Grossbank in der Krise: Wie Pannen die Sanierung der Credit Suisse erschweren

Axel Lehmann hat den grössten Teil seiner Karriere in der Versicherungswirtschaft und an der Universität St. Gallen verbracht. Laute Töne sind seine Sache nicht. Vor gut einem Jahr wurde Lehmann an die Spitze der Grossbank Credit Suisse katapultiert. Und die Hoffnung war, dass mit dem Wirtschaftsprofessor an der Spitze der krisengebeutelten Grossbank dort wieder Schweizer Solidität einzieht. Doch nun häufen sich die Kommunikationspannen. Der Hickhack um Lehmanns beschönigende Äusserungen zum vermeintlichen Ende der Kundengeldabflüsse, welche nun die Aufsicht Finma auf den Plan gerufen haben, ist nicht die erste. Und es gibt Anzeichen, dass sich der nächste Kommunikationspatzer schon anbahnt. All das erschwert die Stabilisierung der CS. Am Dienstag vermeldete Reuters, dass sich die Finanzmarktaufsicht (Finma) mit Lehmanns Äusserungen vom Dezember zu nachlassenden Mittelabflüssen befasst. Die CS-Aktionäre reagierten ungnädig und schickten den Kurs der CS-Aktie auf ein neues Allzeittief. Bei mehreren Auftritten im Dezember hatte Lehmann erklärt, dass sich die Abflüsse von Kundengeldern «stabilisiert» hätten, zum Teil seien Gelder sogar wieder zurückgeflossen. Dies sagte er zuerst bei der Banken-Konferenz der «Financial Times» am 1. Dezember. Am Tag darauf legte er bei «Bloomberg Television» nach und sagte gar, die Abflüsse seien «im Wesentlichen gestoppt». Nach diesen Aussagen legte die Credit-Suisse-Aktie, die zwölf Sitzungen in Folge nachgegeben hatte, kräftig zu und beendete den Tag mit einem Plus von rund 9 Prozent. Auch am 5. Dezember im «Eco Talk» des Fernsehsenders SRF bekräftigte Lehmann, dass sich die Abflüsse «absolut stabilisiert» hätten, es käme auch wieder «etwas zurück». Bei der Veröffentlichung der Jahreszahlen zeigte sich dagegen, dass das Ausbluten der CS bis Ende des Jahres weiterging. Netto zogen die Kundinnen und Kunden von Oktober bis Dezember 110,5 Milliarden Franken von der zweitgrössten Schweizer Bank ab. Davon entfielen rund 65 Prozent auf Oktober und 20 Prozent auf November, präzisierte das Management. Damit bleiben rund 15 Prozent der Abflüsse für Dezember. «Die Finma schaut sich wahrscheinlich an, ob es sich bei den Aussagen von Axel Lehmann um Marktmanipulation handelt», sagte der Bankenjurist Peter V. Kunz dem «Tages-Anzeiger». Finma dürfte kein Enforcement-Verfahren eröffnen Bankinsider gehen dagegen davon aus, dass die Episode kein juristisches Nachspiel haben wird. Zum einen, weil Lehmann nicht die Unwahrheit gesagt habe, denn es sei möglich, dass Anfang Dezember die Lage bei den Abflüssen tatsächlich besser war als Ende Jahr. Eine andere Quelle meint, dass die Finma allein deshalb kein Enforcement-Verfahren gegen Lehmann oder die CS eröffnen wird, weil damit die Aufsicht die Krise der CS nur weiter verschärfen würde. Weder die Finma noch die CS wollen sich dazu äussern. Die Frage scheint vielmehr, wer den Mann gebrieft hat. Denn seine medialen Auftritte waren alle geplant und keine Zufallsereignisse. Fast scheint es, als wollten die CS-Oberen mit Lehmanns Wasserstandsmeldungen zu den Kundengeldern die Scharte eines Kommunikationsfehlers ausmerzen, der ihnen vorher unterlaufen war. Ende Juli vergangenen Jahres wurde Ulrich Körner als Nachfolger des glücklosen Thomas Gottstein auf den Stuhl des CEO gehievt. Körner kündigte vom Fleck weg einen neuen strategischen Umbau an, der sich auf die Formel «weniger Investmentbank, mehr Vermögensverwaltung» zusammenfassen lässt. Ferner kündigte er ein neues milliardenschweres Kostensenkungsprogramm an. Für Details wurde das Publikum auf Ende Oktober vertröstet. Mit dem Ergebnis, dass Körner und Co. unter Hochdruck und maximaler Medienaufmerksamkeit die Details zum Grossumbau ausarbeiten mussten. Missverständliche Signale Fortan gab es ein förmliches Wettrennen der internationalen Banken-Journalistinnen und -Journalisten, Details zum geplanten Umbau an die Öffentlichkeit zu tragen. Und die Bank hielt still und liess sich so vor sich hertreiben. Als Körner dann am 27. Oktober endlich seinen Umbauplan einer Vierteilung der Investmentbank plus Sparkurs vorstellte, waren die meisten Details längst durchgesickert. Mit einer wichtigen Ausnahme: Eine Kapitalerhöhung von 4 Milliarden Franken hatte keiner auf dem Zettel. Auch hier hatte die Bankführung missverständliche Signale entsandt. So hatte die CS kurz vorher noch für 3 Milliarden den Rückkauf eigener Anleihen angekündigt und damit ein Zeichen der finanziellen Solidität entsandt. «Der Schuldenrückkauf hat nichts mit der Eigenkapitalausstattung zu tun», tönt es dazu aus der Bank. Eine so massive Kapitalerhöhung hatte dennoch niemand erwartet. Zudem kamen Zweifel auf, ob die Bank die neuen Aktien überhaupt loswird. Nach der Gewinnwarnung von Ende November über massive Kundengelderabflüsse im Oktober und zum Teil November hatte Lehmann dann versucht, mit seinen Auftritten Anfang Dezember Beruhigungspillen zu verteilen. Das fällt ihm nun vor die Füsse. «Solche Wasserstandsmeldungen sind immer gefährlich», sagt ein CS-Kenner. Nächste Enttäuschung ist in Sicht Denn zwischen den optimistischen Äusserungen und den nackten Zahlen ist die Lücke doch recht gross. Daran ändert auch nichts, dass viele Analysten Lehmanns Äusserungen zu den Kundengeldern nicht als Entwarnung verstanden hatten und in ihren Modellen auch für den Monat Dezember weitere Mittelabflüsse einkalkulierten hatten – die aber von der Realität noch überboten wurden. Das beschädigt Lehmanns Glaubwürdigkeit. Nun bahnt sich schon die nächste Kommunikationspanne an. Denn bei der Vorstellung der Jahresergebnisse hatte Finanzchef Dixit Joshi berichtet, dass der Grossbank im Januar in Asien und der Schweiz bereits wieder Kundengelder zugeflossen seien. Hinter vorgehaltener Hand ist dagegen wiederholt zu hören, dass intern nicht mit einer schnellen Wende bei den Kundengeldern gerechnet wird. Als Beleg dafür wird das Beispiel UBS herangezogen. Dort hätte es nach der Beinah-Pleite ebenfalls Jahre gedauert, bis die Kunden wieder Vertrauen gefasst hätten. Daher sei es wenig überraschend, wenn auch die CS nicht schon im ersten Quartal 2023 mit positiven Geldzuflüssen brillieren könne. Bankchef Körner hatte zwar gesagt, dass er keine Prognose für die Neugeldzuflüsse für das erste Quartal abgeben könne. Doch eine klare Warnung, dass die Neugeld-Wende länger dauern wird, ist nicht zu vernehmen. Das birgt die Gefahr, dass es eine erneute Enttäuschung gibt, wenn die CS am 27. April ihre Quartalszahlen vorlegt.