Ihre Bilanz nach fünf Jahren an der Spitze von IWC?
Als Erstes möchte ich einwerfen, dass es bei der ganzen Sache nicht um mich geht. Ich habe ein starkes Team, seit Anfang übrigens das gleiche. Was wir erreicht haben: Die Marke steht auf starken Beinen.

Ihr Ziel?
Die Marke irgendwann an unsere Nachfolger zu übergeben in einem besseren Zustand, als sie je war.

Wie weit sind Sie damit gekommen?
Der Weg dahin ist klar, wir sind uns einig, wohin die Reise gehen soll. Wir stellen ein Produkt her für die Ewigkeit, das mit viel Liebe im Herzen von Europa hergestellt wird. Wir machen Uhren, die nicht nur heute und morgen schön und funktionstüchtig sind, sondern auch noch in 50, 100 und 400 Jahren. Ein 55er Mercedes 300 SL war immer schön, ist es heute noch, und die Mechanik kann instand gehalten und notfalls repariert werden.

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Modetrends folgen Sie nicht?
Doch, aber es geht um die Balance. Wir haben Uhren, die sich über die letzten 80 Jahre in ihrer DNA so gut wie gar nicht verändert haben, die Portugieser 40 mm etwa entspricht der von 1939. Dann gibt es Trends, in Farben, im Ausdruck und Sondereditionen, die dank der starken Basis auch mal aus der Reihe tanzen und mal ganz anders daherkommen können.

Ihr grösster Challenge dabei?
Der Ausgangspunkt für Produkte, die Kunden nicht in erster Linie deshalb kaufen, weil sie sie brauchen, sondern weil sie Freude daran haben, sind Handwerkskunst und Gestaltung. Die Herausforderung besteht darin, sich als Kreative zurückzuhalten und nicht mit jeder Idee loszuspurten.

Wie halten Sie sich im Zaum?
Die richtige Kombination von gutem Design, Topqualität und einer Kundenansprache, die Menschen bewegt, ist ein nachhaltiges Businessmodell.

Ziemlich abstrakt. Worauf verlassen Sie sich, wenn Sie sich für eine neue Idee entscheiden?
Wenn Technik und Design so zusammenkommen, dass es ein Ganzes gibt, merke ich das sofort. Das sind die Momente, in denen es absolut keine Kommentare gibt. Unsere Aufgabe ist es, aus Ideen und Tendenzen das Richtige herauszuspüren, und das ist ein Prozess.

Und Prozesse brauchen Zeit.
Eben. Es gibt ja auch Deadlines, und ich werde immer wieder einmal daran erinnert. Leider können wir nicht garantieren, wann die perfekte Idee um die Ecke kommt. Das können wir nicht planen.

Ein Shipping-Container passt sehr gut zum Credo ‹Form follows function›.

Das Elend mit der Kreativität.
In der Tat. Uns fehlt es nicht an Initiative und Tatendrang. Am Ende ist es mein Job zu sagen, jetzt gehen wir mit einer bestimmten Idee, die anderen lassen wir fallen.

Ihr Stand an der Uhrenmesse Watches & Wonders neulich in Genf lässt nur den Schluss zu, dass die Idee, die das Rennen gemacht hat, die Pilotenuhren sind.
Es ging uns von Anfang an darum, die Marke wieder auf die Engineering-DNA, die Puristik und die No-Nonsense-Philosophie zurückzubringen, und zwar mit Modernität. Der Groschen dazu ist 2020 gefallen, als wir die «Tribute to 3705», den 41-mm-Ceratanium-Chronographen im Vintage-Design, lanciert haben. Da hatten wir einen Ansatz, der das verbindet, was ich im Innersten von IWC sehe: Geradlinigkeit, Engineering und auch eine Boldness in der Grafik. Da haben wir den Hebel dann umgelegt und nun unseren Stil gefunden.

Resultat: Sie zelebrieren Container, die anderen Richemont-Marken Palazzi.
Ein Shipping-Container passt sehr gut zum Credo «Form follows function», er ist puristisch, ikonisch, die einfachste Form von brauchbarem Raum und mobil, und das nutzen wir entsprechend: Wir warten nicht auf die Kunden, sondern gehen zu ihnen, touren mit dem Container um die Welt.

Wie ist denn Ihre Strategie in Sachen Boutiquen?
Wir haben ein neues Konzept entwickelt und vor wenigen Tagen in der Dubai Mall ein Geschäft eröffnet, das dieses transportiert. Für 2022 haben wir ein starkes Ausbauprogramm, rund um den Globus, von den USA bis Südkorea.

Die IWC-Boutique an der Zürcher Bahnhofstrasse sieht im Vergleich gestrig aus, obschon erst 2020 eröffnet.
Diese Boutique war ein sehr wichtiger Schritt für uns und unseren Kreativprozess. Wir haben sie ziemlich am Anfang unseres Wegs gestaltet. Seither ist viel gegangen. Die Boutique in Dubai haben wir unterwegs noch zweimal überarbeitet. Die in Zürich werden wir auch noch anpassen.

Dass man Sie seitens des Konzerns einen doch recht eigenwillig wirkenden Weg gehen lässt – ein Indiz für Ihren Erfolg?
Wir sind heute einfach davon überzeugt, dass es Differenzierung braucht und man den Kunden eine klar wiedererkennbare Identität im Produkt, in der Marke, im Drumherum liefern muss. Die Beschleunigung im Konsumverhalten dank Social Media treibt das zusätzlich voran: Kurze Aufmerksamkeitsspanne, schnelles Konsumieren von visuellen Inhalten, da ist die sofortige Wiedererkennung noch viel wichtiger geworden. Das Haupttransportmedium ist heute das Bild.

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Das heisst?
Darauf gehen wir ein. Nehmen wir das Beispiel Piloten-Kollektion. Visuell funktionieren Uhren wie unser neues weisses Keramikmodell «Lake Tahoe» sehr gut und erregen Aufmerksamkeit. Andererseits sehen wir, dass das, was die Menschen am Ende dann auch kaufen, sich nicht so schnell und radikal ändert. Anders die Kommunikationsmedien, über die die Menschen unseren Inhalt konsumieren. Damit wollen wir Schritt halten und da sein, wo sich Kunden ihre Meinung bilden.

Neu sind Sie auch im Web3 präsent, haben den IWC Diamond Hand Club gegründet. Was ist der Zweck?
Es ist das erste NFT-basierte Mitgliedschaftsprogramm in der Luxusuhrenindustrie und so gesehen erst einmal ein Statement, dass wir neue Realitäten anerkennen – und auch nutzen. Wir können nun mit unseren Kunden nochmals ganz anders kommunizieren und unsere Marke präsentieren wie nie zuvor. Nun kann man pendeln zwischen der virtuellen 3-D- und der physischen IWC-Welt. Man kann Erlebnisse freischalten, ist Teil einer Community. Mitglieder erhalten Vorteile, und zwar umso mehr, je länger der Token gehalten wird.

Zum Beispiel?
Wer einen Token hat, erhält beim Kauf einer Uhr aus unserer aktuellen Top-Gun-Kollektion auch eine NFT-Version des Modells.

Und wie kommt man an die Tokens?
Passend zum IWC-Gründungsjahr haben wir an der Watches & Wonders 1868 davon nach dem Prinzip «First come – first served» vergeben. Sie waren in no time weg.

Das wird ja gekostet haben.
Ist alles relativ. Als ich hier angefangen habe, 2006, haben wir einen neuneinhalbminütigen Fliegerfilm produziert, den auf CD-ROMs gebrannt und dann per Post verschickt. Hat auch was gekostet.

Apropos: Wie wichtig ist Lewis Hamilton für IWC?
Abstrakte Markenwerte auf eine Persönlichkeit zu übertragen, mit der sich die Menschen identifizieren können, ist ein wichtiger Baustein in der Kommunikation von Luxus.

Sofortige Wiedererkennung ist noch viel wichtiger geworden.

Und jetzt konkret Hamilton?
Unsere Partnerschaft währt seit vielen Jahren. Er ist phänomenal, kann in jeder Situation eingesetzt werden, für Comedy bis Kundendinner. Zudem ist er nicht nur Ambassador, sondern redet beim Design auch mit und hält uns auf Trab, schickt WhatsApp-Nachrichten mit Fotos, auf denen er Dinge einkreist und für uns kommentiert. Er bringt eine andere Perspektive.

Ernst zu nehmen?
Es ist schon mehrmals vorgekommen, dass er uns von etwas erzählt, das in seinem Freundeskreis am Aufkommen ist, das dann ein paar Monate später tatsächlich als Trend in die Uhrenindustrie durchdringt. Er sieht die Dinge immer sehr früh kommen.

Ein Beispiel?
Ohne zu viel über ein kommendes Produkt zu verraten: Er machte uns auf ein bestimmtes Materialfinish aufmerksam, über das ich erst dachte, was für Männer? Das ist nun wirklich am Aufkommen.

IWC sponsert Airspeeder, die an der Entwicklung von fliegenden Autos arbeiten. Wie kommts?
Wir versuchen im Bereich Racing und Luftfahrt alles abzudecken, gestern, heute und morgen, und da schauen wir uns auch die zukünftigen Formate an. Die Klammer ist immer Engineering und Abenteuer. Ich als fahr- und pilotierbegeisterter Mensch bin wenig überraschend natürlich recht angetan von der Idee kollisionsfrei fliegender elektrischer Autos. Und genau das braucht es.

Wie meinen Sie das?
Wenn wir die Menschen dazu inspirieren wollen, einen Technologiewechsel mitzumachen, dann muss das, was da kommt, spannend, aufregend und schön sein. Das Buy-in der Menschen für etwas, bei dem es nur um «langsamer», «aufhören», «nicht mehr dürfen» geht, ist schwierig, das macht keiner freiwillig mit, und es braucht Gesetze und eine Bussenverordnung.

Iris Kuhn Spogat
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