Im Schweizer Retail tut sich was. Diverse Händler haben die erzwungenen Zeiten der Ladenschliessung im Zug der Lockdowns genutzt, um eigene Onlineshops aufzuziehen; darunter auch kleine Bekleidungsretailer. In Zürich etwa baute der angesagte Kleiderladen «DeeCee Style» beim Paradeplatz von Inhaber Markus Cadruvi im vergangenen April, also bereits im ersten Corona-Lockdown, einen Onlineshop auf.

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Auch der im Hyatt-Hotel untergebrachte Herrenausstatter «The Sartorialist» oder der ebenfalls beliebte Store «Jeanslife» in Winterthur verkaufen inzwischen online. Bei Kleidung ist das Onlinegeschäft wegen der Grössen- und Passformfragen besonders anspruchsvoll.

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Dennoch «sollte man die Chance, Kunden auf diesem Weg anzusprechen, unbedingt packen», sagt Faris Momani, Handelsexperte und Partner von Roland Berger in Zürich. Denn «der Kunde entscheidet heutzutage, über welchen Kanal er den Händler ansprechen will». Sei es klassisch offline im Laden, via Telefon oder Social Media oder eben über einen Onlineshop, und auf diesen Kanälen sollte man als Retailer eben präsent sein. Zumal es heute kein grosser Aufwand mehr sei, einen Onlineshop einzurichten, «wenn Logistikprozesse und die Inhalte einmal stehen. Hier lässt sich auch vieles an Dienstleister auslagern», sagt Momani.

Einer, der dies verstanden hat, ist Flaviano Bencivenga. Seine Schweizer Schuhmarke Benci Brothers startet im März mit einem Onlineshop eigens für ihr erfolgreichstes Modell «Scrambler»; eine Art Converse-Chucks für Erwachsene. «Wir wollten eigentlich gar keinen Onlineshop aufziehen. Eine Marke muss man erleben können», sagt Bencivenga. «Wir bekommen aber fast täglich Anfragen von Kunden, die einen Scrambler haben möchten.» Und deshalb richtete er den Shop ein – und hätte ihn wohl auch ohne Corona früher oder später eröffnet. Erst kürzlich hat Bencivenga das Modell zum zweiten Mal an einen Liebhaber in die Vereinigten Staaten verschickt.

Onlineshop über Social Media

Andere Händler, wie die Zürcher Concept Stores «Anderswo» oder «Monadico», nutzen eine einfachere Variante: Social Media, insbesondere Instagram, um ihre Produkte und Kontaktmöglichkeiten, etwa per Mail oder Telefon, zu zeigen, «Monadico» bildet auch gleich die Preisschilder ab. Auf der anderen Seite der Komplexitätsskala soll Massanzug-Anbieter Alferano derzeit ein neuartiges Onlinekonzept vorbereiten, das per Web individualisierte Bestellungen ermöglicht.

Die Corona-Pandemie werde längerfristig tiefe Spuren in der Retail-Landschaft der Schweiz hinterlassen – und bestehende Trends noch beschleunigen, sagt Momani, der als Ex-CEO von Navyboot selbst viel Retail-Erfahrung sammelte. Es gebe «einen klaren Paradigmenwechsel vom schlichten Einkaufen als Besorgung zum Erlebnis»; das Decken des täglichen Bedarfs an Nahrung oder Kosmetik werde wohl zunehmend online erledigt.

Im Gegenzug würden sich Shoppingmeilen wie die Bahnhofstrasse, aber auch grosse Warenhäuser zu Schaufenstern der Brands wandeln, wo sich diese inszenieren und, auch mit Events, um Käufer werben. Momani ist sicher: «Für die Kunden wird das Shopping-erlebnis der Zukunft spannender sein als heute».

Dirk Ruschmann
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