Flexit: Kündigen, weil der Arbeitgeber nicht mehr genügt

Ein neues Kunstwort erobert die Arbeitswelt: «Flexit». Nach gleichem Muster wie beim allgemein bekannten Brexit, der aus den Wörtern «Britain» und «Exit» entstand, ist Flexit eine Kombination der beiden Begriffe «Flexibility» und «Exit». Die Forderung ist klar: Arbeitnehmende verlangen eine flexible Einteilung ihrer Arbeit. Erhalten sie diese nicht, reichen sie die Kündigung ein. Was vor Corona kaum vorstellbar war, ist heute eine Realität, mit der viele Firmen konfrontiert werden. Apple verzeichnet den prominentesten Flexit-Abgang Betroffen sind dabei nicht nur kleine Unternehmen, sondern auch grosse Namen wie Apple. Das prominenteste Beispiel ist der Abgang von Ex-Apple-Mitarbeiter Ian Goodfellow, eine Koryphäe auf dem Gebiet des Machine Learnings, wie «The Verge» berichtete. Der ehemalige Apple-Mitarbeiter verliess das Unternehmen, weil es die Rückkehr ins Büro forderte. Montags, dienstags und donnerstags sollten die Angestellten wieder am offiziellen Arbeitsort eintreffen. Doch für Goodfellow war das keine Option, wie er seinem Team in seiner «Goodbye Note» schrieb: «Ich bin der festen Überzeugung, dass mehr Flexibilität das Beste für mein Team gewesen wäre.» Nicht nur Goodfellow zeigte seinen Unmut mit der Kündigung. In einem offenen Brief fordern auch Apple-Angestellte mehr Flexibilität vom Arbeitgeber und schreiben, dass die Führungsetage aufhören soll, sie «wie Schulkinder zu behandeln, denen man sagen muss, wann sie wo zu sein und welche Hausaufgaben sie zu machen haben». Der Brief stösst auf grosses Interesse: Mittlerweile kamen über 3000 Unterschriften zusammen, knapp 1500 von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden. Andere Unternehmen reagieren verhalten Auch bei Google oder Microsoft wächst der Wunsch, dass die Beschäftigten wieder im Büro auftauchen. Entsprechende Massnahmen scheinen bis jetzt noch zu keinen prominenten Abgängen wie in Goodfellows Fall geführt zu haben, wobei sich aber Meldungen über unzufriedene Angestellte häufen, die die Regelungen in ihrer Firma als unfair bezeichnen. Andere grosse Unternehmen reagieren proaktiv auf die Forderung von Mitarbeitenden: Führungskräfte von Meta, Facebooks Mutterplattform, arbeiten bereits von überall. Der CEO von Airbnb, Brian Chesky, nannte das Büro «ein Ding der Vergangenheit» und übertrug die Wahl des Arbeitsortes kurzerhand seinen Mitarbeitenden. Ohne Lohneinbussen. Das «Wall Street Journal» berichtete daraufhin, dass die Karriereseite von Airbnb in den drei Folgetagen 800’000 Besucherinnen und Besucher verzeichnete. Auch die Schweiz sieht sich mit Flexit konfrontiert Eine Umfrage von Linkedin bestätigt, dass auch Schweizerinnen und Schweizer über einen Flexit nachdenken. In Zahlen heisst das, dass 58 Prozent der Arbeitskräfte eine Kündigung aufgrund fehlender Flexibilität in Betracht ziehen. Wie aus der Studie des Karrierenetzwerks ebenfalls hervorgeht, ist das Problem bei Personalverantwortlichen nicht ganz unbekannt: 48 Prozent glauben, dass ihre Mitarbeitenden mit den aktuellen Vorgaben bezüglich des flexiblen Arbeitens unzufrieden sind. Wie aus den Kommentaren zur Studie hervorgeht, umfasst hierzulande flexible Arbeit nicht mehr nur eine Regelung hinsichtlich Homeoffice und Büro, sondern auch die Möglichkeit für Karrierepausen wie ein Sabbatical oder eine verlängerte Elternzeit. Barbara Wittmann, Country Managerin für Deutschland, die Schweiz und Österreich bei Linkedin, schreibt in diesem Zusammenhang auf der Plattform: «Zudem bringt uns diese Flexibilität nur dem Ziel einer modernen Arbeitswelt näher, wenn sie für alle gleichermassen gilt – und sowohl von Männern als auch Beschäftigten ohne Kinder verstärkt genutzt wird.» Winkt Arbeitnehmenden also eine Zukunft, in der sie die Bedingungen ihrer Arbeit und vor allem den Arbeitsort diktieren können? Das «Wall Street Journal» beschreibt in einem Artikel zum Thema auch Entwicklungen, die das verhindern könnten. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich das Kräfteverhältnis wieder verschieben könnte: Meta zum Beispiel sprach von einer Verlangsamung der Neueinstellungen, Peloton kündigt Entlassungen an. Schlussendlich könnte es aufgrund enttäuschender Quartalsergebnissen von Netflix und anderer Tech-Firmen dazu kommen, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder etwas nachlässt. Und das Mitspracherecht bei Arbeitsort und Arbeitsbedingungen wieder geringer wird. Bis dahin jedoch gilt für Unternehmen: Die Gefahr eines Flexits ist real – und Firmen tun gut daran, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

Flexit: Kündigen, weil der Arbeitgeber nicht mehr genügt

Flexit: Wenn der Arbeitgeber nicht mehr genügt