Ferdinand Piëch ist ein Genie. Das liegt in der Familie. Sein Grossvater Ferdinand Porsche war eins, sein Cousin Ferdinand Alexander Porsche als Designer auch. Es gibt keine Autos, die Piëch heissen, aber Dutzende von ihnen, die ohne Piëch nicht denkbar wären: einen Porsche 911 mit leistungsfähigem Sechszylinder, ein Rennwagen namens 917, für dessen Sieg in Le Mans er das Schicksal der Zuffenhausener Sportwagenmanufaktur herausforderte, dann die Audi Quattro, schliesslich auch das Ein-Liter-Auto von VW.

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Piëch war aufgewachsen unter Visionären. Er mass sich stets an höchsten Ansprüchen. So hoch seine technische Intelligenz war, so gefürchtet war sein Sozialverhalten.

Vergangene Woche hat er mit ein paar dürren, messerscharfen Bemerkungen den im Augenblick erfolgreichsten Autohersteller der Welt ins Wanken gebracht. Das kann nur er. Er wird es wohl – bei aller selbst verordneten Askese – genossen haben. Dem Volkswagen-Konzern hat er damit keinen Gefallen getan – aber darauf können Visionäre keine Rücksicht nehmen.

Ein beeindruckender Dinosaurier

Der Aufsichtsratsvorsitzende sieht sein Lebenswerk gefährdet und will diesem Werk seinen Ziehsohn Martin Winterkorn opfern. Er, der fleissige Auto-Euphoriker und brillante Qualitätsoptimierer, ist ein Mann aus einfachen Verhältnissen, der seinen Erfolg in der Regel zurückhaltend genoss und dem die Loyalität zu Piëch wichtig war. Für ihn beginnt eine harte Zeit. Die Wolfsburger haben erkennen lassen, dass sie diese Attacke so nicht hinnehmen werden, aber die Frage steht im Raum, wie es weitergehen soll und wer das Opfer sein muss.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet jener Audi- und VW-Mann, der den einst unabhängigen und (grössenwahnsinnig gewordenen) Sportwagenhersteller Porsche geschluckt hat, nun auf Rückendeckung der Familie Porsche hoffen darf. Der 77-jährige Piëch verkörpert einen beeindruckenden Dinosaurier: Er ist der letzte Zeuge jener romantischen Phase der Wirtschafts- und Technikgeschichte, in der das Werk eines Einzelnen die Welt verändern konnte: Ferdinand Porsche, Enzo Ferrari und dann er. Die Zeit der Heroen neigt sich dem Ende zu.

Heute sind die Herausforderungen der Industrie 4.0 zu komplex, um als Werk eines Einzelnen bewältigt werden zu können. Am ehesten gibt es Typen wie ihn im Silicon Valley, allerdings nicht am Kopf einer AG, die 600'000 Mitarbeiter angestellt hat. Winterkorn hat VW einen enormen Reichtum und beeindruckende Verkaufszahlen beschert; nie waren Autos aus dem Konzern so wertig und preiswert. Ob ihm das hilft, wenn ein Genie seinen Ziehsohn stürzen will, hängt vom machiavellistischen Fortune Piëchs ab.

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