Burn-on-Syndrom: Bis spät arbeiten, aber kurz vor dem Verglühen – warum das problematisch ist

Nach dem Feierabend noch bis spät in die Nacht weiterarbeiten und am Wochenende immer erreichbar sein: Burn-on-Betroffene stecken ihre ganze Energie in den Job, verlieren dabei aber immer mehr die Kraft für Familie, Freunde und Freizeit. Anders als beim Burnout erleiden Menschen mit Burn-on keinen akuten Zusammenbruch. Sie entwickeln auch keine Abneigung gegen ihren Beruf. Im Gegenteil: Obwohl die Betroffenen gestresst und erschöpft sind, liefern sie weiterhin gute Arbeit und brennen für ihre Aufgabe. Geprägt haben den Begriff Bert te Wildt, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik im Kloster Diessen am bayrischen Ammersee, und Psychotherapeut Timo Schiele. 2021 ist ihr Buch «Burn On: Immer kurz vorm Burn Out» erschienen. Durch Beobachtungen und Gespräche mit Patienten und Patientinnen, die wegen eines vermeintlichen Burnouts zu ihnen in Behandlung kamen, aber letztlich nicht so ganz ins Beschwerdebild passten, entstand der Begriff. Noch steckt die Forschung in den Kinderschuhen. Burn-on: Kurz vor dem Burnout Wissenschaftlich ist die Burn-on-Diagnose nicht anerkannt. Auch bleibt das Burn-on-Syndrom oft lange unerkannt. Viele Betroffene entwickeln letztlich eine versteckte, chronische Erschöpfungsdepression – eine Krankheit, die schwere gesundheitliche Folgen haben kann: Es kommt zu Verspannungen, Rückenschmerzen, Tinnitus, chronischem Bluthochdruck, Kopfschmerzen oder Bandscheibenvorfällen. In Ausnahmefällen kommt es zu lebensgefährlichen Ereignissen wie einem Herzinfarkt oder Hirnschlag. «Das Burn-on-Syndrom hat gesundheitliche Folgen und ist sicher ernst zu nehmen», sagt Petra Schmid, Expertin für Arbeitspsychologie an der ETH Zürich. Obwohl die Erkrankung erst neu definiert worden sei, gebe es das Syndrom schon lange. «Burn-on wird oft als eine Vorstufe zum Burnout gesehen», sagt Schmid. Arbeitspsychologin Nicola Jacobshagen sieht es ebenfalls als Vorstufe zum Burnout. «Wer Symptome zeigt, riskiert, alles für die Arbeit aufzugeben, und trägt irgendwann gesundheitliche Schäden davon.» Im Prinzip kann das Burn-on-Syndrom in allen Berufsfeldern vorkommen. Laut Schmid seien aber vor allem Personen betroffen, die sehr hohe Erwartungen an sich selbst stellten und ein erhöhtes Verantwortungsgefühl hätten. «Diese Leute definieren sich über ihre Leistung und überschreiten dafür persönliche Grenzen», sagt die Psychologin. Rushhour des Lebens Personen in Führungspositionen und in Berufsfeldern, wo die Karriere und die Konkurrenz betont wird, leiden häufiger an Burn-on. Das sei bereits vor Corona der Fall gewesen. «Allerdings hat die Pandemie das Syndrom gefördert, etwa in Pflegeberufen», so Schmid. Denn die Wichtigkeit der Pflege habe in der Zeit zugenommen, das Arbeitsvolumen auch. Obwohl es noch keine Studien zum Burn-on gibt, dürften vor allem Personen Mitte dreissig bis Mitte vierzig betroffen sein. In dieser Lebensphase ist das Stresslevel meist am höchsten. Viele haben dann Kinder, machen beruflich Karriere und stecken im Hausbau oder Wohnungskauf. Diese Lebensphase wird deshalb auch gerne «Rushhour des Lebens» genannt. Doch wenn die Betroffenen ihren Job trotz Dauerstress gerne weiterverfolgen, wie erkennen sie, dass sie am Burn-on-Syndrom leiden? Ein Indikator ist laut Schmid das Sozialleben. «Wer immer wieder Verabredungen absagt und keine Zeit mehr für Hobbys hat, die einmal wichtig waren, dann können das erste Anzeichen sein.» So würden Betroffene meist auch von ihrem Umfeld auf ihr Problem aufmerksam gemacht. Freunde und Familie monieren, dass zu viel gearbeitet wird, dass keine Zeit mehr für sie bleibt. «Hinzu kommen die körperlichen Symptome; weil die Leute hochmotiviert sind, ignorieren sie diese aber meistens.» Wer am Burn-on-Syndrom leidet, muss laut Schmid als Erstes seine eigene Einstellung ändern. Es brauche die Einsicht, dass es einen Ausgleich von Freizeit und Arbeit braucht: «Es ist wichtig, dass man das Privatleben nicht zu sehr zurücksteckt, wir brauchen Entspannungsphasen.» Arbeitgebende sollten Burn-on-Betroffene entlasten Auch sollten sich Betroffene überlegen, ob sie perfektionistische Tendenzen haben – also immer etwas mehr investieren als nötig. Mitarbeitende könnten durch regelmässiges Feedback dabei helfen, festzustellen, wann zu viel und unnötige Arbeit geleistet wird. Dadurch könnte der Arbeitsaufwand reduziert werden, ohne die Leistung stark zu beeinträchtigen. Arbeitgebende können ebenfalls dabei helfen, Burn-on-Betroffene zu entlasten: «Motivierte und hart arbeitende Angestellte sollten nicht immer weiter belastet und mit noch mehr Arbeit zugedeckt werden», so Schmid. Stattdessen sollten Vorgesetzte überlegen, ob Arbeit abgenommen werden kann und ob es andere im Team gibt, die etwas mehr belastet werden können. Denn der typische Burn-on-Betroffene sagt nicht «Nein» zu zusätzlicher Arbeit und wird diese irgendwie erledigen. «Aber das ist keine nachhaltige Lösung», sagt Schmid.Mehr zum Thema So erkennen Sie, ob Sie arbeitssüchtig sind – und das hilft dagegen Gesundheit: Menschen fühlen sich kränker als während der Pandemie Baloise-Chef De Winter nach seiner Krebserkrankung: «Ich hatte keinen Plan B»

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So erkennen Sie, ob Sie am Burn-on-Syndrom leiden