jahrzehnte Mehrfamilienhäuser, Gewerbezentren und andere Überbauungen im ganzen Kanton erstellt. Sein Konzern Artisa, aus der kleinen Metallbaufirma seines Vaters bei Bellinzona hervorgegangen, kommt heute nach eigenen Angaben auf einen Jahresumsatz von 341 Millionen Franken und besitzt Liegenschaften im Wert von 760 Millionen Franken. Pensionskassen und Finanzgesellschaften investieren in die Bauvorhaben. Der Konzern ist dem Tessin längst entwachsen. Heute macht Artisa 80 Prozent des Umsatzes ausserhalb des Kantons, in der Restschweiz und im europäischen Umland. Der Konzernsitz ist seit 2012 in Zug, und der Fokus liegt auf Spezialimmobilien wie Mikroapartments und Alterswohnungen. Unter der Marke City Pop baut Arista derzeit ein europaweites Netz von Kleinwohnungen auf. Artioli, 62-jährig, hat die Konzernleitung seinem 36-jährigen Sohn Alain übergeben und will sich nun dem Projekt San Bernardino und der Wiedereröffnung des Gran Hotel Locarno widmen. Denn auch diesen historischen, aber zuletzt arg vernachlässigten Hotelpalast hat Artioli mit seiner Firma Artisa erworben. 2025 soll das Gran Hotel frisch saniert und erweitert wiedereröffnet werden. «Das Gran Hotel Locarno wird das erste Haus unseres neuen Brands von Luxushotels, Les Arts. Das zweite Les Arts wird in San Bernardino sein, später werden in ganz Europa Standorte eröffnen», sagt Artioli.Einige Eckpunkte des Projekts 1500 bewirtschaftete Betten 4 Hotels (3 Designhotels und 1 Wellness-Resort) 3 Tiefgaragen mit insgesamt 900 Parkplätzen Ausbau und Modernisierung des Skigebiets Alp de Confin (1600 bis 2800 Höhenmeter). 2 Seilbahnen, 1 Sessellift, 1 Skilift, 1 Snowpark, Beschneiungsanlagen, Pistenrestaurants, 45 Pistenkilometer 400 neue Jobs in der Wintersaison 140 Tage Winterbetrieb, 100 Tage Sommerbetrieb Was ist von Stefano Artiolis Vision zu halten? Tourismusexperte Jürg Stettler von der Hochschule Luzern äussert sich skeptisch. «Die Grundidee ist grundsätzlich gut. Aber um erfolgreich zu sein, braucht es sehr hohe Investitionen und ein Topangebot. Der Investor muss erst noch beweisen, dass er diese hohe Qualität einlösen kann.» «Ich bin ein Machertyp» Grundsätzlich vermisst der Professor eine klare Positionierung. «Sie wollen Familien anlocken, bauen aber unter anderem auch ein Luxushotel. Da werden also viele Zielgruppen angesprochen. Aufgrund der beschränkten Grösse dürfte es aber schwierig werden, für alle ein passendes Angebot zu bieten.» Auch bei der Erreichbarkeit, dem Zeitplan und der Finanzierung macht Stettler Fragezeichen. «San Bernardino liegt zwar an der Nord-Süd-Achse, aber viele attraktive Skigebiete sind näher zu erreichen.» Der Fahrplan – 2027 soll das Resort weitgehend fertig sein – nennt Stettler sportlich. Und ob 300 Millionen Franken reichen? «Ohne substanzielle öffentliche Investitionen sind solche Projekte heute nicht mehr möglich», so Stettler. Und: «Wenn das Potenzial von San Bernardino so gross wäre, hätte längst jemand das Gebiet erschlossen.» Artioli hingegen sagt: «Seit Jahren wird über eine Erneuerung des Skigebietes gesprochen, aber niemand wollte das Risiko auf sich nehmen, es gab keine Unternehmermentalität. Ich bin ein Machertyp, ich will Dinge erreichen und nicht nur reden.» Dieser Artikel erschien in leicht veränderter Form bereits am 22. Dezember 2022.

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Immobilieninvestor Stefano Artioli plant in Graubünden ein kleines Andermatt