Es war eines der am besten gehüteten Geheimnisse: die Pläne von Facebook im Finanzbereich. Doch als sich die Gerüchte in den vergangenen Monaten verdichteten, dass Mark Zuckerberg an einem eigenen Coin arbeitet, dauerte es nicht lange, bis die Branche einen Namen für die Top-Secret-Währung schuf: den Zuck-Coin.

Zuck-Coin wird Facebook seine Währung nicht taufen. Doch seit einigen Tagen ist klar, dass Zuckerberg tatsächlich mit einem eigenen neuen Bezahlsystem die Finanzwelt aufmischen will. Libra heisst das Projekt intern. Und der Standort Schweiz spielt in den Plänen des Konzerns aus dem kalifornischen Menlo Park eine wichtige Rolle: Vor einigen Wochen gründete Facebook in Genf eine neue Firma mit dem Namen Libra Networks. Die Firma will alles anbieten, was für den Aufbau eines Bezahlsystems wichtig ist.

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Der Konzern äussert sich nicht zur Genfer Firma. Doch laut den Statuten will Libra Networks Finanz- und Technologiedienstleistungen erbringen und damit in Verbindung stehende Soft- und Hardware entwickeln. Besonderer Fokus liegt auf Zahlungen, Finanzierung und Identitätsmanagement, aber auch Big Data, Analytik und Blockchain. Wie viel davon die Firma selber entwickeln will oder ob Libra Networks doch eher als Scharnier zwischen anderen Firmen von Facebook wirkt, ist nicht bekannt. Eigentümer von Libra Networks ist Facebook Global Holdings II in Irland.

Das alles passt zu dem, was bisher über das Projekt Libra bekannt ist: Im Zentrum von Zuckerbergs Plänen steht der neue Coin, die neue Facebook-Währung. Sie wird laut amerikanischen Medien fix an den Dollar gebunden sein. Jedem Facebook-Coin wird genau ein Dollar entsprechen, der bei einem Finanzinstitut hinterlegt sein wird. Damit wird der Facebook-Coin zum sogenannten Stable Coin, der anders als etwa Bitcoin im Preis gegenüber dem Dollar kaum schwanken dürfte.

Offenbar plant Facebook, zum Start erst einmal eine Milliarde Coins in Umlauf zu bringen. Was die Nutzer damit machen können, ist noch nicht offiziell bekannt. Aber die Branche hat klare Vorstellungen: Whatsapp-User sollen einander Geld schicken können. Shops, die Facebook integriert, könnten die Währung akzeptieren. Auch gibt es Pläne, Nutzer inskünftig direkt zu entschädigen, etwa für Interaktionen mit Werbung.

Gerüchten zufolge könnte Indien zuerst bedient werden. Die «Financial Times» berichtet, das Whatsapp-Team in London werde im Bereich Zahlungssystem stark ausgebaut. Welche Bedeutung der Firmengründung in der Schweiz zukommt, bleibt da ein Stück weit offen.

13 Stellen in der Schweiz

Schweiz Bei Facebook in der Schweiz sind 13 Stellen ausgeschrieben. Der Konzern sucht vor allem Software-Ingenieure. Seine erste Tochtergesellschaft in der Schweiz gründete Facebook 2013. Inzwischen gibt es mit Zürich und Genf zwei Standorte.

Zürich Hier forscht und entwickelt Facebook nach Möglichkeiten, wie Computer ihre Umgebung besser wahrnehmen können. Computer Vision ist das Stichwort und die Oculus-Brille das Produkt. Zudem unterhält Facebook hier ein Forschungsteam.

Genf Die Rhonestadt ist Sitz von Facebook Switzerland. Die Firma ist vor allem zuständig fürs Marketing in der Schweiz. Neu kommt nun Libra Networks hinzu, allerdings an einem anderen Standort in Genf.

Doch Libra Networks scheint nicht nur eine Briefkastenfirma zur Verwaltung von irgendwelchen Rechten zu sein: Die Firma ist zentral in Genf auf einer Rhoneflussinsel mit der Adresse Quai de l’Ile 13 angesiedelt, wo der Bürovermieter Regus auf sechs Etagen Bürofläche anbietet. Diese Nähe zu Regus ist kein Zufall.

In Zürich jedenfalls ging Facebook nach dem gleichen Muster vor. Als der Konzern im Jahr 2016 in der Limmatstadt ein Team für Computer Vision aufbaute, mietete das Unternehmen sich in einem ersten Schritt bei Regus an der Bahnhofstrasse ein. Dort startete das Team mit wenigen Leuten, wuchs dann rasch auf zwei Dutzend Mitarbeiter, bevor schliesslich vergangenes Jahr neue, grössere und eigene Räumlichkeiten gesucht wurden, um das Research für Augmented Reality im Süden von Zürich auszubauen.

Kontakte ins Crypto Valley

Beim Wirtschaftsberater BDO, der Facebook in der Schweiz zur Seite steht, ist die Angelegenheit zudem Chefsache. Mit Denis Boivin und René- Marc Blaser sitzen gleich zwei BDO-Geschäftsleitungsmitglieder als Zeichnungsberechtigte in der Führung von Libra Networks. BDO leistete schon 2013 Geburtshilfe, als Facebook in der Schweiz mit einer Marketing-Organisation Fuss fasste.

Die Statuten weisen ebenfalls auf eine beträchtliche Bedeutung hin. So kann Libra Networks seinen künftigen Tochtergesellschaften, Aktionären und anderen Firmen Darlehen gewähren, Cash-Pooling-Vereinbarungen eingehen und Garantien jeglicher Art für diese abgeben.

Das alles deutet darauf hin, dass Libra Networks nicht nur eine lokale Funktion in der Schweiz ausüben wird. Bekannt ist, dass US-Firmen aus dem Finanzwesen Mühe haben, ihre weltweite Klientel von den USA aus zu betreuen. Deshalb gründen sie oft ausserhalb der USA einen Hub, der die übrige Welt bedient. Im Bereich der Kryptowährungen hat dies zum Beispiel Xapo vorexerziert. Der Aufbewahrer von Bitcoins und Co. hat aus diesem Grund neben dem Silicon Valley Zug als zweiten Standort gewählt. Geschrieben und notariell beglaubigt wurden die Statuten von Libra Networks übrigens ebenfalls in Räumlichkeiten im Crypto Valley Zug, wie aus Gründungsdokumenten hervorgeht.

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Vorbild aus China

Die Bedeutung des Vorstosses von Facebook in den Payment-Bereich kann kaum überschätzt werden. Wie mächtig die Facebook-Tochter Whatsapp mit eingebauter Funktion zum Geldversenden werden könnte, zeigt der chinesische Vorreiter Wechat. Inzwischen laufen in Asien täglich über eine Milliarde Transaktionen über Wechat. E-Commerce und Dienstleistungen wie etwa Restaurantbesuche werden grösstenteils via Wechat abgerechnet.

Facebook hat in den letzten zwei Jahren viel Fachwissen im Bereich Blockchain aufgebaut. Die Technologie ermöglicht es, auf ziemlich einfache Art und Weise eine neue Payment-Infrastruktur aus dem Boden zu stampfen. Aus politischen Gründen ist davon auszugehen, dass Facebook eine Architektur wählen wird, bei welcher der Konzern oder sonstige Instanzen weiterhin die letzte Kontrolle über getätigte Transaktionen haben werden.

Zuckerbergs Coin ist nicht der einzige Stable Coin, der um die Gunst der User buhlen wird. Es gibt den Gemini Dollar der Zwillinge Cameron und Tyler Winklevoss. Sie gingen mit Zuckerberg aufs College. Am Ende zofften sie sich, wer die Idee für Facebook entwickelt habe. Auch diesmal dürfte Zuckerberg im Vorteil sein: Mit seinen zwei Milliarden Nutzern hat er gute Chancen, sich mit seinem Coin gegen jede Konkurrenz durchzusetzen.