Schon wieder hatte die Freundin Glück: Sie besuchte eine Podiumsdiskussion und kam beim anschliessenden Apéro ins Gespräch mit einer Unbekannten. Schnell stellte sich heraus: Die Freundin möchte den Job wechseln, die Unbekannte sucht eine Ergänzung für ihr Beratungsteam. Sie tauschten die Kontakte aus – heute arbeiten die beiden zusammen.
War das pures Glück? War es nur, weil sie am richtigen Tisch stand? Und warum passieren gerade ihr immer wieder solche glücklichen Zufälle? Auf diese Fragen gibt es eine Antwort. Sie trägt den sperrigen Namen «Serendipität».
«Serendipität ist einfach umschrieben das aktive Glück», erläutert der Glücksforscher Christian Busch. «Das Gegenteil ist das passive Glück – das ist beispielsweise die Geburt in eine tolle Familie. Es ist gleichzusetzen mit einem Event, der nicht beeinflusst werden kann.» Aktives Glück – eben die Serendipität – hingegen passiere unerwartet und beinhalte eine menschliche Aktion. Genau wie das Beispiel der Freundin, in der die Aktion darin besteht, miteinander ins Gespräch zu kommen und es in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Mit dem Buch «Serendipity Mindset» schrieb Christian Busch in den USA einen Bestseller. Am 28. Februar erscheint die deutsche Version «Erfolgsfaktor Zufall» in hiesigen Buchläden. Der Autor hat bereits vorab die wichtigsten Tipps und Tricks verraten, wie Serendipität im eigenen Alltag eingebaut und so der Zufall für das persönliche Glück genutzt werden kann:
1. Hakenstrategie anwenden
Smalltalken machen die wenigsten gerne. Noch weniger gerne erzählen sie wildfremden Leuten von sich selbst. Doch genau da liegt die Möglichkeit für die sogenannte Hakenstrategie: «Wer neue Leute kennenlernt, sieht sich oft mit der Frage konfrontiert: ‹Was machen Sie so?›», erzählt Christian Busch.
Statt nur kurz und knapp zu antworten, welche Stelle man innehätte, empfiehlt der Experte, gleich drei Sachen mitzuteilen. Ein fiktiver Fall wäre: Ich arbeite für einen Schweizer Online-Shop, fokussiere mich dabei auf die Optimierung der Google-Zahlen. Was ich aber eigentlich richtig gerne mache neben dem Arbeiten, ist Ski fahren. «Auf diese Weise hat das Gegenüber drei mögliche Anknüpfpunkte – oder eben drei Haken, bei denen es anbeissen kann», erläutert Busch die Strategie.
Wer gerade eine berufliche Neuorientierung angeht, kann also versuchen, die angepeilte Richtung als einen Punkt aufzulisten. So ist der Haken ausgeworfen und die Chance erhöht sich, dass man eine Person trifft, die beim angesprochenen Thema anbeisst.
2. Smalltalk Sinn verleihen
Aller Anfang beim Smalltalken ist schwer. «Viele greifen zur Notlösung und reden über das Wetter. Doch wen interessiert das Wetter?», fragt Christian Busch.
Er wünscht sich, dass Leute auch beim Smalltalk sinnhaftere Gespräche führen, solche mit Mehrwert. Das erreicht man laut Busch, indem man Fragen zum Hintergrund oder zur Inspiration stellt. «Statt also darüber zu diskutieren, wie oft die Sonne scheint, könnte man fragen: Was hat Sie an diesem Vortrag inspiriert? Was fanden Sie interessant?»
Solche Fragen öffnen den Raum und führen meist zu Diskussionen mit mehr Inhalt. Ausserdem finden sich so schneller Gemeinsamkeiten oder Unterschiede, die dann Stoff für weitere Gespräche darstellen.
Der Serendipity-Professor
Name: Prof. Dr. Christian Busch
Funktion: Direktor, CGA Global Economy Program, New York University, und Autor, «Erfolgsfaktor Zufall»
Alter: 39
Familie: verheiratet, ein Kind
Ausbildung: PhD, London School of Economics (LSE)
Laufbahn:
2023 bis heute: Autor, «Erfolgsfaktor Zufall» (Murmann Verlag)
2019 bis heute: Direktor, Global Economy Program, New York University
2019 bis heute: Gastwissenschafter, London School of Economics
2018: Mitgründer, Leaders on Purpose
2011–2018: Stellvertretender Direktor und Lehrauftrag, Innovation Lab, London School of Economics
2009–2014: PhD-Studium und Lehrauftrag, Department of Management, London School of Economics
2008: Mitgründer, Sandbox Network
2006: Projekt-Praktikum, Deutsch-Mexikanische Handelskammer
3. Auftritt auf Linkedin durchdenken
«Der Gründer von Linkedin, Reid Hoffman, ist ein riesiger Fan von Serendipität», weiss Christian Busch. Das war mitunter ein Grund, warum er Linkedin gründete: um Leute mit spannenden Aussagen miteinander zu verknüpfen. Denn die spannendsten Leute haben etwas gemeinsam, wie auch Buschs Forschung zutage brachte: Sie kultivieren den positiven Zufall.
Und genau dafür ist die Plattform da – um miteinander über Themen zu diskutieren, sich inspirieren zu lassen und mit neuen Leuten zu netzwerken.
Dabei gibt Busch zwei Elemente mit auf den Weg: «Ein Tipp ist die Identifizierung der für sich inspirierendsten Personen. Das können gerne auch CEO sein. Diese kann man dann authentisch anschreiben. Wer mindestens zehn anschreibt, erhält oft von zwei bis drei Feedbacks.»
Authentisch heisst für Busch, dass man der Person erzählt, warum sie inspiriert und warum man sich mit ihr auf einen Kaffee treffen möchte. «Einen Einwand höre ich oft: Ich kann noch nichts bieten. Gerade meine Studierenden denken manchmal so. Doch etwas können wir alle bieten: Wir können Teil der Reise werden.» Und die angeschriebene Person – egal welche Position sie in einer Firma innehält – wisse das auch! «Denn auch sie hatte mal einen positiven Zufall im Leben, der sie weiterbrachte.»
Die deutsche Version «Erfolgsfaktor Zufall» des englischsprachigen Bestsellers «Serendipity Mindset» von Christian Busch erscheint am 28. Februar in hiesigen Buchläden. Es zeigt, wie unerwartete Momente unseren sozialen Alltag erweitern und neue berufliche und private Möglichkeiten schaffen können.
Anderseits gilt es auch, sich beim Linkedin-Auftritt zu überlegen, welche öffentliche Person man sein möchte. Was möchte ich verkörpern? Wer bin ich auf meinem Profil? «Das sind wieder Haken, die man auswirft. So zeigt man öffentlich, für was man sich interessiert – und die Leute kommen auf einen zu», so Christian Busch.
4. Serendipität im Unternehmen kultivieren
Christian Busch ist es wichtig, dass Serendipität nicht nur etwas für Einzelpersonen ist. Auch Firmen könnten sich den positiven Zufall zunutze machen. Ein Beispiel ist dabei die Kartoffel-Waschmaschine des chinesischen Herstellers Haier: Kunden beklagten sich über einen Defekt der Waschmaschine. Den Grund fanden die Technikerinnen schnell: Die Leute hatten Kartoffeln in der Maschine gewaschen – obwohl die Waschmaschine für Kleider konzipiert war. Statt aber die Leute darauf hinzuweisen, baute Haier kurzerhand einen Schmutzfilter ein und vermarktete die Waschmaschine offiziell als Kartoffel-Waschmaschine.
Busch will mit diesem Beispiel zeigen, dass Firmen nicht verbissen an ihrer Vision und dem Weg dahin festhalten sollen. «Viel lieber sagen Firmen bereits von Beginn weg, dass sie zwar eine Vision verfolgen, der Weg dahin sich mit zunehmendem Wissen aber verändern wird.»
Es gilt, das Unerwartete nicht als Feind, sondern als Sparringspartner zu sehen. «Angestellte wollen oftmals die Autorität der Führungskraft nicht infrage stellen. Wenn diese aber von sich aus sagen, dass der Weg sich verändern wird, dann bringen die Angestellten eher Vorschläge. Das gibt ihnen mehr psychologische Sicherheit.» Denn lernen heisst laut dem Experten auch immer, miteinander reden – und das Beste aus der Situation herausholen.