So holen Führungskräfte trotz Druck das beste aus ihrem Team

Das Ziel ist in Sicht, nur noch wenige Meter trennen den Fuss von der Ziellinie. Die Muskeln zittern vor Erschöpfung, der Schweiss strömt über das Gesicht. Jetzt heisst es durchhalten und die letzten Reserven aktivieren für den Schlusssprint. Wird die Ziellinie erreicht, dann haben sich all die Mühen der letzten Monate gelohnt. Das Training, die Vorbereitung, der Druck – auf einmal fällt alles weg. Sportler und Sportlerinnen kennen dieses Gefühl. Aber nicht nur sie, auch die Wirtschaft kennt stressige Situationen. Sei es wegen Deadlines, die anstehen und eingehalten werden müssen. Straffe Zeitpläne, anspruchsvolle Kundenanforderungen oder hohe Konkurrenz – all dies bildet Arbeitsumgebungen, in denen Mitarbeitende unter Druck geraten. Damit die Angestellten diesem standhalten, brauchen sie Führungskräfte an ihrer Seite, die in solchen Momenten der Fels in der Brandung sind. Sie unterstützen die Angestellten, pushen sie in ihren Vorhaben und übernehmen, falls etwas aus dem Ruder zu laufen droht. Der Erfolg des Individuums ist auch der Erfolg der Führungskraft. Druck auf das Team heisst Druck auf die Führungskraft So einfach ist es aber nicht immer. Steht ein Individuum oder ein gesamtes Team unter hoher Belastung, dann trifft das auch die Führungskraft. «Es ist wichtig, als Führungsperson diesen Druck nicht weiterzugeben», erläutert Ursula Bergundthal, Geschäftsführerin von Solution Advisors. Eine Eskalation nach unten ist nie empfehlenswert, wie die HR-Expertin weiss:. «Am schlimmsten ist es, wenn sich ein solches Verhalten festsetzt, und sich in der Geschäftsleitung eine Verschleisskultur manifestiert.» Viel wichtiger sei, nach oben klar zu zeigen: «Bis hierhin und nicht weiter.» Dafür muss man das Gespräch mit seinem Team suchen, abklären, ob der Kurs stimmt, die Auslöser für Stress eruieren und daraus Prioritäten setzen. «Wichtig ist, dass es kein Gejammer nach oben wird», so Bergundthal, «sondern dass ich als Führungskraft schon mit Lösungsansätzen in dieses Gespräch gehe und aufzeige, was realistisch umsetzbar ist.» So liegt schlussendlich der Fokus auf den Zielen, die für alle realisierbar sind. Eine saubere Planung beugt Sprintaktionen vor Dass das gesamte Team an einem Strang ziehen muss, gilt auch für einzelne Spitzensportlerinnen und -sportler: «Der Laufsport beispielsweise wird oft als Einzelsportart wahrgenommen, doch hinter jedem Ergebnis steckt ein ganzes Team», meint Maja Neuenschwander. Sie ist Langstreckenläuferin, holte zweimal den Titel als Schweizermeisterin im langen Crosslauf, wurde 2012 Schweizermeisterin im Marathon und qualifizierte sich für die Olympischen Sommerspiele 2012. Heute leitet sie den Athlete Hub bei Swiss Olympic. Prioritäten setzen und Ressourcen evaluieren, das seien zwei Schlüsselelemente. In wöchentlichen Meetings bespricht Neuenschwander die aktuelle Lage mit ihrem Team und prüft, welche Ressourcen noch frei sind und wen sie für die Planung einsetzen kann. «Es ist keine Rocket-Science, aber für mich ist eine gute Planung der Schlüssel», so Neuenschwander. Als Marathonläuferin kennt sie sich damit aus. Vier Monate Grobplanung gehen einem Rennen voraus, dabei wird auch versucht, Herausforderungen zu antizipieren, um auf alles vorbereitet zu sein. Diese Strukturierung helfe ihr auch als Chefin: «Ich habe eine gute Übersicht über meinen Bereich und die meisten Timelines im Kopf.» Sprintaktionen können so reduziert werden – gänzlich umgehen könne man sie jedoch nie. Mitarbeitende nicht allein lassen im Stress Bergundthal bestätigt das. Es könne sein, dass man sich in einer heissen Phase befinde und nur begrenzt Zeit zur Verfügung habe. In solchen Fällen gilt es, die Kommunikation hoch zu gewichten: «Nur durch das Auseinandersetzen mit dem Team kann man den Stresspegel erspüren.» Nur schon die Fragen: «Kommst du klar? Wie kann ich dich entlasten?», zeigen laut Bergundthal einem Mitarbeitenden, dass die Führungskraft auch in Stresszeiten für ihn oder sie da ist. «Auch wenn es Zeit kostet, muss man sich diese nehmen.» Die Führungskraft liegt ausserdem in der Verantwortung, Prozesse zu evaluieren. «Viele Firmen befinden sich in Leerläufen.» Das Hinterfragen von bestehenden Prozessen sieht Bergundthal als wichtige Eigenschaft einer Führungskraft. Es kann sein, dass es wiederkehrende Tätigkeiten gibt, die viel Zeit kosten, aber eigentlich automatisiert werden könnten. Oder Aufgaben, die zwar immer gemacht wurden, aber nicht unbedingt nötig wären. Ein unnötiger Workload, den es zu hinterfragen gilt. Tipps der Expertinnen für das Führen eines Teams unter Druck Regelmässige Check-ins mit dem Team durchführen Klare Erwartungen nach unten kommunizieren Realistische Ziele nach oben kommunizieren Aufgaben delegieren Prozesse überdenken, Automatisierungspotenzial erkennen Debriefing: Erkennen, wieso ein Projekt gescheitert oder gelungen ist, und Learnings daraus ziehen Debriefing, auch wenn man gewonnen hat Dabei sind die Angestellten eine grosse Hilfe. Denn sie sind die Leute «von der Basis» und wissen, wo am meisten Optimierungspotenzial besteht. Einschätzungen zu den Prozessen sollte man aber nicht in der heissen Phase abholen, sondern nach Abschluss des Projekts. So kennt es auch der Leistungssport. Bei der Sportexpertin Neuenschwander gibt es nach fast jeder Aktivität ein Feedback. Dieses Zusammenspiel von Aussen- und Innenwahrnehmung sei wichtig. «Es gab Läufe, da hatte ich das Gefühl, meine Form sieht nicht gut aus, während mein Trainer in einem Debriefing meinte, ich wäre locker und schwungvoll unterwegs gewesen.» So ein Debriefing empfiehlt die Marathonläuferin auch Entscheidungsträgerinnen und -träger. Neuenschwander hat sich durch den Sport angeeignet, auch bei guter Leistung den Prozess zu evaluieren und Learnings mitzunehmen: «Bei schlechter Leistung gibt es immer eine Nachbesprechung, aber ich finde es wichtig, auch gute Leistung zu analysieren – wie haben wir das erzielt?» Natürlich sei das nicht bei jedem Projekt umsetzbar, aber besonders wenn man sich in der Pilotphase befindet, können bereits viele Learnings gezogen werden. Führungskräfte müssen coachen können Als Führungskraft ist man nicht in jedem Bereich gleichermassen operativ tätig. Das ist auch bei Neuenschwander der Fall: «Personelle Führung heisst für mich auch, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Eine wichtige Aufgabe liegt darin, sie zu befähigen und zu unterstütze, damit sie das Bestmögliche aus sich herausholen können. Eine ‹Beziehung›, die Kommunikation auf Augenhöhe verlangt.» Sie selbst sei kein Fan von enger Führung und leite verdankenswerterweise auch ein sehr selbstständiges Team. Enge Führung – ja, aber nur, wenn das Team es braucht, findet Ursula Bergundthal. «Es gibt Leute, die brauchen mehr Begleitung als andere». Die Aufgabe der Führungskraft ist es, zu erkennen, welches Teammitglied was braucht. Dabei besteht jedoch auch immer die Gefahr des Micromanaging – dass die Führungskraft zu sehr bei allen Tätigkeiten mitspricht und sich in Kleinigkeiten verliert. Damit das nicht passiert, empfiehlt die HR-Expertin ein Training oder einen Kurs, der auf den Führungsstil «Coaching» eingeht. «Wenn ich das als Führungskraft nicht kann, dann muss ich das lernen», schliesst Bergundthal. Denn nur wer sein Team als Coach begleitet, stressige Situationen entschärft und den Angestellten den Druck von den Schultern nehmen kann, wird gute Resultate im gewünschten Zeitraum erreichen. Und die Ziellinie als erstes überschreiten.

So holen Führungskräfte trotz Druck das beste aus ihrem Team

Wie Führungskräfte trotz Druck das Beste aus ihrem Team herausholen