Temporär jobben, in der Hoffnung, daraus werde eine Dauerstelle – das war einmal. Zumindest bei vielen jungen Leuten, die neben Studium, Reisen, Freunden, Gründung eines Startups oder sonstigen Projekten auch noch ihren Lebensunterhalt erwirtschaften müssen. Schnell etwas Geld verdienen, wenn es die Agenda zulässt, ohne grossen Aufwand und ja nicht mit langfristiger Verpflichtung – so gefällt es einer halben Generation.

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Sie versteht sich als Teil der so genannten «Gig-Economy», wo man kurzfristig Jobs annimmt, immer mit einem Seitenblick darauf, was noch mehr Spass machen oder mehr Geld bringen könnte.

Abgeleitet ist der Begriff Gig aus der Musikszene, wo die Künstler nach einem kurzen Auftritt in einem Club ihre Gage erhalten und zur nächsten Party weiterziehen. Das Bedürfnis wird mittlerweile von mehreren rein onlinebasierten Personalvermittlern abgedeckt. Auch Migranten oder Stellensuchende, die auf dem traditionellen Arbeitsmarkt Mühe haben, eine Festanstellung zu finden, profitieren vom neuartigen Angebot.

Organisiert ist es im Stile des Fahrdienstes Uber: Man lädt die entsprechende App herunter, meldet sich an und wartet, bis ein Jobangebot in der Nähe auftaucht. Dann bestätigt man per Klick, dass man den Job zum gewünschten Zeitpunkt und zum offerierten Preis übernimmt. Oder man bietet sich selbst mit seinen Fähigkeiten und dem geforderten Stundenlohn an und wartet auf entsprechende Angebote.

300'000 User in der Schweiz

Vorreiter ist Coople, ein Unternehmen, das 2009 in Zürich unter dem Namen Staff Finder gegründet wurde und seither gleich reihenweise Startup-Preise abräumte (siehe etwa hier). Der Umsatz lag 2016 laut Branchenanalyst Crain Communications bei 35 Millionen Franken. Heute dürfte es gut das Doppelte sein.

Genaue Zahlen will Gründer und CEO Viktor Calabrò nicht nennen – nur so viel: «Wir weisen jedes Jahr zwei- oder dreistellige Wachstumsraten auf.» Weit über 300'000 User seien bei Coople in der Schweiz registriert, mehrere tausend Jobs seien aktiv.

Durchschnittlich dauert es weniger als vier Stunden, bis ein Job besetzt ist. Das System wickelt den ganzen Prozess automatisch ab: Stellenausschreibung, Arbeitsvertrag, Sozialversicherungen, Lohnauszahlung, Rechnungsstellung. Das spart nicht nur Kosten, sondern stellt auch sicher, dass alles korrekt abläuft. «Unser Beitrag gegen die Schwarzarbeit», meint Calabrò.

Plattform für Jobsuchende

Neben der Schweiz ist Coople auch in Grossbritannien präsent, weitere Länder sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre folgen. Coople vermittelt Einsätze vom Promotionsevent in der Fussgängerzone bis zum Bürojob.

Ein ähnliches Modell verfolgt Gigme, wobei sich das kleine Startup darauf beschränkt, Jobsuchenden eine Plattform zu bieten, auf der sie sich anpreisen können. Wer einen Job zu vergeben hat, kann die passende Person direkt auf der Plattform buchen.

Speziell für Gastro und Healthcare

Adia, ein Tochterunternehmen des weltgrössten Personalvermittlers Adecco, konzentriert sich dagegen auf Jobangebote aus der Gastronomie, der Hotellerie sowie dem Gesundheitsweisen. In diesen Branchen ist der Bedarf am grössten – sowohl bei den Arbeitgebern, die kurzfristige Personalspitzen abfedern müssen, als auch bei den Arbeitnehmern: In kaum einer Branche gibt es mehr Arbeitssuchende als im Gastgewerbe.

Neben der Schweiz ist Adia in den USA und in Grossbritannien aktiv. Nicht zuletzt auch darum, weil man Newcomern wie Coople oder Gigme das zukunftsträchtige Feld nicht kampflos überlassen will.

Auch Adia hat festgestellt, dass die User die Flexibilität und die permanente Verfügbarkeit einer App-Lösung schätzen: «Die Userbewertungen sind normalerweise höher als bei der traditionellen Vermittlung von Temporärpersonal», weiss Daniel Ilar, Adia-Länderchef für die Schweiz.

Speziell für Hochqualifizierte

Neben Adia versucht Adecco mit Yoss auf einem App-basierten Marktplatz Personal zu vermitteln. Allerdings nicht aus dem Gastro-Bereich, sondern hochqualifizierte Freischaffende, insbesondere aus der IT-Branche, und vorerst nur in Frankreich. Andere Länder, vorab im angelsächsischen Bereich, seien aber im Visier, meint Adecco-Sprecherin Annalisa Job.

Ob und gegebenenfalls wann auch ein Markteintritt in der Schweiz erfolgt, will sie nicht verraten. Adecco geizt auch sonst mit Zahlen, wenn es um die digitalen Ableger der eigenen Gruppe geht. Noch vor einem Jahr verkündete Adia-Gründer Ernesto Lamaina laut NZZ, dass die Nutzerzahl der Plattform innert fünf Jahren auf eine Million gesteigert werden soll.

Heute zeigt sich Adia schweigsamer: Weder Umsätze noch Userzahlen werden herausgerückt. Vielleicht nicht von ungefähr. Denn ein Blick auf Randstad, die Nummer drei im weltweiten Temporärgeschäft, zeigt, dass ein Erfolg keineswegs garantiert ist.

Ploy bereits wieder eingestellt

Randstad hat ihre App Ploy letzten Herbst, nur gut ein Jahr nach ihrer Lancierung, wieder zurückgezogen. Dies vor allem darum, «weil viele Unternehmen Mühe mit einer rein App-basierten Lösung hatten», so die damalige Ploy-Chefin Karin Habegger.

Die Firmen seien Desktop-Lösungen gewohnt und hätten dies auch von Ploy verlangt. Eine Lösung für Mobile- und Desktop-Geräte zu entwickeln, sei aber zu aufwendig gewesen, meint Habegger. Randstad habe sich deshalb entschieden, das Ploy-Angebot in ihre Online-Plattform Yourplan zu integrieren.

Die funktioniert allerdings weitgehend traditionell und beinhaltet auch ein persönliches Vorstellungsgespräch bei Randstad.

Manpower wartet ab

Manpower, in der Schweiz die Nummer zwei hinter Adecco, hat es bislang gar nicht erst mit einem eigenen App-basierten Angebot versucht. Aber auch kleinen, agilen Disruptiven fällt der Erfolg nicht einfach in den Schoss: Die 2016 mit viel Getöse gegründete «neuartige und vollautomatische Plattform Onlinepersonal.ch» ist bereits wieder offline.

Dennoch: Marius Osterfeld, Ökonom beim Branchenverband Swissstaffing, räumt den disruptiven Herausforderern gute Überlebenschancen ein – «nicht als Ersatz für die traditionelle Vermittlung von Temporärpersonal, aber als Ergänzung zum bisherigen Angebot».

Die Swissstaffing-Mitglieder sind da weniger zuversichtlich: Wie eine Umfrage unter den 800 Temporärunternehmen in der Schweiz ergeben hat, geht jeder zweite CEO davon aus, dass «die Temporärbranche durch die Digitalisierung umgekrempelt wird».