Vontobel: Was hinter dem überraschenden Abtritt von Zeno Staub steckt

Überraschender Wechsel bei der Privatbank Vontobel: Konzernchef Zeno Staub wird auf die kommende Generalversammlung im April 2024 von seiner Position zurücktreten, um sich verstärkt in der Politik zu engagieren. Er will im Herbst in den Nationalrat und will als Spitzenkandidat der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft (AWG) des Kantons Zürich für die Partei Die Mitte kandidieren. Staub stand 22 Jahre in den Diensten von Vontobel, davon 20 als Mitglied der Geschäftsleitung und 12 als CEO. Er wird sich nach einem Jahr Karenzzeit an der Generalversammlung 2025 zur Wahl in den Verwaltungsrat stellen, allerdings lediglich als einfaches Mitglied. Vontobel will den Nachfolger für Staub bis Ende Jahr gefunden haben. Zuletzt lief es für Vontobel nicht so rund, so war der Jahresgewinn im vergangenen Jahr unter anderem wegen der Aufgabe des Russland-Geschäfts und Abflüssen im Assetmanagement von 384 auf noch 230 Millionen Franken gefallen. Aus Vontobel-Kreisen heisst es, dass Staubs Wechsel nichts damit zu tun habe, zumal das Jahr 2021 ein Rekordjahr war und die gesamte Assetmanagementbranche 2022 zu kämpfen gehabt habe. Die Tatsache, dass noch kein Nachfolger für den langjährigen Chef gefunden wurde, wird damit erklärt, dass der Nachfolgeprozess sehr wahrscheinlich publik geworden wäre. Daher entschied sich die Bank, Staubs Abgang frühzeitig zu kommunizieren, um dann die Nachfolgesuche transparent angehen zu können. Ein Zerwürfnis zwischen dem Präsidenten und Dauer-CEO Staub kann ausgeschlossen werden, denn Staub soll nach seinem Abgang im Jahr 2025 wieder als einfaches Verwaltungsratsmitglied in die Vontobel-Führung einziehen. Ein Strategiewechsel sei mit dem Wechsel an der Spitze nicht verbunden, betont die Bank. So hatte auch Vontobels neuer Verwaltungsratspräsident Andreas Utermann im Interview mit der «Handelszeitung» im April keine Notwendigkeit für grössere Strategieänderungen für nötig erachtet. Interne Kandidaten haben Chancen auf die Nachfolge Das spricht sehr dafür, dass die Bank, an der die Familie weiterhin die Mehrheit hält, einen internen Nachfolger präsentieren wird. Chancen werden unter anderem dem neuen Finanzchef Thomas Heinzl zugesprochen, der zuvor bei der UBS lange COO des Assetmanagements war. Auch die Investment-Chefin Christel Rendu de Lint, die für die Anlagestrategien verantwortlich ist, gilt als Kandidatin. Weiter kündigt die Bank auch den Rücktritt von Felix Lenhard als Chief Operating Officer an. Dieser wolle sich künftig unter anderem stärker um seine Familie kümmern, lautet die Begründung für den Schritt. Wie es aus banknahen Kreisen heisst, hat der 60-Jährige jüngst geheiratet. Mit dem Abgang von Staub endet eine Ära bei Vontobel. Als er im Mai 2011 den Job antrat, war das Investmentbanking noch der grösste Gewinntreiber. 2010 wies die Bank einen Gewinn von 147 Millionen Franken aus und verwaltete knapp 79 Milliarden Franken, vor allem im Assetmanagement. An der Börse war Vontobel vor Staubs Antritt 2,3 Milliarden Franken wert. Im vergangenen Jahr belief sich der Gewinn auf knapp 230 Millionen Franken, die verwalteten Vermögen betrugen 204 Milliarden Franken, der Börsenwert lag bei rund 3,5 Milliarden Franken. Staub löste die Abhängigkeit Vontobels vom Assetmanagement, auch wenn er diese Sparte mit Zukäufen wie dem britischen Anleihespezialisten Twenty Four Asset Management stärkte. Das Private Banking baute er durch die Übernahme der Privatbank Notenstein aus, die er von Partner Raiffeisen übernahm. Eine lange Zeit der Hassliebe gegenüber der Raiffeisen Die Anfangsphase von Staubs Regnum war von ständigen Reibereien mit Kooperationspartner Raiffeisen geprägt. Deren damaliger CEO Pierin Vincenz wollte mit dem Kauf der früheren Wegelin-Bank, die er in Notenstein umtaufte, seinem Partner Vontobel Konkurrenz machen und sich von ihm lösen. Vontobel leistet für Raiffeisen die Wertschriftenabwicklung, und Raiffeisen vertreibt Vontobel-Produkte. Staub pochte auf die Einhaltung der Verträge. Der Streit landete gar vor dem Schiedsgericht, das Verfahren endete 2015 mit einem Sieg Vontobels. Nach dem Abgang von Vincenz normalisierte sich das Verhältnis zu Raiffeisen, die Kooperation lief weiter. 2018 verkaufte Raiffeisen die Privatbank Notenstein an Vontobel. Staub zeigte sich auch offen für neue Technologien. So baute er den eigenen Robo-Advisor «Volt», der aber bisher kein Erfolg ist. Zumindest nennt Vontobel keine Zahlen zu «Volt». Mittlerweile wird die digitale Anlagelösung als eine Art technisches Labor angepriesen. Partner Raiffeisen nutzt die Volt-Technologie und vermarktet die Lösung unter dem Namen «Rio». Und für einen brasilianischen Broker – «Rio» zum Zweiten – verwaltet Vontobel über die Volt-Plattform im Offshore-Modus Vermögen aus der Schweiz heraus. Dies offenbar recht erfolgreich. Nun zieht es Staub in die Politik. Schon als CEO äusserte er sich gerne prononciert und warnte unter anderem vor einer zu grossen Abhängigkeit von China. Als Nationalrat wird Staub sich daran gewöhnen müssen, dass der einzelne Abgeordnete kaum Einfluss hat – anders als ein Bank-CEO. Und in Bern wird ihn die Aufarbeitung des CS-Niedergangs beschäftigen – mit heiklen Fragen wie die nach der Einführung eines Bonusverbots oder mit dem Vorschlag für höhere Eigenmittelanforderungen für systemrelevante Banken. (sda/gku)