Wie im Film: Geldüberweisungen sollen endlich schneller werden

Wir kennen die Szene aus dem Kino: James Bond liegt am Comer See auf dem Liegestuhl, ein Banker – natürlich ein Schweizer – taucht mit seinem Köfferchen auf. Nach wenigen Sekunden sind in «Casino Royale» 120 Millionen Dollar überwiesen. «The Money has been transferred», bestätigt der Banker. Seit Jahrzehnten läuft diese Szene ähnlich ab, wahlweise auch mit einem kleinen Statusbalken auf dem Computerbildschirm. Zeitgleich wird einer arm und der andere ziemlich reich. Dumm nur ist: Bis heute ist diese Szene reine Fiktion. Denn Überweisungen dauern bei Schweizer Banken nicht Sekunden, sondern im besten Fall Minuten, im schlechteren Stunden oder gar Tage. Die Banken können es schlicht nicht so gut wie im Film. Doch das soll sich nun ändern. «Realtime Payment», heisst das Stichwort. Ab 2024 soll die Fiktion aus den Bond-Filmen Wirklichkeit werden, wie SNB-Direktorin Andréa Maechler vor kurzem an einer Branchentagung festhielt. Dann sollen die wichtigsten Banken Zahlungen in Echtzeit abwickeln können. Und Echtzeit heisst bei der SNB: in maximal zehn Sekunden, rund um die Uhr. Davon sind die Banken aber noch meilenweit entfernt, wie ein Test der «Handelszeitung» zeigt. Nicht nur sind die Banken langsam: Wer Überweisungen noch am gleichen Tag ausführen will, ist auch an die virtuellen Schalteröffnungszeiten gebunden – und die sind höchst unterschiedlich. UBS, Postfinance und Raiffeisen nehmen Aufträge von privaten Kundinnen und Kunden, die noch am gleichen Tag ausgeführt werden sollen, nur bis 12 Uhr mittags entgegen (siehe Tabelle). Danach wird entweder eine Expressgebühr fällig, oder das Geld kommt erst am Tag danach an. So, als wenn es in einem Couvert mit der Post verschickt würde. Ganz anders etwa die Luzerner Kantonalbank: Bei ihr können Kundinnen und Kunden bis 16 Uhr Zahlungen aufgeben. Bei Neon schliessen die Schalter sogar erst um 16.30 Uhr. Gutgeschrieben werden eingehende Zahlungen bei allen Banken am Tag der Abwicklung. Bei der Credit Suisse dauert die Zahlung zwei Minuten, bei der Postfinance eine volle Stunde Grosse Unterschiede gibts auch beim Tempo. Die «Handelszeitung» hat jeweils vergleichbare Überweisungen zu ähnlichen Uhrzeiten getätigt, um das Tempo der Banken zu testen. Beinahe schon Bond-fähig war eine Überweisung von der Credit Suisse an die UBS, die rund zwei Minuten gedauert hat. Auch ZKB, Yuh und Cler überzeugen mit schnellen Überweisungen. Eher langsam unterwegs war das Geld dagegen bei Raiffeisen, bei der Migros Bank oder bei der Basler Kantonalbank. Am schlechtesten schneidet der einstige Payment-Pionier Postfinance ab. Wer will, dass das Geld so schnell wie möglich ankommt, gibt die Zahlung für 5 Franken als «Express» auf. Zeitgleich aufgegebene Zahlungen ohne Aufpreis waren im «Handelszeitung»-Test dagegen rund eine Stunde lang unterwegs. Auf Anfrage bestätigt die Postfinance den Unterschied. Normale Aufträge könnten bis zu «mehrere Stunden» unterwegs sein, sagt eine Sprecherin. Nur Expresszahlungen würden in «Realtime» sofort abgewickelt. International ist die Schweiz längst abgehängt. Bereits seit 2017 gibt es einen Echtzeitstandard im Rahmen des europäischen Zahlungsraums Sepa. Schnelle Zahlungen gehören zum Ziel fast aller Notenbanken, denn was für Private primär mehr Komfort beim Zahlen von Rechnungen bedeutet, eröffnet für Unternehmen – und Banken – ganz neue Möglichkeiten. Denn können Zahlungen ohne Verzögerung ausgeführt werden, fallen gravierende Gegenparteienrisiken weg, die heute im Geschäftsverkehr bestehen. Dabei denkt die Nationalbank auch an den Handel. Heute sind Händler für Zahlungen an der Ladenkasse auf die teuren Systeme der Kreditkartenfirmen angewiesen. Sekundenschnelle Bankzahlungen könnten dereinst zu einer interessanten und günstigeren Alternative werden. Und so zeigte sich Maechler an der Branchentagung denn auch zuversichtlich, dass der «sofortige und finale Werttransfer» schnell zum Standard werde. Veraltete Systeme bei den Banken, bei der SIX und der Nationalbank Es gibt mehrere Gründe für das heutige Schneckentempo: Einer findet sich in den Systemen der Banken, die lange darauf ausgerichtet waren, vermeintlich weniger wichtige Geschäfte über Nacht in der Stapelverarbeitung ablaufen zu lassen. Zudem schränkt vorsichtige Liquiditätsplanung die «Öffnungszeiten» der Banken zusätzlich ein. Denn je später noch Zahlungen an das von Nationalbank und SIX betrieben System übermittelt werden, desto grösser wird die Gefahr, dass dort kurz vor Ende des Bankentags zu wenig Liquidität vorhanden ist und diese kurzfristig beschafft werden muss. Achtung Falle! So klappts mit den Überweisungen. Wenn schnell gehen soll, achten Sie auf folgende Tipps beim Geldüberweisen: Kontrollieren Sie das Ausführungsdatum. Gewisse Banken geben standardmässig noch immer den Folgetag vor, auch wenn es möglich ist den Zahlungsauftrag noch am laufenden Tag abzuschicken (z.B ZKB, Raiffeisen). Achtung: Wird ein Zahlungsauftrag per sofort aufgegeben, kann er – einmal ausgeführt – nicht mehr storniert werden. Das kann bei den besonders schnellen Banken schon nach wenigen Minuten der Fall sein. Achten Sie darauf, dass Aufträge als Einzelaufträge ausgeführt werden. Gewisse Banken bieten eine Option «Sammelauftrag», bei der Aufträge gebündelt abgewickelt werden. Das dauert dann in der Regel länger. Ist die Deadline für die Ausführung am laufenden Tag schon abgelaufen (meist ist dann das aktuelle Datum nicht mehr auswählbar), bieten einige Banken eine Express-Option an. Diese kostet dann aber einen Aufpreis. Doch auch dieses Interbankensystem ist in die Jahre gekommen. Bei seiner Einführung in den achtziger Jahren war das Swiss Interbank Clearing (SIC) revolutionär, denn jede Zahlung wird grundsätzlich einzeln abgewickelt und direkt auf den Konten der Nationalbank verbucht. Somit bezahlen wir direkt mit elektronischem Notenbank-Geld – und das unwiderruflich, wie die SNB festhält. Twint ist keine Alternative Damit unterscheiden sich Banküberweisungen auch von den Zahlungen mit Twint. Zwar werden diese live beim Empfänger oder bei der Empfängerin abgebildet und sind im Alltag schnell zu einer beliebten Alternative zu Banküberweisungen geworden. Doch anders als beim SIC fliesst das Geld bei Twint nicht wirklich sofort. Die Banken gleichen sich ihre Forderungen erst mit Verzögerung aus, weshalb es auch nicht möglich ist, grosse Geldbeträge per Twint zu überweisen. Der grösste Nachteil des heutigen SIC-Systems ist sein Schalterschluss. Zahlungsaufträge von Kundinnen und Kunden können nur bis 17 Uhr ins SIC-System aufgegeben werden, danach folgt eine Tagesabrechnung zwischen den Banken und der Nationalbank. Ab 19 Uhr ist das System wieder offen für erste Überweisungen, die mit dem Valutadatum des Folgetags abgewickelt werden. Künftig werde dieses Zahlungssystem rund um die Uhr betrieben, heisst es bei der Nationalbank. Das Schlagwort heisst Update auf «SIC Version 5». Ab Sommer 2024 rund um die Uhr in Echtzeit bezahlen Bis Ende 2023 wollen Nationalbank und SIX das neue Zahlungssystem grundsätzlich fertig gebaut haben. Das tägliche Abgleichen der SNB-Konten entfalle künftig, heisst es bei der SNB. Die Forderungen zwischen den Banken werden dann fortlaufend ausgeglichen, der Schweizer Zahlungsverkehr läuft rund um die Uhr – so wie bei James Bond. Die Kundinnen und Kunden der Geschäftsbanken müssen sich allerdings noch etwas länger gedulden. Die meisten von der «Handelszeitung» angefragten Banken erklären, Echtzeitzahlungen ab Sommer 2024 einführen zu wollen. Zu befürchten ist, dass die eine oder andere Bank – wie heute die Postfinance – den schnellen Service nur per Aufpreis anbieten wird. Denn in der Art, wie die Banken «SIC 5» umsetzen wollen, sind sie grundsätzlich frei. Gegenüber der «Handelszeitung» wollte keine der Banken eine konkrete Aussage zu den Kosten machen. Zumindest eine Preisführerschaft signalisiert die Neobank Yuh. Man wolle die «attraktivsten Konditionen auf dem Markt» bieten, sagt Geschäftsführer Markus Schwab. «Dies kann von kostenlos bis zu einer tiefen Gebühr sein.»